Betroffene bildeten Menschenkette auf dem Deich
Pläne des Bundes zum Thema Wolf: Stades Landrat ist skeptisch
Das kommt nicht gerade häufig vor: Der Landkreis Stade wurde am Donnerstag (12. Oktober) in den 20-Uhr-Nachrichten der Tagesschau erwähnt. Worum es ging: Natürlich um das Thema Wolf. Bilder von den Wolfsattacken von Gräpel und Wiepenkathen wurden im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Vorhaben von Bundes-Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) eingeblendet, den Abschuss von Problem-Wölfen künftig zu erleichtern. Lemkes Pläne stoßen bereits auf Kritik. Auch der Stader Landrat Kai Seefried zeigt sich skeptisch. Besonders den Menschen in den betroffenen Regionen wie an der Oste dürften die Vorschläge der Umweltministerin nicht weit genug gehen. Erst vor ein paar Tagen gab es eine Kundgebung auf dem Ostedeich.
Abschuss innerhalb einer 1.000-Meter-Distanz
Lemke sprach bei der Vorstellung ihrer Pläne zu einem regionalen Wolfsmanagement von schnellen und unbürokratischen Lösungen. Künftig soll es möglich sein, einen Wolf bereits nach dem ersten Riss eines Nutztieres abschießen zu können - mit zwei wichtigen Einschränkungen: Der Abschuss darf nur innerhalb von drei Wochen erfolgen und höchstens 1.000 Meter von der Weide entfernt liegen, wo der Riss geschah. Das Ergebnis eines DNA-Tests muss dann nicht mehr vorliegen. Die Regelung soll aber nur für Regionen gelten, in denen sich die Wolfsrisse häufen. Diese Gebiete mit sogenanntem erhöhten Rissvorkommen müssen vorher festgelegt sein. Außerdem muss belegt sein, dass ein Wolf "zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen" überwunden hat.
Landrat: Alles sehr unbefriedigend
"Ich bin froh, dass jetzt endlich auch in der Bundesregierung erkannt wurde, dass es kein 'weiter so' mehr geben darf", erklärt Seefried in einer ersten Stellungnahme. Die angekündigten Regelungen zur Vereinfachung der Abschussgenehmigung gingen in die richtige Richtung. Allerdings stecke der sogenannte Teufel wie so oft im Detail, so der Landrat. Er macht sich Gedanken darüber, wie praktikable Lösungen aussehen können: "Für mich ist noch fraglich, wie stark die Rolle des Landes in einem konkreten Verfahren sein wird und was passieren muss, damit das Land offiziell eine Wolfsregion feststellt." Zweifelhaft sei auch, ob die Festlegung auf einen Radius von 1.000 Metern ausreichend sei.
Die klare Absage von Lemke an sogenannte "wolfsfreie Zonen" könne ihn als Landrat eines Küstenlandkreises nicht zufriedenstellen, erklärt Seefried. "Für uns ist die Unterhaltung der Deiche mit Schafen von besonderer Bedeutung. Hierfür brauchen wir Rahmenbedingungen, die den Schäfern eine sichere Haltung ihrer Tiere gewährleistet." Im Landkreis Stade müsse man nun abwarten, wie sich die aktuelle Lage entwickele. "Unter den derzeitigen Voraussetzungen werden wir keine Zustimmung für eine Abschussgenehmigung erhalten", sagt Seefried. "Dies ist für mich nach wie vor sehr unbefriedigend."
Menschenkette auf dem Deich
Als unbefriedigend dürften auch die Menschen vor Ort und die betroffenen Weidetierhalter Lemkes Pläne bezeichnen. In der Osteregion hatte sich vor Kurzem eine WhatsApp-Gruppe unter dem Namen "Wir vom Deich" gegründet, bestehend aus Tierhaltern, Deichschützern und Anwohnern. Die Gruppe kam in dieser Woche zu einer Menschenkette auf dem Ostedeich zusammen, um auf die Sorgen und Nöte der Betroffenen aufmerksam zu machen. Anlass war die Herbstdeichschau. Man postierte sich mit Transparenten auf dem Deich, um Oberdeichgraf Alber Boehlke und Deichgraf Richard Schlichting eine Petition zu übergeben.
Die Gruppe "Wir vom Deich" ist nicht per se gegen den Wolf eingestellt. Gefordert werden aber akzeptable Regeln zum Schutz von Mensch und Tier. Insbesondere eine Gefährdung der Deichschafe sei nicht hinnehmbar, weil diese von besonderer Bedeutung für den Küstenschutz seien. Die Deichgrafen zeigten Verständnis: "Ihr rennt bei uns offene Türen ein. Am Deich ist kein Miteinander mit dem Wolf möglich."
Kritik von der CDU-Opposition
Kritik an Lemke kommt erwartungsgemäß von der CDU-Opposition im niedersächsischen Landtag.
"Die Ampelkoalition und allen voran die Bundes-Umweltministerin haben heute abermals unter Beweis gestellt, dass sie sich beim Thema Umgang mit dem Wolf in den grundsätzlichen Fragen nicht bewegen wollen. Es soll auch weiterhin kein regional differenziertes Bestandsmanagement geben, auch wenn die Ministerin ihren Vorschlag so nennt", sagt der landwirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Marco Mohrmann. Er wirft Niedersachsen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) vor, dass dieser die schon vorhandenen Möglichkeiten einfach nicht ausschöpfe.
Grüne: Entnahme von Wölfen künftig schneller möglich
Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) wiederum bezeichnet Lemkes Vorschläge als "einen großen Fortschritt für mehr Schnelligkeit und Praxistauglichkeit bei der Entnahme von Wölfen, die landwirtschaftliche Schäden verursachen". In besonders belasteten Regionen könne es einfacher und schneller zu Entnahmen von Wölfen kommen. Nun müssten die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um zügig zu einem regionalen Wolfsmanagement zu gelangen.
Wenn die Vorschläge der Bundes-Umweltministerin umgesetzt werden, würde das auch im Landkreis Stade dazu beitragen, die Zahl der Nutztierrisse wirksam zu begrenzen: Davon ist der Grünen-Landtagsabgeordnete Pascal Leddin überzeugt. Leddin ist fraktionsintern auch für die Wahlkreise Stade und Buxtehude zuständig. Lemkes Pläne würden den Weidetierhaltern helfen. Zudem käme man dem Ziel eines regional differenzierten Bestandsmanagements beim Wolf einen wichtigen Schritt näher. Dennoch seien "Zäune und Untergrabschutz seien noch immer die wirksamsten Mittel, um Nutztierrisse durch Wölfe zu verhindern", so Leddin. Er appelliert an die Weidetierhalter, die empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen.
Tierschützer: Ein schmerzhafter Kompromiss
Als Versuch einer Befriedung des Konflikts um Weidetiere und Wölfe bezeichnen die Tierschützer Lemkes Pläne. Diese seien aus Tierschutzsicht zwar ein "schmerzhafter Kompromiss, aber dennoch lösungsorientiert", der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Er ist der Ansicht, dass es beim Herdenschutz nicht viel zu tun gebe, da in den meisten Fällen ungeschützte Weidetiere gerissen würden. Der Forderung, wolfsfreie Bereiche - wie beispielsweise im Landkreis Stade an den Deichen - einzurichten, erteilt Schröder eine klare Absage: "Die Ausweisung von wolfsfreien Zonen, eine Bestandsregulierung oder die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht, wie von Jagd- und Bauernverband gefordert, sind weder rechtskonform noch praxistauglich."
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