Jahresauftakt-Interview mit Landrat Kai Seefried
Note 3 für den Bürgerservice der Stader Kreisverwaltung
Das neue Jahr beginnt in politischer Hinsicht mit vielen Fragezeichen: Wird Deutschland endlich wieder eine stabile Regierung bekommen? Welche Auswirkungen hat die zweite Trump-Präsidentschaft auf Europa? Wird es ein viertes Kriegsjahr in der Ukraine geben? Diese globalen Fragen lassen sich derzeit nicht beantworten. Doch auch auf regionaler Ebene stehen 2025 große Herausforderungen an – Themen, die Stades Landrat Kai Seefried (CDU) im großen Jahresauftakt-Interview mit WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Jörg Dammann ausführlich beleuchtet. Seefried berichtet, was der Landkreis Stade in diesem Jahr vorhat und welche Themen vorrangig auf seiner Agenda stehen.
WOCHENBLATT: Herr Landrat! Blicken wir zunächst aufs Geld: Nach Jahren satter Millionenüberschüsse steht im Haushaltsplan für 2025 nun ein Minus von 41,5 Millionen Euro. Wie konnte sich die Lage in kurzer Zeit derart dramatisch verschlechtern?
Kai Seefried: Es sind vor allem immer neue Aufgaben, die Bund und Land uns zuweisen, ohne einen finanziellen Ausgleich sicherzustellen. Es geht also um Lasten, die auf die kommunale Ebene abgewälzt werden und die uns über die Leistungs- und Belastungsgrenze hinausbringen. In den Bereich Jugend und Familie fließen 2025 unterm Strich 72 Millionen Euro, im Vergleich zu 2024 eine Steigerung um 20 Millionen Euro. 2012 lagen die Ausgaben noch bei knapp 26 Millionen Euro, das entspricht einer Steigerung um fast 280 Prozent. Im Bereich Soziales und Teilhabe steigen die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 15 Millionen Euro auf fast 200 Millionen Euro.
Hinzu kommt: Nachdem wir 2023/2024 unseren Elbe Kliniken bereits eine Liquiditätshilfe in Höhe von 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, rechnen wir in diesem Jahr noch einmal mit weiteren 10 Millionen Euro – weil die Bundesregierung die Krankenhäuser sehenden Auges in finanzielle Schwierigkeiten schlittern lässt. Welche Auswirkungen die Klinikreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach haben wird, ist zudem noch immer nicht absehbar. Die Warnsignale der Landkreise wurden leider von der Bundes- und der Landesregierung ignoriert.
WOCHENBLATT:Zu Beginn Ihrer Amtszeit waren viele Stellen – auch Leitungsfunktionen – unbesetzt, was dem bisweilen irrlichternden Kurs der Kreisverwaltung damals auch anzumerken war. Inzwischen gibt Ihr Haus ein deutlich besseres Bild ab. Wie steht es denn aktuell um die Personalsituation – insbesondere auf der Leitungsebene?
Kai Seefried: Grundsätzlich war und ist die Gewinnung von Fachkräften für die Kreisverwaltung eine der größten Herausforderungen. Den irrlichternden Kurs möchte ich aber dennoch so nicht stehen lassen. Ich freue mich aber, dass die vorgenommenen Maßnahmen mit internen Umstrukturierungen zu einem modernen und attraktiven Arbeitgeber wirken und wir die Personalgewinnung deutlich ausbauen konnten. Allein im Jahr 2024 konnten wir mehr als 100 neue Kolleginnen und Kollegen gewinnen. Zum Jahreswechsel haben 22 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Dienst angetreten. Bis auf eine Amtsleitung sind heute alle Positionen in der Leitungsebene besetzt.
WOCHENBLATT:Bleiben wir bei Thema Kreisverwaltung. Welche Note würden Sie dem Bürgerservice im Kreishaus geben? Wie weit sehen Sie den Landkreis beim Vorhaben, eine serviceorientierte Verwaltung zu schaffen?
Kai Seefried: Wir haben in den vergangenen drei Jahren in Sachen Service deutlich aufgeholt, sind aber noch lange nicht am Ziel. Aktuell würde ich uns eine 3 geben, im Laufe des Jahres steht da hoffentlich eine 2. Durch die bessere personelle Ausstattung in den Ämtern und Abteilungen werden wir kontinuierlich eine schnellere Bearbeitung der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ermöglichen. Wir haben den Servicepunkt im Kreishaus personell verstärkt: Die Kolleginnen sind für viele Bürgerinnen und Bürger die ersten Ansprechpartnerinnen – beim persönlichen Besuch und am Telefon. Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich machen, dass ich die Bürgerinnen und Bürger eben auch als Kundinnen und Kunden der Kreisverwaltung sehe, die einen guten Service erhalten sollen.
WOCHENBLATT: Wo besteht Verbesserungsbedarf?
