Neue Erkenntnisse zum umstrittenen Straßennamen lassen aufhorchen
Offenbar für verdiente Nazis gebaut: die Ostmarkstraße in Stade
jd. Stade. Die politische Diskussion um die Umbenennung der Stader Ostmarkstraße fand kreisweit Beachtung. Muss diese Debatte jetzt neu aufgerollt werden? Diese Frage drängt sich geradezu auf, nachdem es offenbar neue Erkenntnisse zu diesem Thema gibt. Nach WOCHENBLATT-Informationen wurden bei einer Durchsicht im Stader Stadtarchiv historische Dokumente zutage gefördert, die die Umstände bei der Namensvergabe im Jahr 1938 in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Demnach ging es damals nicht einfach nur um die Benennung der Straße nach dem kurz zuvor von Hitler-Deutschland einverleibten Österreich, das im Nazi-Jargon als Ostmark bezeichnet wurde. Die Ostmarkstraße wurde - wie auch die benachbarte Sudetenstraße - wohl eigens dafür angelegt, damit dort verdiente SA-Mitglieder und Parteigenossen wohnen können. Es ist davon auszugehen, dass die Verwaltung diese neuen Fakten am heutigen Mittwoch, 7. Oktober, auf der Sitzung des Kulturausschusses um 18 Uhr im Königsmarcksaal des historischen Stader Rathauses präsentieren wird.
Die Ergebnisse der Nachforschungen besitzen wohl auch aus Sicht der Verwaltungsspitze einige Brisanz. Bei der Aufstellung der Tagesordnung wurde das heikle Thema unter dem harmlos klingenden Punkt "Sachstand Arbeitsgruppe Mahnmal Ostmarkstraße" versteckt. Eine Nachfrage des WOCHENBLATT zum Inhalt dieses Tagesordnungspunktes wollte die Stadt nicht beantworten. Der Grund mag darin liegen, dass im Vorfeld der Sitzung nicht in der Öffentlichkeit über das in der Stadt höchst umstrittene Thema diskutiert werden sollte. Allerdings ist die Politik bereits im Vorfeld informiert worden.
Wie berichtet, war eine von der CDU und später auch von den Grünen beantragte Umbenennung der Ostmarkstraße im Herbst vergangenen Jahres mehrheitlich abgelehnt worden. Stattdessen wurde der Antrag der SPD angenommen, den belasteten Straßennamen beizubehalten und an der Straße eine Infotafel aufzustellen, mit der auf den historischen Kontext hingewiesen werden sollte. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Text für die Tafel befassen soll.
Im Zuge der Recherchen im Stadtarchiv stieß man dann wohl auf den direkten Zusammenhang mit der SA. Die als "Schlägertruppe" der Nazis berüchtigte Massenorganisation sammelte jährlich sogenannte "Dankopfer der Nation" bei den Bürgern ein. Diese Zwangs-Spendengelder wurden überwiegend dazu verwendet, den Hausbau für "alte Kämpfer" der SA zu finanzieren. Diese Häuser entstanden in zahlreichen Städten des Deutschen Reiches in sogenannten Dankopfersiedlungen. Eine solche Dankopfersiedlung stellen die damals errichteten Siedlungshäuser der Ostmarkstraße und der Sudentenstraße dar. Die Grundstücke musste die Stadt Stade unentgeltlich bereitstellen.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Erkenntnisse dürfte es eine Diskussion in der Stader Politik geben, ob eine Umbenennung der Straße nicht doch angebracht sein dürfte.
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