Forderung nach wolfsfreien Zonen an den Deichen
Nach Wolfsrissen in Gräpel: Stades Landrat spricht von dramatischer Situation
Die mutmaßliche Wolfsattacke (den Bericht dazu lesen Sie hier) auf eine Schafsherde an der Oste findet bundesweit Beachtung in den Medien. Zeitungen, Rundfunk und Fernsehsender berichten über das Massaker auf einer Weide in der Nähe des Dorfes Gräpel (Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten), dem am Wochenende 55 Schafe zum Opfer fielen und für das wahrscheinlich ein ganzes Wolfsrudel verantwortlich ist. Im Stader Kreishaus gingen zahlreiche Presseanfragen ein. Angesichts der hohen Anzahl von getöteten Schafen spricht Landrat Kai Seefried (CDU) in einem Statement von "einer neuen Dimension".
"Leider kommt ein solcher Wolfsangriff für mich nicht wirklich überraschend. Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert", sagt Seefried. Das Ausmaß zeige allerdings die ganze Dramatik der Situation. Der Landrat wirft einen Rückblick auf die Entwicklung der Wolfspopulation in Niedersachsen: "Erst 2007 gab es in unserem Bundesland die erste Sichtung eines Wolfes." Heute würden in Niedersachsen genauso viele Wölfe wie in Norwegen und Schweden zusammen leben – wobei die Flächen Norwegens und Schwedens gut 20-mal größer seien.
Nicht nur die Wölfe, auch die Weidetiere brauchen Schutz
Rund 1.500 Wölfe leben in Deutschland, ein Drittel von ihnen in Niedersachsen. Diese 500 Wölfe seien zu viele dieses Bundesland, meint Seefried. Er räumt ein: "Der Schutz des Wolfes hat zu Recht eine hohe Bedeutung. Die Bilder aus Gräpel zeigen aber eindrucksvoll, welches Leid die Schafe dort erdulden mussten." Nicht nur der Wolf sei zu schützen. Es müsse andersherum auch wirksame Schutzmechanismen für Schafe, Pferde und andere potenzielle Opfer von Wolfsangriffen geben. Trotz eines vermeintlich wolfssicheren Zaunes sei in Gräpel fast eine ganze Herde vernichtet worden. Das zeige, dass es keine absolute Sicherheit für die Tierhalter gebe.
Wolfsfreie Zonen entlang der Deiche
Wie zuvor schon die Kreisjägerschaft verweist Seefried auf die Bedeutung der (Deich-)Schafe für den Küstenschutz. Dieser sei im Landkreis Stade von besonderer Wichtigkeit. Wolfsrisse in dieser Größenordnung seien daher besorgniserregend. "Der Küsten- und Deichschutz hängt stark von der Unterhaltung der Deiche mit Schafen ab. Wir brauchen auch zukünftig die Schäfer, die hier mit ihren Herden aktiv sind“, betont Seefried. Denn die Deiche werde man nicht einzäunen können. Die Schäfer bräuchten existenzsichernde Maßnahmen, leider hätten die ersten aufgrund von Wolfsrissen in ihren Herden bereits aufgegeben. Die Position des Landrates: "Wir benötigen dringend eine Regulierung des Wolfsbestandes und am besten auch wolfsfreie Zonen entlang der Schutzdeiche."
Bisher schwerste Wolfsattacke
Wie hier berichtet, hatte der Vorsitzende der Stader Kreisjägerschaft, Peter Hatecke, bereits am Sonntag deutliche Worte gefunden: "Bei uns im Landkreis Stade ist das Maß überschritten. Der Vorfall in Gräpel zeigt, dass schnelles Handeln gefordert ist und der Küsten- und Deichschutz schnelle Antworten benötigt." Nach Angaben des Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Helmut Dammann-Tamke, soll der Vorfall in Gräpel die bisher folgenschwerste Wolfsattacke auf eine vom einem Anit-Wolf-Schutzzaun umgebene Schafsherde gewesen sein. Womöglich haben bestimmte Gegebenheiten des Geländes dazu geführt, dass die Wölfe den Zaun überwinden konnten. Die Rede ist von einem Baumstumpf.
Weil traf sich mit Bundesumweltministerin
Erst in der vergangenen Woche waren Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Umweltminister Christian Meyer (Grüne) nach Berlin gereist, um mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) über ein regionales Wolfsmanagement zu sprechen. Weil fordert, dass Wölfe bereits abgeschossen werden dürfen, wenn in einer Region einfach nur zu viele Exemplare unterwegs sind. Als Beispiele werden von ihm die Küstenbereiche und die Lüneburger Heide angeführt.
Lemke hob in der Unterredung die Bedeutung der Weidetierhaltung hervor und verwies darauf, dass der Abschuss eines Wolfes schon jetzt zulässig ist, wenn einem Tierhalter wirtschaftlicher Schaden zugefügt wird. Lemke will im September Vorschläge zu einem effektiven Wolfsmanagement präsentieren. Bislang zählt der Wolf zu den streng geschützten Tierarten. Er darf nur im Ausnahmefall mit einer Sondergenehmigung geschossen werden.
Forderungen des Bauern- und des Jagdverbandes
Im Vorfeld des Gespräches von Weil und Meyer mit Lemke drängten der Deutschen Bauernverband und der Deutsche Jagdverband auf ein effektives Bestandsmanagement des Wolfes in Deutschland. "Wenn die Politik das Thema nicht konsequent angeht, wird die Weidehaltung in Deutschland – von der Küste bis zur Alm – verschwinden", erklärte Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied. Der Bund müsse endlich den rechtlichen Rahmen schaffen, wie es im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition vorgesehen sei. "Es bedarf sowohl eines schnelleren und effizienteren Abschusses von Wölfen, die wiederholt Weidetiere reißen, als auch eines verlässlichen Verfahrens zur Regulierung des Wolfsbestandes", so Rukwied.
"Stephan Weil hat die Brisanz dieses Themas erkannt. Sein Engagement ist glaubhaft. Ich vermisse allerdings ähnlich klare Aussagen der Bundestagsabgeordneten, insbesondere aus Niedersachen", meint Jagdverbands-Präsident Helmut Dammann-Tamke. Er erwarte aber im Sinne der Menschen im ländlichen Raum, dass es nach der kommenden Ministerpräsidenten-Konferenz mehr als nur Prüfaufträge gebe.
CDU-Opposition mahnt rasches Handeln an
Die CDU-Opposition im niedersächsischen Landtag verlangt von Weil, jetzt rasch zu reagieren. "Wir können nicht auf weitere Gesprächsrunden irgendwann im Herbst warten. Der Ministerpräsident muss jetzt handeln und geltendes EU-Recht anwenden", sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Lechner. "Die Weidetierhalter in Niedersachsen leiden mit ihren Tieren schon lange über die Belastungsgrenze hinaus. Wir brauchen ein aktives Wolfsmanagement in Niedersachsen - und zwar sofort."
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