Vorstoß der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin wird kontrovers diskutiert
Pro und Kontra im WOCHENBLATT: Soll an den Schulen auch samstags unterrichtet werden?
(jd). Man müsse in Corona-Zeiten auch mal querdenken, so die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien. Konkret meint die CDU-Politikerin damit, in den Schulen bis zu den Sommerferien auch samstags zu unterrichten. Sie begründet ihren Vorstoß mit der Notwendigkeit, dass es für die Schüler in den kommenden Wochen zumindest eine gewisse Präsenzphase in der Schule geben sollte. Das ist aber nur möglich, wenn der Unterricht entzerrt wird und nicht alle Schüler zeitgleich anwesend sind. Denkbar wäre es daher, so Prien in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, "dass man sagt, unter diesen Umständen kann auch ein Unterricht mal an einem Samstag stattfinden. Das sind so Dinge, die wir jetzt einfach miteinander besprechen müssen."
Für Prien ist der Unterricht an Samstagen auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Die dürfe auch in diesem von der Corona-Krise geprägten Schuljahr nicht unter die Räder kommen. "Deshalb müssen alle Schüler ein angemessenes Lernangebot erhalten", sagt Prien. Sie wolle verhindern, "dass bestimmte Schüler die Schule dieses Schuljahr nicht mehr von innen sehen werden".
Dass Prien mit ihrem Vorschlag auf heftigen Widerspruch stößt, war zu erwarten. Die Einführung des Samstagsunterrichts gehe zu Lasten der Lehrkräfte, kritisiert die Gewerkschaft GEW. Das WOCHENBLATT nimmt sich des Themas im Rahmen eines und "Pro und Kontra" an. Diskutiert wird die Frage: Soll an den Schulen wieder samstags unterrichtet werden, um die Versäumnisse beim Lernstoff zumindest teilweise wieder aufzuholen?
PRO: Ein vernünftiger Vorschlag
Bis zu den Sommerferien wird es wohl keinen regulären Schulbetrieb mehr geben. Auch wenn jetzt Home-Learning das neue Zauberwort sein soll: Ohne regelmäßigen Präsenzunterricht wird es kaum gehen. Wer anderes behauptet, kann gleich unser gesamtes Bildungssystem in Frage stellen.
Daher leuchtet es wohl jedem halbwegs vernunftbegabten Menschen ein, dass beim Schulunterricht schrittweise wieder ein Stück weit Normalität zurückkehren muss. Es wird ja bereits an Modellen gearbeitet, um die Unterrichtszeiten zu entzerren. Damit die Corona-Abstandsregeln eingehalten werden können, bestünde ja die Möglichkeit, jeweils die Hälfte der Schüler im täglichen Wechsel zu unterrichten.
Und dazu passt nach meiner Meinung der Vorschlag der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien, die Schulen wie früher auch an Samstagen zu öffnen, optimal: An drei Tagen in der Woche wird die eine Hälfte der Schüler unterrichtet, an den anderen drei Tagen die zweite Hälfte.
Dass Priens Vorschlag bei der Lehrer-Lobby, allen voran die GEW, zu einem Aufschrei führt, war zu erwarten. Doch ich weiß nicht, wo das Problem liegt. Ich bin selber als Schüler mit der Sechstage-Unterrichtswoche groß geworden. Geschadet hat es jedenfalls nicht. Gerade für Oberstufenschüler wäre das auch ein wenig "Schule des Lebens": Anstatt den Samstagvormittag zu verschlafen, würden sie dann einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen - wie so viele Menschen, die samstags arbeiten müssen.
Jörg Dammann
KONTRA: Hauptsache Wissen reinstopfen
Unterricht auch am Samstag, wie Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) vorschlägt, oder auch verkürzte Sommerferien - worüber Deutschlands Schulpolitiker in Corona-Zeiten nachdenken, ist erstaunlich. Abi ohne Prüfung, nur aufgrund des bisherigen Notendurchschnitts? Das darf nicht sein!
Alle diese Gedankenspiele haben eins gemeinsam: Die Sorge, bloß genug Wissen in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler zu stopfen. Wenn da was fehlt, so wollen uns einige Bildungsexperten glauben machen, ist die Zukunft verspielt. Wobei natürlich nicht vergessen werden darf, dass es ordentlich Druck von Eltern gibt, die ihren Nachwuchs bereits im Kita-Alter mit Fremdsprachen und Mathe fit fürs Leben machen.
Statt auf die Menge des unbedingt zu vermittelnden Wissens zu setzen, hätten Deutschlands Bildungspolitiker derzeit genug Themenfelder für zukunftsweisende Debatten: Die Digitalisierung der Schulen ist von befriedigend noch weit entfernt. Wenn sanitäre Anlagen für die erforderlichen Corona-Hygienemaßnahmen in einem Zustand aus den 70er Jahren sind, kann getrost von einem Sanierungsstau in vielen deutschen Schulen gesprochen werden. Da soll mir in der aktuellen Debatte kein Mittfünziger kommen und sagen: Samstagsunterricht? Das haben wir doch auch überlebt. Gleiches gilt auch für die noch Älteren, die Bekanntschaft mit dem Rohrstock gemacht haben. Überleben heißt schließlich nicht, dass es richtig war.
Tom Kreib
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