Finanznot wegen Ganztags-Grundschule
Kultusministerin antwortet auf Brandbrief aus dem Landkreis Stade
Ende Mai schickte Stades Landrat Kai Seefried (CDU) gemeinsam mit den Rathauschefs aus dem Landkreis Stade einen Brandbrief an die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne). Dieses Schreiben war fast ein Hilferuf: Die Kommunen werden durch die Einführung der Ganztags-Grundschule ab 2026 finanziell überfordert. Sie können den erforderlichen Aus- und Neubau von Schulgebäuden ohne weitere Hilfen von Land und Bund nicht stemmen. Mehr als zwei Monate hat sich die Ministerin für eine Antwort Zeit gelassen. Jetzt, nach dem Ende der Schulferien, musste sie wohl endlich mal reagieren. Wer allen Ernstes auf konkrete Finanzierungszusagen gehofft hat, dürfte nach der Lektüre des Schreibens aus Hannover enttäuscht sein. Statt Geld gibt es allenfalls Verständnis von der Grünen-Ministerin.
Geld reicht bei Weitem nicht aus
Die Zahlen, die Hamburg nennt, sind bekannt: Aus Bundesmitteln erhalten die niedersächsischen Kommunen 278 Millionen Euro für das sogenannte Investitionsprogramm Ganztagsausbau. Außerdem stellt Niedersachsen bis 2027 insgesamt 55 Millionen Euro zur Verfügung, um die Kommunen bei den Investitionskosten für die Ganztags-Grundschule zu unterstützen. Dass dieses Geld bei Weitem nicht ausreichen wird, um die Grundschulen allein hinsichtlich der baulichen Gegebenheiten fit für den Ganztagsbetrieb, wurde in dem Brandbrief anhand von Beispielen verdeutlicht. So müssten neun von elf Landkreis-Kommunen umfangreiche Investitionen tätigen - in Höhe von insgesamt 166 Millionen Euro. Hinzu kommen die jährlichen Betriebskosten von mehr als sechs Millionen Euro.
Ministerin sieht Schulträger in der Pflicht
Hier gibt sich die Ministerin zwar verständnisvoll und erklärt, ihr Haus habe gegenüber dem Bund "immer wieder deutlich gemacht, dass weder die Mittel des Ganztagsinvestitionsprogramms ausreichen, noch die perspektivischen Betriebskosten für ein Ganztagsangebot auskömmlich sein werden". Doch andererseits macht sie unmissverständlich deutlich, dass die Investitions-Fördermittel für den Ganztagsausbau nicht vorgesehen sind, um ohnehin notwendige Bau- und Sanierungsmaßnahmen an den Schulen durchzuführen. Schließlich seien die Kommunen als Schulträger per Gesetz für die Errichtung, Ausstattung und Wartung der Schulgebäude zuständig. Betrieb und Instandhaltung der Schulen würden nun mal in der Eigenverantwortlichkeit der Kommunen liegen. Das Land mache hier keine Vorgaben, so die Grünen-Politikerin.
Diese Aussage ist bezeichnend für die Haltung des Kultusministeriums. Sie bedeutet im Klartext: Liebe Gemeinden, Städte und Landkreise - meist sind das die Schulträger -, die Schulbauten sind euer Problem, für deren Instandhaltung und Sanierung gibt es kein Geld. Was die Ministerin dabei nicht beachtet: Viele Baumaßnahmen lassen sich gar nicht voneinander trennen. Anbauten an Schulen oder Umbauten innerhalb eines Gebäudes wären ohne Einführung der Ganztagsbetreuung nicht oder nicht in diesem Umfang erforderlich. Und Sanierungsmaßnahmen werden nicht selten vorgezogen, wenn an der Schule wegen des Ganztags ohnehin schon Bauarbeiten notwendig sind.
Wohlmeinende Worte statt finanzieller Hilfe
Ansonsten gibt Hamburg den finanziell klammen Gemeinden den Rat, bei den Baumaßnahmen einfach mal die Fantasie walten zu lassen: "Gemeinsam können Schulträger, Schulbauausschuss und Schule aus den vorhandenen Spielräumen kreative und bedarfsgerechte Lösungen entwickeln und umsetzen." Es folgen weitere wohlmeinende Worte: Man müsse vor Ort eben flexibel sein, "regionale Möglichkeiten" nutzen und "individuelle Konzepte" entwickeln. Entscheidend sei doch, dass "Bund, Land und Kommunen gemeinsam agieren und in die gleiche Richtung denken und arbeiten". Die Anregungen aus dem Brief des Landrates und der Bürgermeister nehme sie "mit großer Entschlossenheit auf", so die Ministerin abschließend. Sie werde sich für ein stärkeres Engagement des Bundes einsetzen.
Seefried: Keine finanzielle Unterstützung zu erwarten
„Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Ministerin unsere Sorgen ernst nimmt und unsere Forderungen unterstützt. In unser aller Interesse hoffe ich, dass sie in Berlin auf offene Ohren stoßen wird“, sagt Landrat Kai Seefried in einer ersten Reaktion. „Ihre Antwort zeigt aber auch, dass in der näheren Zukunft keine weitergehende Unterstützung durch das Land oder durch den Bund zu erwarten ist. Somit bleibt die gesamte Last durch die kommunale Ebene zu tragen. Unabhängig von dieser Herausforderung werden wir aber gemeinsam mit den Städten und Gemeinden alles vor Ort Mögliche unternehmen, um den Ganztagsbetrieb möglichst gut vorzubereiten. Dabei wird das Bildungsbüro des Landkreises eine besondere Rolle einnehmen“, unterstreicht der Landrat. „Trotzdem bleibt klar, dass es einen großen Unterschied zwischen den von der Bundespolitik geweckten Erwartungen und der Realität vor Ort gibt, die am Ende vor allem von den Verantwortlichen in den Kommunen gelöst werden müssen.“
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