Kai Seefried: Zum Jahresanfang werden wir die Zulassungsstelle umbauen und einen neuen Servicebereich einrichten. Gleichzeitig sollen für alle Verwaltungsstandorte einheitliche Öffnungszeiten eingeführt werden. Die Online-Terminvergabe und Online-Anmeldung sind in Vorbereitung und auch die Publikumslenkung wird weiter verbessert. Parallel dazu arbeiten wir mit Hochdruck daran, weitere Online-Dienstleistungen anzubieten und diese so kunden- und bedienerfreundlich wie möglich weiterzuentwickeln.
WOCHENBLATT:Bei allen sichtbaren Erfolgen Ihrer bisherigen Amtszeit – auf einem Gebiet gab es zuletzt vor allem Blamagen: Der Zustand der Kreisstraßen verschlechtert sich zusehends, es wird trotz größerer Budgets kaum gebaut. Und wenn mal eine Sanierung ansteht, gibt es nur Pleiten, Pech und Pannen. Selbst wohlmeinende Beobachter fragen sich, warum sich trotz des Austauschs von Führungskräften wenig verbessert hat. Was werden Sie in diesem Jahr konkret unternehmen, damit das Amt Kreisstraßen endlich im Sinne der Bürger tätig wird?
Kai Seefried: Hier kann ich die Verärgerung und Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger gut verstehen. Der Zustand der öffentlichen Infrastruktur – und dies gilt nicht nur für die Straßen in der Unterhaltungspflicht des Landkreises – ist insgesamt nicht gut. In den vergangenen Jahren ist es dem Landkreis nicht gelungen, ausreichend Fachkräfte für diesen Bereich zu gewinnen. Wir konkurrieren mit unserem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes mit den hohen Gehältern der Bauwirtschaft und auch mit Landes- und Bundesbehörden. Wir haben aber viele Maßnahmen ergriffen und konnten uns personell deutlich verstärken.
Wir bedienen uns zukünftig auch externer Unterstützung im Bereich der Planung und Baubegleitung und auch die projektbezogene Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden werden wir fortsetzen.
Ich gehe davon aus, dass in den nächsten zwei Jahren spürbar sein wird, dass wir wieder beginnen aufzuholen. Klar ist aber auch: In zwei, drei Jahren wird das alles nicht zu schaffen sein und wir müssen dann auch Straßensperrungen aushalten. Mir ist es aber lieber, dass wir für eine Baumaßnahme und für neuen Asphalt eine Straße kurzzeitig sperren, als dass wir die Geschwindigkeit aufgrund des schlechten Zustandes für längere Zeit reduzieren müssen.
WOCHENBLATT: Auch auf dem Gebiet der Digitalisierung gibt es noch erheblichen Nachholbedarf. Insbesondere die Internetseite des Landkreises versprüht noch immer den spröden Charme der 2000er und ein Bürgerinformationssystem gibt es auch nicht. Wie wollen Sie hier vorankommen?
Kai Seefried: Ganz sicher können und wollen wir hier noch besser werden. Aber schauen Sie doch bitte auch einmal, was wir in den vergangenen drei Jahren in Sachen Kommunikation bereits alles erreicht haben: Der Landkreis Stade informiert aktuell und umfassend über Soziale Medien wie Facebook und Instagram und gibt regelmäßig einen Newsletter heraus. Das alles gab es vorher nicht. Auch die Aktualität der Internetseite hat sich stark verbessert. Die Einführung einer neuen Version unseres Kreistagsinformationssystems, das auch den Bürgerinnen und Bürgern mehr Service bietet, wird derzeit vorbereitet. Es ist auch unser Ziel, den Internetauftritt kundenfreundlicher zu gestalten. Dies ist ein großes Projekt für 2025 – mit dem Ziel 2026 online neu durchzustarten.
WOCHENBLATT: Derzeit läuft die Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) – ein unglaublich sperriger Begriff. Worum geht es da konkret und wie sieht der Zeitplan aus?
Kai Seefried: Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen der Klimaveränderungen werden in den kommenden Jahren bei den konkreten Planungen der Städte und Gemeinden im Landkreis Stade eine deutlich wichtigere Rolle spielen müssen. Neue Flächen für Wind- und Solarparks, aber auch Schutz und Regeneration von Mooren werden deshalb Schwerpunkte im neuen Regionalen Raumordnungsprogramm für den Landkreis Stade, das im Jahr 2026 zum Abschluss gebracht werden soll. Spätestens alle zehn Jahre haben die Landkreise ihr RROP an den Rahmen des Landes-Raumordnungsprogramms und andere neue Gesetze anzupassen.
Wenn auch neue Flächen für Wind- und Solarenergie in der öffentlichen Diskussion eine besondere Rolle spielen – festgelegt werden auf hunderten Seiten Text und auf Karten auch andere wichtige Infrastrukturen wie Verkehrswege, Flächen für Wohnen, Einzelhandel und Gewerbe, Landwirtschaft, Industrie, Erholung sowie Natur- und Landschaftsschutz. Wir werden voraussichtlich noch im ersten Halbjahr einen ersten konkreten Entwurf präsentieren und – das kann ich mir hier nicht verkneifen – dann schauen wir mal, wie sich mit dem Antritt der neuen Bundesregierung die rechtlichen Rahmenbedingungen womöglich wieder ändern und bei uns Anpassungsbedarf auslösen werden.
