Der SPD-Europaabgeordnete und Youtuber Tiemo Wölken und Politik und soziale Medien
"Käppi verkehrt rum und rappen - geht gar nicht"
Wie der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken erfolgreich Youtube, Twitch und Co. nutzt tk. Landkreis. Er teilt Fotos in seiner Instagram-Story, hat mehr als 43.000 Abonnenten auf Youtube und diskutiert live auf Twitch mit einigen Hundert Usern: Tiemo Wölken (33) ist aber kein aufsteigender Star am Influcener-Himmel, sondern Europaabgeordneter der SPD. Der gebürtige Buxtehuder macht das, was viele Politiker - vor allem in CDU und SPD - gerne können würden: die sozialen Medien für eine Diskussion mit jungen Wählerinnen und Wählern nutzen. Was er anders macht und warum Youtube und Co. für viele Altgediente in der Politik offenbar so etwas wie ein anderer Kommunikations-Kontinent sind, wollte das WOCHENBLATT von Tiemo Wölken wissen.
"Mir machen Youtube, Twitch und Instagram einfach Spaß", sagt Wölken. Es gibt Videos, die zeigen ihn mit Anzug und Krawatte im Europaparlament, aber auch solche, die er in seiner Küche aufnimmt und bei Erdbeeren und Pfannkuchen als Verpflegung mit 400 Menschen über die Europawahl diskutiert - live im Netz. "Das ist eine Bereicherung und eine tolle Art der Kommunikation", sagt Tiemo Wölken.
Dass nicht mehr Politiker diese Medien nutzen, liege vermutlich daran, dass sie Angst von einem Shitstorm haben, vermutet Wölken. Zu oft habe es Hasskommentare nach Facebook-Posts gegeben. Bevor so etwas geschehe, würden viele lieber auf die sozialen Medien verzichten.
Eine Sorge, die Wölken anfangs auch beschäftigte. Ein erfolgreicher Webvideoproduzent mit dem er befreundet ist, zerstreute die Befürchtungen: Die Netzgemeinde sei in der Regel eine ausgesprochen freundliche Gemeinschaft. "Ich musste bisher nur ein paar Mal Kommentare löschen", sagt Tiemo Wölken. Es werde diskutiert, auch kontrovers, doch Hassbotschaften gebe es höchst selten.
Nach dem Rezo-Video vor der Europawahl, mit Fundamentalkritik an CDU und SPD, und der nachfolgenden Debatte über Meinungsmache im Netz, haben die etablierten Parteien offenbar erkannt: Wer junge Wähler erreichen will, muss irgendwie Präsenz im Netz zeigen. Oder, wie es der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder ausdrückte: "Politik muss cooler werden." Bei solchen Formulierungen muss Tiemo Wölken schmunzeln. "Baseballcap verkehrt rum aufsetzen und am besten noch rappen - das funktioniert nicht." Wer soziale Medien nutze, müsse vor allem eins sein: authentisch. Anbiedern komme nicht gut an.
Dass die großen Parteien im Internet aktiver werden müssen, steht für den Europaabgeordneten außer Zweifel. "Wir müssen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen dort diskutieren, wo sie sind und sich informieren - im Netz." Dort werde intensiver über Themen wie Klimawandel oder Uploadfilter debattiert als in den Ortsverbänden von Parteien.
Wer als Politiker darüber nachdenke, als Youtuber aktiv zu werden, der müsse auch nicht in teure Studiotechnik investieren. "Meine ersten Videos waren noch etwas verwackelt", sagt Tiemo Wölken.
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