Stades Landrat kritisiert Lauterbach
Krankenhausreform: (K)ein guter Tag für die Kliniken?
Die Ampel-Regierung in Berlin will die große Krankenhausreform möglichst noch in diesem Jahr unter Dach und Fach bringen. Die Koalitionäre hatten sich nach langen Verhandlungen endlich geeinigt. Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte, dass das Reformpaket in der kommenden Woche vom Bundestag verabschiedet werden soll. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich im November damit befassen.Während Lauterbach die Einigung innerhalb der Ampel als "guten Tag für die Kliniken" bezeichnete, wird das Vorhaben weiterhin von vielen Seiten kritisiert. Auch beim Landkreis Stade zeigt man sich skeptisch. Der Landkreis ist alleiniger Träger der Elbe Kliniken.
Landrat vermisst Maßnahmen zur Entlastung
Lauterbach verschließe die Augen vor der Realität, kritisiert Landrat Kai Seefried. Er führt die Situation vor Ort als Beispiel an: Der Landkreis habe den Elbe Kliniken bereits eine Liquiditätshilfe von 15 Millionen Euro gewährt. Das sei eine Aufgabe, die eigentlich der Bund sicherzustellen habe. Im Entwurf des Kreishaushalts für das kommende Jahr ist erneut eine Finanzspritze in Höhe von 10 Millionen Euro vorgesehen.
Es sei ein Unding, so Seefried, dass Kommunen bei der Krankenhausfinanzierung Pflichtaufgaben des Bundes übernehmen müssen. Schon jetzt hätten die Landkreise schätzungsweise drei Milliarden Euro bereitgestellt, um das wirtschaftliche Überleben ihrer Kliniken zu ermöglichen. Seefried vermisst wirksame Maßnahmen, die eine Entlastung bringen – etwa in Form eines vollständigen Tarif- und Inflationsausgleichs. Genauso wie der Landkreistag als Interessenvertretung der Landkreise lehnt Seefried den Regierungsentwurf für die Krankenhausreform in der jetzigen Form ab.
NLT-Präsident: Bund muss Defizite ausgleichen
Scharfe Kritik äußert der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Marco Prietz: „Wir können es nicht fassen. Egal, was an Argumenten vorgetragen und Problemen geschildert wird, der Minister verkündet ungerührt seine Krankenhausreform. Für die seit 2022 aufgelaufenen Defizite gibt es weiter keinerlei Lösung zum Ausgleich von Inflation und Tarifkostensteigerungen. Das ist unerträglich und gefährdet die Krankenhausversorgung in ganz Niedersachsen.“ Prietz fordert, dass der Bund die aufgelaufenen Defizite ausgleicht. Er verweist darauf, dass die niedersächsischen Kommunen allein im Jahr 2023 insgesamt 586 Millionen Euro an finanziellen Hilfen für die Krankenhäuser aufgebracht haben.
Prietz wendet sich an die Bundestagspolitiker: „Wir appellieren an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus Niedersachsen, diesem Gesetz nicht ohne Lösung der Betriebskostenfrage zuzustimmen. Viele Krankenhäuser werden diese Reform sonst nicht mehr erleben.“ NLT-Vizepräsident Sven Ambrosy fordert außerdem die Landesregierung auf, im Bundesrat gegen den Gesetzentwurf zu stimmen, solange kein Ausgleich für Tarif- und Inflationskosten enthalten ist. Ambrosy betont: „Andernfalls erwarten wir vom Land eine mindestens hälftige Beteiligung am kommunalen Defizitausgleich für die Krankenhäuser.“Der Landkreistag ruft alle Landkreise auf, entsprechende Resolutionen zu verabschieden, um den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen. Prietz abschließend: Prietz abschließend: „Ohne Schließung der Betriebskostenlücke für 2022 bis 2024 geht es nicht. Die Reform muss dringend nachgebessert werden.“
Kritik am Drang nach Zentralisierung
Auch der Deutsche Landkreistag spricht mit Blick auf die Reformvorschläge Lauterbachs von einem „unhaltbaren Zustand“. Die chronische Unterfinanzierung der Kliniken sei seit Jahren Thema, doch der Bundes-Gesundheitsminister bewege sich nicht. Konkrete Vorschläge der Landkreise und der Deutschen Krankenhausgesellschaft würden nicht umgesetzt. „Die in wesentlichen Teilen ablehnende Haltung der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats verdeutlicht aus unserer Sicht, dass der Bund insoweit bislang kaum Interesse an einer echten Zusammenarbeit und guten Kompromissen mit Ländern und Kommunen gezeigt hat“, heißt es in der Stellungnahme des Deutschen Landkreistages. „Dies gilt es, im Interesse der Sache, dringend zu ändern.“
Die Landkreise kritisieren zudem den Drang nach Zentralisierung: Eine hohe Versorgungsqualität sei auch an dezentralen Standorten erreichbar, insbesondere durch schnelle Diagnostik und Behandlung, die zu guten Ergebnissen mit minimalen Beeinträchtigungen führen. Fachliche Expertise könne in dezentralen Kliniken und Verbundstrukturen aufgebaut werden, unterstützt durch telemedizinische Anbindungen, die erfahrene Ärzte hinzuschalten können, sagen die Landräte. Einmal abgebaute Versorgungskapazitäten seien sich nicht einfach wiederherzustellen, was langfristig zu höheren volkswirtschaftlichen Kosten führen dürfte, fürchten die Landräte.
Griff in den Honorartopf für Fachärzte
Die umstrittene Krankenhausreform der Ampel-Koalition sieht u.a. vor, dass Kliniken im ambulanten Bereich Aufgaben übernehmen, für die sonst ausschließlich die niedergelassenen Fachärzte zuständig waren. Die Idee, Teile der bisherigen fachärztlichen Versorgung auf die Kliniken zu übertragen, wird von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) grundsätzlich abgelehnt.
Der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch bezeichnet diese Pläne als Angriff auf die ambulante vertragsärztliche Versorgung. Seiner Ansicht nach würden dadurch öffentlich finanzierte Krankenhäuser in direkte Konkurrenz zu privat finanzierten Arztpraxen treten. Besonders problematisch sei die Tatsache, dass die Krankenhausärzte aus dem demselben Topf ihr Geld erhalten sollen, der für die Vergütung der fachärztlichen Leistungen vorgesehen ist. Dabei ist für die niedergelassenen Ärzte weiterhin eine Budgetierung, also eine Kappung von Zahlungen ab einem bestimmten Limit im Quartal, vorgesehen. „Rational ist dies nicht mehr zu erklären“, so Barjenbruch.
Durch den Griff in den "Honorartopf" der niedergelassenen Fachärzte solle offenbar „auch noch das kleinste und unrentabelste Krankenhaus irgendwie über Wasser gehalten werden“, so der KVN-Chef. Er kritisiert die „ministeriellen Füllhörner“, die Krankenhäusern zugutekommen, während die ambulante Versorgung in strukturschwachen Regionen nicht ausreichend gefördert werde. Die geplante Quersubventionierung der Kliniken aus dem Fachärzte-Topf, sei eine "Beruhigungspille" für die Bürger, die ihr Krankenhaus vor Ort nicht verlieren wollen.
Auch der stellvertretende KVN-Vorstand Thorsten Schmidt stellt sich zudem die Frage, woher die Ärzte für die ambulante Versorgung in den Krankenhäusern kommen sollen. In vielen Regionen herrsche doch bereits ein Mangel an Hausärzten. Schmidt fordert stattdessen eine konsequente Förderung der Niederlassung von Ärzten. Dies sei wesentlich effektiver.
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