Klinik-Hilfspaket wird nicht ausreichen
Kritik vom Krankenhauschef: Zu viel Bürokratie trotz Corona
jd. Stade. Die Aussagen der Politik zum Thema Corona haben oftmals nur noch eine Halbwertzeit von einem Tag. Was am Vortag verkündet wurde, galt 24 Stunden später schon nicht mehr. Das traf auch auf den "Rettungsschirm" zu, mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Krankenhäuser abmildern will. Nach heftigen Protesten der Kliniken und ihrer Dachverbände, die bereits von einem "Sterbepaket" sprachen, ließ Spahn seinen Gesetzesentwurf überarbeiten. Aber auch das am Mittwoch vom Bundestag verabschiedete Gesetzespaket halten viele für nicht ausreichend. Auch in den Elbe Kliniken zeigt man sich skeptisch. Geschäftsführer Siegfried Ristau befürchtet, dass die finanziellen Hilfen die aufgrund der Corona-Maßnahmen verursachten Zusatzkosten nicht decken werden.
Nach dem Aufschrei der Kliniken hat Spahn nachgebessert: Statt 7,8 ist sind es nun zehn Milliarden Euro, die bereitgestellt werden. Vorgesehen ist, dass für jedes freigehaltene Patientenbett 560 Euro pro Tag gezahlt werden. Außerdem soll jeder neue Beatmungsplatz auf einer Intensivstation jetzt mit 50.000 Euro statt wie zunächst vorgesehen mit 30.000 Euro bezuschusst werden. Für Mehrkosten bei der Schutzausrüstung des Personals ist zunächst ein Bonus von 50 Euro pro Patient vorgesehen.
Doch Klinikchef Ristau ist sich schon jetzt sicher: "Dieser Betrag wird bei Weitem nicht ausreichen." Die Preise seien massiv gestiegen. Bei medizinischen Einmal-artikeln würden sie teilweise beim zwölffachen Betrag des sonst üblichen Marktpreises liegen. Die aus Bundesmitteln beschaffte persönliche Schutzausrüstung habe die Kliniken zudem noch nicht erreicht.
"Trotz Lieferengpässen können wir den aktuellen Bedarf noch decken", sagt Ristau. Wie lange die Bestände reichen, hänge stark davon ab, wie schnell und wie stark sich die Lage verschärfe, in welcher Größenordnung Nachschub beschafft werden könne und wie deren Finanzierung dann gesichert werde.
"Ich habe große Zweifel, ob es der Politik gelingt, die ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen", erklärt Ristau gegenüber dem WOCHENBLATT. Wegen der zugesagten fortlaufenden Überprüfung der Maßnahmen bestehe aber noch ein Stück Resthoffnung.
Kritik übt Ristau an den bürokratischen Hürden, die mit der Gewährung von finanziellen Hilfen verbunden sind: "Ein großer Schwachpunkt ist die Beibehaltung komplexer Verwaltungs- und Abrechnungsprozesse."
Gerade in einer solchen Krisenzeit wäre eine Vereinfachung und Entbürokratisierung nötig gewesen, so Ristau. "Stattdessen müssen sich die Mitarbeiter der Krankenhäuser um aufwendige Dokumentationen kümmern." Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte gefordert, das zeitraubende Prozedere bei den Abrechnungen auszusetzen, weil sonst unnötig wertvolle Arbeitszeit von Klinikpersonal für Bürotätigkeiten verschwendet wird. "In Zeiten, in denen eine menschliche Tragödie – ausgelöst durch das Virus – zu verhindern ist, ist der Zwang zur Bürokratie nicht nachvollziehbar", meint Ristau.
Der Stader Klinikchef legt den Finger zudem in eine weitere offene Wunde. Er verweist darauf, dass ein erheblicher Teil der Erlöse der Elbe Kliniken durch ambulante Behandlungen erzielt wird. Dieser Bereich sei auf ein Minimum heruntergefahren, doch eine Aussage zu einem finanziellen Ausgleich für diese Einnahmenausfälle habe es aus dem Gesundheitsministerium bisher nicht gegeben. Sollte sich die Befürchtung bestätigen, dass hier keine Gelder fließen, würde das zu einem für die Elbe Kliniken nicht zu bewältigenden Problem führen.
"Hilfen kommen bislang nicht an"
An die Bundesregierung richtet Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken, deutliche Worte: "Wir setzen seit mehreren Wochen alle möglichen Hebel in Bewegung, um so viele Kapazitäten für Corona-Patienten zu schaffen wie nur möglich. Hilfen kommen bislang nicht an, obwohl der Krankenhausbetrieb bereits vor etwa zwei Wochen großflächig – soweit medizinisch vertretbar – heruntergefahren wurde. Um Verhältnisse wie in Italien und in anderen europäischen Ländern zu verhindern, werden wir aufgefordert, Personal und Medizintechnik in noch höherem Maßen vorzuhalten als bisher, was die sowieso schon hohen Kosten noch weiter steigen lässt. Umso unverständlicher ist es, dass wir die Bundesregierung permanent auf diese Problematiken aufmerksam machen müssen. Und trotzdem ist nicht sicher, ob die Finanzierung am Ende ausreicht."
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