WOCHENBLATT: Gerade beim Thema Windkraft drängt doch aufgrund der politischen Vorgaben die Zeit. Ist es überhaupt noch zu schaffen, rechtzeitig neue Vorranggebiete für Windkraft auszuweisen?
Kai Seefried: Das stimmt, gerade der Ausbau der Windenergie wird auch im Landkreis Stade eine besondere Rolle spielen. Schließlich hat das Land den Kreisen „Teilflächenziele“ für den Ausbau der Windenergie vorgegeben: Bis 2026 sind danach bei uns knapp fast vier Prozent der Landkreisfläche als Windpotenzialfläche auszuweisen. Bisher hat auf 1,7 Prozent der Fläche Windenergie Vorrang. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch in dieser Wahlperiode das neue RROP verabschieden werden.
WOCHENBLATT:Wo wir schon bei den Zukunftsperspektiven sind: Was ist denn überhaupt Ihr wichtigstes Projekt im neuen Jahr?
Kai Seefried: Unser bisheriges Gespräch hat ja schon aufgezeigt, dass wir eine Vielzahl an wichtigen Projekten haben. Ich freue mich aber besonders auf den Baubeginn der neuen Rettungswache in Stade-Wiepenkathen. Vorgesehen sind dort unter anderem Fahrzeughallen für zehn Krankentransportwagen und vier Rettungswagen sowie eine Waschhalle. Wir entwickeln den Rettungsdienst und damit die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger deutlich weiter! Derzeit warten wir auf die Baugenehmigung.
WOCHENBLATT:Sie haben immer wieder betont, dass Sie sich Sorgen um den Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Zukunft der Demokratie machen. Wie engagiert sich der Landkreis für eine Stärkung des Gemeinwesens vor Ort?
Kai Seefried: Lassen Sie mich das an einigen Beispielen erklären: Wir setzen auf Information und Beteiligung – etwa mit Veranstaltungen in der Reihe „Zukunftswerkstatt“ oder den Liveübertragungen der Kreistagssitzungen. Im Rahmen des Projektes „Bildungskommune“ richtet unser Bildungsbüro regelmäßig spannende Veranstaltungen zur politischen Bildung mit hochkarätigen Referentinnen und Referenten aus. Als erster Landkreis bundesweit machen wir uns auf den Weg zur Zertifizierung als „Kinderfreundliche Kommune“: Kinderrechte und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sollen in allen gesellschaftlichen Bereichen an Stellenwert gewinnen. Um die vielen ehrenamtlich aktiven Menschen in unserem Landkreis zu unterstützen, wird in Kürze eine Ehrenamtskoordinatorin ihre Arbeit aufnehmen – diese Stelle gab es zuvor nicht.
WOCHENBLATT: Zum Abschluss unseres Interviews blicken wir auf die Weltlage: In wenigen Wochen wird Donald Trump zum zweiten Mal US-Präsident – in einer Zeit voller Krisen, Kriege und Umbrüche. Was erwarten Sie für Auswirkungen?
Kai Seefried: Wenn Donald Trump das tut, was er vor der Wahl angekündigt hat, dann wird er Europa stärker in die Pflicht nehmen – etwa im Hinblick auf die Verteidigungspolitik und die Unterstützung der Nato. Die europäischen Staaten müssen geschlossen und entschlossen auftreten, um auf der weltpolitischen Bühne wahrgenommen zu werden. Damit kommt Deutschland eine besondere Rolle zu. Für mich wird immer wieder deutlich – egal ob Digitalisierung, Entwicklung des Arbeitsmarktes, Bürokratie, neue Technologien oder eben auch Verteidigung – wir sind in Deutschland nach wie vor die Besten in der Welt, allerdings in der „alten Zeit“ und nicht in der „neuen Zeit“. Hier liegt eine große Aufgabe vor der neuen Bundesregierung.
WOCHENBLATT:Was bedeutet das für die Unterstützung der Ukraine?
Kai Seefried: Ich hoffe, dass Donald Trump seine Ankündigung wahr macht und sich um einen schnellen Waffenstillstand in der Ukraine bemüht. Wir werden in unserer humanitären Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen: Im ersten Halbjahr wird erneut ein Hilfstransport aus dem Landkreis Stade gen Ukraine starten, auf den Konten beim Deutschen Roten Kreuz und bei der Johanniter-Unfallhilfe sammeln wir weiterhin Spenden. Wenn die russische Aggression gestoppt ist, werde ich dem Kreistag vorschlagen, eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Region einzugehen, um die bestehenden Kontakte zu festigen. Auch wenn ich derzeit vermutlich mit Sorgen im Hinblick auf die Entwicklung in der Ukraine nicht allein bin, so dürfen wir nie nachlassen, uns für einen Frieden für das Land und für die Menschen einzusetzen.
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