"Nicht mehr das Sibirien Niedersachsens": Politiker sehen in "GroKo" viele Vorteile
(jd). Die Große Koalition steht: Erstmals seit 47 Jahren bekommt Niedersachsen wieder eine Landesregierung, die aus SPD und CDU gebildet wird. Am kommenden Mittwoch soll Ministerpräsident Stephan Weil zum zweiten Mal zum Ministerpräsident gewählt werden. Dem rot-schwarzen Kabinett werden neben Weil zehn Minister angehören, jeweils fünf von beiden Parteien (siehe Kasten). Mit dem CDU-Landesvorsitzenden Bernd Althusmann wird auch die Region in der künftigen Landesregierung vertreten sein. Althusmann übernimmt das wichtige Wirtschaftsressort, das bisher in den Händen der SPD lag. Es ist davon auszugehen, dass sich die südliche Hamburger Metropolregion mit den Landkreisen Stade und Harburg in Zukunft wesentlich mehr Gehör in Hannover verschaffen kann. Deren fünf Abgeordnete werden in der neuen Regierungskoalition sicher deutlich mehr bewegen können als dies zu Oppositionszeiten möglich war.
Der SPD war in den vergangenen Jahren immer wieder von den Christdemokraten vorgeworfen wurden, dass sie die „roten Regionen“ wie Südniedersachsen, wo die SPD-Hochburgen liegen, bevorzugt habe. Das soll sich nun ändern: Die hiesigen CDU-Mandatsträger zeigen sich zuversichtlich, dass der Niederelbe-Raum und das südliche Hamburger Umland durch die Regierungsbeteiligung gestärkt werden. „Die Zeiten, in denen uns Hannover als das Sibirien Niedersachsens behandelt hat, sind jetzt definitiv vorbei“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Kai Seefried, der aller Voraussicht nach am Montag zum neuen Generalsekretär der Niedersachsen-CDU gewählt wird.
„Besonders das Thema Infrastruktur hat für uns große Bedeutung“, so Seefried. Der Wirtschaftsminister Althusmann werde die Planungen für den Autobahnbau - hier speziell bei der A 20 - deutlich beschleunigen: „Die Zeiten der grünen Verhinderer sind vorbei.“ Aber auch die Verkehrssituation im südlichen Hamburger Großraum rücke stärker in den Fokus. Schließlich sei der Verkehr ein ganz zentraler Punkt in der Region.
Seefried selbst saß als schulpolitischer Experte seiner Fraktion am Verhandlungstisch für den Bereich Bildung und Schulen: „Grundsätzlich gilt: Die neue Koalition steht für einen nachhaltigen Schulfrieden. Die bisherige Schulstruktur bleibt erhalten“, so der CDU-Politiker. Die Koalitionäre hätten aber vereinbart, die Oberschulen stärker in den Blickpunkt zu rücken. „Die meisten Kinder besuchen diese Schulform, doch gerade hier in der Region sind die Erfordernisse für die einzelnen Schulen oftmals sehr unterschiedlich.“ So hätten Oberschulen in Städten wie Stade oder Buchholz eine andere Schülerstruktur als die Schulen in ländlichen Kommunen, so Seefried, der das Beispiel Flüchtlingskinder nennt: „Hier muss stärker auf die Bedürfnisse der jeweiligen Schulstandorte eingegangen werden.“
Einen Kompromiss haben beide Parteien bei der Inklusion gefunden: Die Förderschule Lernen, die nach dem Willen von Rot-Grün seit diesem Jahr keine neuen Schüler mehr in den fünften Klassen aufgenommen hat, soll nun vorerst erhalten bleiben. Ab dem kommenden Schuljahr wird es wieder möglich sein, Schüler für die fünften Klassen anzumelden. Die SPD hat allerdings durchgesetzt, dass diese Förderschul-Form spätestens 2028 ausläuft.
Hier in der Region, die in weiten Teilen landwirtschaftlich geprägt ist, hat es sicher bei vielen Landwirten ein Aufatmen gegeben, dass der grüne Agrarminister Christian Meyer in Kürze Geschichte sein wird. Dennoch muss niemand befürchten, dass es einen Rückschritt in Richtung „Agarindustrie“ geben wird: „Tierwohl, Umwelt und Innovation sind die drei Säulen, auf denen künftig die Förderung in der Landwirtschaft basieren soll“, erklärt Helmut Dammann-Tamke, agrarpolitischer Sprecher der CDU.
Seine Verhandlungsrunde hat sich auch mit einem Thema befasst, das die Menschen zwischen Luhe und Oste in den vergangenen Monaten immer wieder beschäftigt hat: dem Wolf. Die Vereinbarungen sehen vor, das verhaltensauffällige Tiere künftig leichter geschossen werden können. Außerdem soll Niedersachsen auf die EU einwirken, dass die Hauptdeichlinien zur wolfsfreien Zone erklärt werden, so Dammann-Tamke: „Die Schafe, die hier als wichtige Nutztiere zum Schutz der Deiche und damit der Menschen hinter den Deichen zum Einsatz kommen, dürfen nicht durch den Wolf bedroht werden.“
An einigen Punkten und vor allem an den Formulierungen des Koalitionsvertrages wurde am Donnerstag noch bis nach Redaktionsschluss gefeilt. Es zeigt sich aber bereits bei den oben genannten Themen: Die Menschen in der Region dürfen sich freuen. Das südliche Hamburger Umland wird in Hannover endlich wieder wahrgenommen.
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