Politik setzt sich für Neubau ein
Marode Stader Notunterkunft ist keinem Obdachlosen zuzumuten
Sie erinnern an Elendsbehausungen in bettelarmen Balkan-Regionen: Ein menschenwürdiges Wohnen ist in den Notunterkünften der Hansestadt Stade kaum möglich. In den 60 Jahre alten Behelfs-Baracken sind Obdachlose untergebracht. Seit vielen Jahren kritisiert die Politik mit schöner Regelmäßigkeit die dortigen Zustände. Passiert ist anschließend nichts - bis vor einem Jahr, als mehrere Wohn- und Sanitärcontainer als Ersatz für eine der "Bruchbuden" aufgestellt wurden. Doch die Container, die für rund 80.000 Euro bis Herbst 2024 angemietet sind, sind den Ratspolitikern offenbar auch nicht recht. Nach deren Willen soll am Fredenbecker Weg nun eine neue Obdachlosen-Unterkunft entstehen. Vorbild ist die bestehende Unterkunft an der B73 in Höhe von Haddorf.
Standard wie an der B73
"Die Unterkunft am Fredenbecker Weg ist niemandem mehr zuzumuten", heißt es in dem interfraktionellen Antrag, der jetzt eine breite Zustimmung im Rat gefunden hat. Die Fraktionen Bündnis 90/die Grünen, CDU, SPD und FDP/ULBS sind sich einig, dass das Thema Obdachlosenunterkunft schnellstmöglich angegangen werden muss. Die neuen Quartiere für wohnungslose Menschen sollen im Standard der Gebäude an der B73 errichtet werden. Dort stehen Schlichtbauten im Form einfacher Bungalows, aber - anders als die Baracken am Fredenbecker Weg - ausgestattet mit moderner Heizung und sanitären Anlagen. Außerdem soll der Standort an der B73 erweitert werden. Jeweils 250.000 Euro sind in den Haushalten der beiden kommenden Jahre dafür eingeplant.
Nicht unbedingt eine Vorzeige-Unterkunft
Ob die neue Unterkunft an der B 73 auf Wiepenkathener Gebiet wirklich als Vorzeige-Einrichtung taugt, darf bezweifelt werden - hat sie sich doch zu einem Einsatzschwerpunkt für Feuerwehr und Polizei entwickelt. Ob Brände nach Zündeleien oder Notfalltüröffnungen für den Rettungsdienst - immer wieder sind dort die Einsatzkräfte gefordert. Hinzu kamen Verkehrsunfälle, als Betrunkene direkt vor der Unterkunft auf der B73 überfahren worden sind. Zudem ist die Lage an der Peripherie zwischen Sandkuhle (Wiepenkathen) und Wald (Haddorf) auch nicht gerade glücklich. Die nächstgelegene Einrichtung am Rand des Wiepenkathener Gewerbegebiets Am Steinkamp ist übrigens eine Spielothek.
Kein alternativer Standort gefunden
Bisher wurde der Standort am Fredenbecker Weg von der Politik - allen voran die SPD und die Linken - grundsätzlich infrage gestellt. Wer am Rande der Gesellschaft lebt, sollte nicht auch noch am äußersten Rand der Stadt leben, so eines der Argumente. Später kam hinzu, dass sich einige Neubürger in ihren schmucken Häusern in der Heidesiedlung Riensförde an den Behausungen in der unmittelbaren Nachbarschaft und den dort herrschenden prekären Verhältnissen störten. Doch die Suche nach Alternativen gestaltete sich schwierig. "Eine Einigung über diverse vorgeschlagene Standorte konnte nicht erzielt werden", konstatieren die Parteien in ihrem Antrag. Am Fredenbecker Weg sind derzeit zwölf Menschen ohne Wohnung untergebracht, insgesamt gibt es in Stade rund 100 Obdachlose.
Zusätzlich ein Beratungsraum
In den neuen Unterkünften am Fredenbecker Weg soll es dann auch einen Beratungsraum geben. So sollen mehr Möglichkeiten zur direkten Betreuung geschaffen werden. Im Auftrag der Stadt nimmt die Beratungsstelle Lebensraum Diakonie die Betreuung der Obdachlosen wahr - allerdings mit einem Zeitkontingent von lediglich 14 Stunden pro Woche. Die sogenannten "aufsuchenden Hilfen" sollen die Betroffenen dabei unterstützen, aus der Wohnungslosigkeit herauszukommen. So soll weiterer Verelendung vorgebeugt werden. Bisher wird die Obdachlosenunterkunft am Fredenbecker Weg nur im Bedarfsfall von den Betreuern aufgesucht.
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