Bürgermeisterwahl in Stade: Wahlleiter äußert sich nicht zu möglichen Unregelmäßigkeiten
Kraska: Keine Auskunft!
jd. Stade. Es sollte bei dieser Ratssitzung eigentlich nur um ein paar Formalien gehen. Anschließend wollte sich die Stader Politik ganz der Feier anlässlich der Verabschiedung der scheidenden Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) widmen. Doch ein unangenehmes Thema drückte ein wenig auf die Stimmung. Der SPD-Fraktionschef Kai Holm hatte einen Dringlichkeitsantrag gestellt, dass sich der Rat auf seiner Sitzung am Montagabend mit der Klage gegen die Bürgermeisterwahl befasst. Wie berichtet, hatte ein Stader Bürger vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Stichwahl erhoben, weil er die Rechte unter Betreuung stehender Menschen verletzt sieht und er zudem der Auffassung ist, dass nicht alle, die Briefwahl beantragt hatten, ihr Wahlrecht ausüben konnten.
Holms Antrag kam unter dem Tagesordnungspunkt "Anfragen" aufs Tapet. Doch Vize-Verwaltungschef Dirk Kraska machte gleich deutlich, dass das Thema auf dieser Sitzung nicht weiter behandelt wird. Erst auf der Ratssitzung am 30. September soll sich die Politik eingehend mit dem Vorgang beschäftigen.
Kraska ließ auch eine Anfrage des WOCHENBLATT unbeantwortet. Unter anderem ging es darum, inwieweit er als verantwortlicher Wahlleiter bereits überprüft hat, ob es Fehler bei der Ausstellung der Wahlbenachrichtigungen zur Briefwahl gegeben haben könnte. Kraska erklärte dazu nur barsch am Telefon: "Zu einem laufenden Verfahren gebe ich keine Auskunft."
Auch die Frage, ob bei ihm als Wahlleiter nach der Stichwahl ein Wahleinspruch gemäß dem Niedersächsischen Kommunalwahlgesetz (NKWG) innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Tagen eingegangen ist, wollte er dem WOCHENBLATT nicht beantworten. Auf der Ratssitzung teilte er dann aber auf wiederholte Nachfrage aus der Politik mit, dass es offenbar zwei Einsprüche gegeben hat. Zumindest einer davon erfolgte wohl fristgemäß.
Die Frage nach der Einhaltung der Frist erscheint wichtig, da das Verwaltungsgericht bei der Zustellung der Klageschrift in diesem Zusammenhang bereits einen rechtlichen Hinweis gegeben hat: Demnach könnte der Erfolg einer Klage davon abhängen, ob eine solche fristgerechte Anfechtung der Wahl erfolgt ist. Ohne diesen Einspruch wäre eine Klage gegen das Ergebnis der Wahl "wohl nicht zulässig", so das Gericht. Was die Sache kompliziert macht: Der Einspruch des Klägers soll erst erhoben worden sein, nachdem er die Klage eingereicht hat - also außerhalb der Frist.
Vor der Ratssitzung hatte Holm seinen Antrag damit begründet, dass die Angelegenheit inzwischen intensives Stadtgespräch sei und die Öffentlichkeit daher schon jetzt über den Sachstand informiert werden sollte. Unterstützung erhielt Holm vom Fraktionschef der "Bunten Fraktion", dem FDP-Ratsherrn Wolfgang Ehlers. "Eine rasche Aufklärung ohne eine lange Hängepartie kann unserer zukünftigen Arbeit nur nützen", meinte Ehlers. Er sei gespannt auf die Erklärungen des Wahlleiters, erklärte Ehlers noch am Montagmorgen.
Die Vorsitzenden der anderen Fraktionen gaben sich da schon zurückhaltender. Sie verwiesen darauf, dass es Sache des Gerichts sei, das Wahlprozedere juristisch zu bewerten. "Bis dahin gehe ich von der Wahl von Sönke Hartlef aus", sagte Carsten Brokelmann von der Wählergemeinschaft. Weitere Planspiele zu einer möglichen Neuwahl "verbieten sich sowohl aus Respekt vor dem Gewählten als auch vor der Unabhängigkeit des Gerichts." Auch Barbara Zurek von den Grünen war der Ansicht, dass es für ein Statement zu früh sei.
Mit dem Gedanken an eine mögliche Wahlwiederholung wollte sich Holger Dankers (Linke) ganz und gar nicht anfreunden. "Ob dadurch der Wählerwille besser zum Ausdruck gebracht wird, ist stark anzuzweifeln." Es müsse aber verhindert werden, "dass über der Bürgermeisterwahl der Vorwurf einer Mauschelei schwebt."
Die CDU-Fraktionsvorsitzende Kristina Kilian-Klinge gab zu bedenken, dass der Hinweis des Gerichts zur Einspruchsfrist womöglich dafür spreche, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Sie gehe davon aus, dass der Wahlausschuss seine Arbeit ordentlich gemacht habe.
Auf Kopfnicken bei der CDU dürfte wohl Holms Aussage stoßen, dass der Abstand bei den Stimmanteilen von Hartlef und Nieber viel zu groß gewesen sei, als dass hypothetische Wahlverstöße ins Gewicht gefallen wären. "Das Ergebnis wäre nur unerheblich anders ausgefallen", vermutet Holm. Den grundsätzlichen Wählerwillen zweifele er nicht an. Im Klartext: Holm will damit sagen, Hartlef habe mit so deutlichem Vorsprung gewonnen, dass eine Wahlanfechtung bedeutungslos wäre.
Egal, wie das Gericht entscheidet - eines steht schon jetzt fest: Silvia Nieber hat auf WOCHENBLATT-Anfrage erklärt, bei einer Wahlwiederholung nicht noch einmal zu kandidieren.
• Über Niebers Verabschiedung berichtet das WOCHENBLATT in der Samstagsausgabe.
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