Lüheflut: Kein Recht auf Schadensersatz
Landrat Kai Seefried ist mächtig sauer
Das Land Niedersachsen kommt nach einer juristischen Prüfung zu dem Schluss, dass die Geschädigten der Lüheflut vom Mai keinen Anspruch auf Schadensersatz haben (siehe Text unten). Es soll, so Umweltminister Olaf Lies (SPD) eine "Billigkeitslösung" gefunden werden - also eine freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch. Das müsse zwischen Umwelt- und Finanzministerium ausgehandelt werden.
Stades Landrat Kai Seefried ist damit höchst unzufrieden: „Ich halte es – vorsichtig formuliert – für mehr als enttäuschend, wie das Umweltministerium mit den Betroffenen umgeht.“ Die Sach- und Rechtslage sei doch schließlich seit Monaten bekannt. „Das Hochwasser und die entstandenen Schäden wären bei einem ordnungsgemäßen Betrieb des Sperrwerkes vermeidbar gewesen. Das Land darf die Menschen an der Lühe jetzt nicht im Regen stehen lassen. Ich erwarte, dass die Schadensregulierung endlich kurzfristig erfolgt“, sagt Seefried.
Nach Aussagen der Betroffenen seien alle Nachweise gegenüber dem NLWKN erbracht worden, aber die Regulierung blieb bisher aus – und das, obwohl das Ereignis schon mehr als vier Monate zurückliegt. Seefried: „Für mich als Landrat der betroffenen Gebiete ist das zutiefst unbefriedigend.“ Er sei fest davon ausgegangen, dass die Angelegenheit längst abgeschlossen sei – so wie es die eindeutigen Zusagen von Lies erwarten ließen.
Die vom WOCHENBLATT zitierten Aussagen des Ministers, dass es keinen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung gebe und erst jetzt, mehr als vier Monate nach den Überflutungen, Gespräche zwischen Umwelt- und Finanzministerium aufgenommen würden, um nach einer Lösung zu suchen, „kommen mehr als überraschend“, sagt Seefried.
Der Chef der Kreisverwaltung hat sich erneut per Brief an den zuständigen Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie an Umweltminister Olaf Lies persönlich gewandt. Bereits im September hatte sich die Kreisverwaltung abermals nach dem Sachstand erkundigt. Eine schriftliche Antwort aus dem Landesbetrieb gab es bislang nicht.
Seefried erneuert seine Forderung nach einer vollständigen Aufklärung der Schadensursache: „Bisher gab es dazu noch keine abschließende Aussage des NLWKN als Betreiber des Sperrwerkes.“ Obwohl Einigkeit darüber bestehen, dass sich so ein Fehler nicht wiederholen dürfe, gab es seitens des NLWKN bislang keine weiteren Aussagen dazu, was unternommen wird, damit sich ein solches Szenario nicht wiederholt.
Die Opfer der Lüheflut Ende Mai haben keinen juristischen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Land Niedersachsen. Das teilen NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) und Umweltministerium mit. Das WOCHENBLATT hatte beim NLWKN nachgefragt, wie der Stand der Dinge bei der Entschädigung der Flutopfer ist. Bislang wurde nämlich noch kein Lühe-Anrainer entschädigt - trotz gegenteiliger Ankündigung von NLWKN und Ministerium. Umweltminister Olaf Lies (SPD) versichert jedoch, dass das Land die Betroffenen nicht im Regen stehen lassen werde.
Es war am 28. Mai. In dieser Samstagnacht trat die Lühe über die Ufer. Nicht, weil es eine schwere Sturmflut gab, sondern weil das Sturmfluttor am Lühesperrwerk nicht geschlossen worden war. Verantwortlich für das Fluttor ist der NLWKN. Der Schaden, der durch vollgelaufene Keller und überflutete Grundstücke entstanden ist, beträgt nach Angaben des Umweltministeriums rund eine Million Euro. Diese Zahl wurde in der Antwort auf die WOCHENBLATT-Presseanfrage genannt.
Der entscheidende Satz für die Betroffenen in der Pressemitteilung: "Nach der Schadensfeststellung musste die juristische Situation geprüft werden. Diese Analyse hat ergeben, dass die Geschädigten keinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Land geltend machen können", schreibt das Umweltministerium.
Auf eine Antwort, wenn auch eine andere, haben sowohl Betroffene der Flutwelle als auch die Samtgemeinde Lühe und der Stader Landrat seit Wochen gewartet. Im Kreishaus stößt die Ablehnung auf Unverständnis.
Am 20. September wurde ein Brief ans NLWKN vom Landrat verschickt. Darin wurden Fragen zur Entschädigung und zu Veränderungen in der Meldekette fürs Lühesperrwerk gestellt. Weil der NLWKN bislang nicht reagiert hat, wurde jetzt ein zweiter Brief hinterhergeschickt. "Unter den Anwohnern an der Lühe herrscht verständlicherweise derzeit große Unruhe bezüglich der Schadenregulierung. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger wie auch ich als Landrat hoffen auf eine zeitnahe Beantwortung der offenen Fragen", schreibt Landrat Kai Seefried an NLWKN-Chefin Rickmeyer. Außerdem lädt Seefried Rickmeyer zu einer Kreistagssitzung im Dezember ein. Dort könne sie Rede und Antwort stehen.
Das hat sich jetzt vermutlich erübrigt. Wie es konkret weitergeht, ob die Schäden der Flutopfer in irgendeiner Form vom Land übernommen werden, dürfte, Stand heute, nicht abschließend geklärt sein. In der Pressemitteilung aus dem Umweltministerium wird Olaf Lies mit folgenden Worten zitiert: "Ich bin davon überzeugt, dass denjenigen, die ihre entstandenen Schäden nicht über ihre eigene Versicherung abwickeln konnten, geholfen werden muss. Die Betroffenen haben und konnten aus meiner Sicht darauf vertrauen, dass das Land sie nicht im Regen stehen lässt, wenn das Sperrwerk aus welchen Gründen auch immer trotz Hochwasser nicht geschlossen wird."
Zumindest wird finanzielle Hilfe nicht gänzlich ausgeschlossen: "Nun muss zwischen Finanzministerium und Umweltministerium das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt sehr schnell eine Lösung hinbekommen und die Schäden im Rahmen von Billigkeitsleistungen kurzfristig abgelten können“, sagt Olaf Lies.
Abwarten, wie lange das dauert, und abwarten, wie das Thema nach der Landtagswahl in Hannover gehandhabt wird. Interessant übrigens ist ein Satz des Ministers. Das Sperrwerk sei "aus welchen Gründen auch immer" nicht geschlossen worden. Bislang, auch das kritisiert Landrat Kai Seefried, habe die Ursachenforschung zu dem Unglück noch keine belastbaren Ergebnisse gebracht. Wenige Tage nach der Lüheflut, so der Eindruck im Kreis Stade bei Politik und Verwaltung, habe sich der NLWKN aus der Verantwortung zu stehlen versucht.
Wenn es nach der Prüfung keinen juristisch plausiblen Schadensersatzanspruch gegen das Land gibt und die Gründe für das offen gebliebene Sperrwerk "wie auch immer" sind, dürfte das Thema Lüheflut noch lange nicht erledigt sein. Im Kreis Stade erwarten Fluss-Anrainer und die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung Fakten und Antworten.
122 Stunden Arbeit zur Flutbewältigung
(tk). Dass das WOCHENBLATT zum Stand der Dinge in Sachen Lüheflut und Entschädigung nachgefragt hat, liegt am wachsenden Unmut der Betroffenen.
Beispielhaft beschreibt ein Lühe-Anlieger, wie er die Flut erlebt hat und mit welchen Widrigkeiten er kämpft: "Das brackige Schlickwasser stand bis 50 Zentimeter hoch über 24 Stunden in unserem Keller. Meine Lebensgefährtin und ich haben zusammen 122 Stunden investiert, um den Schaden zu beseitigen", schreibt der Betroffene der Flutwelle. Unzählige Stunden hat der WOCHENBLATT-Leser investiert, um Schäden zu dokumentieren, Belege und Quittungen zu finden.
"Kein Datum, wann wir unseren Schaden erstattet bekommen, nicht mal, ob. Wir sitzen auf einem Sachschaden in Höhe von 14.336 Euro und niemanden interessiert, dass wir nichts dafür konnten", zieht er ein bitteres Fazit. Nachfragen beim NLWKN brachten wenig. "Es tut mir leid, Ihnen trotz des zeitlichen Abstandes zur Überflutung und zu Ihrer Schadensmeldung derzeit keine abschließende Antwort geben zu können. Ich werde mich schnellstmöglich bei Ihnen melden, wenn es neue Informationen gibt", sei die Antwortmail auf die Frage, wann der Schaden endlich ersetzt werde, gewesen.
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