Umstrittene Maßnahme in Zeiten von Corona
Rauf mit den Steuern? Stade will die Grundsteuer erhöhen
jd. Stade. Die Stadt Stade will an der Steuerschraube drehen: Die Verwaltung um Rathauschef Sönke Hartlef beabsichtigt, die Grundsteuer zu erhöhen. Der Hebesatz soll von 420 auf 490 Prozent steigen. Die Hansestadt steht mit diesem Ansinnen derzeit weitgehend allein in der Region da. In Zeiten der Corona-Krise, in der Bundes- und Landesregierung Rettungsschirme für die Wirtschaft aufspannen und Entlastungen für die Bürger beschließen, stellt sich die Frage, ob eine Steuererhöhung gerade jetzt angebracht ist. Deutliche Kritik gibt es von der örtlichen SPD. Sie bezeichnet die geplante Anhebung der Grundsteuer als "ein völlig falsches Signal".
Viele Arbeitnehmer bangen um ihren Job, unzählige Firmeninhaber haben Kurzarbeit angemeldet und manche Geschäftsleute wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Sie alle hoffen, dass die staatlichen Hilfspakete greifen und Maßnahmen wie etwa die Herabsenkung der Mehrwertsteuer eine finanzielle Entlastung mit sich bringen. Auch Stade hat bereits etwas für die Familien getan. So wurde beschlossen, die Kita-Gebühren während der Notbetreuung für diejenigen auszusetzen, die ihren Nachwuchs nicht in den Kindergarten schicken konnten.
Nur Nottensdorf kassiert mehr
Womöglich die gleichen Familien sollen nun zur Kasse gebeten werden. Mit der Erhöhung der Grundsteuer um 70 Prozentpunkte würde sich Stade kreisweit an die zweite Stelle katapultieren. Der Durchschnitt im Landkreis Stade liegt bei rund 420 Prozent, die höchste Grundsteuer kassiert derzeit Nottensdorf mit 500 Prozent. Die zweite Hansestadt im Landkreis, Buxtehude, hat einen Hebesatz von 415 Prozent.
Begründet wird die Grundsteuer-Erhöhung mit der Erfordernis, eine bessere Ertragslage zu schaffen (siehe Kasten). Tatsächlich macht die Grundsteuer mit 8,5 Millionen Euro den drittgrößten Posten auf der Einnahmenseite im Stader Haushalt aus - nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer. Mit der Erhöhung der Grundsteuer sollen zusätzlich 1,4 Mio. Euro in die städtischen Kassen gespült werden.
SPD sieht keinen Sinn in Erhöhung
Doch wird diese Summe jetzt überhaupt dringend benötigt? Das zweifelt der SPD-Fraktionschef im Stader Rat, Kai Holm, an. "Meine Fraktion sieht die Notwendigkeit einer Grundsteuererhöhung nicht. Bevor die Politik dazu überhaupt eine Entscheidung trifft, muss die Stadt einen Kassensturz machen."
Holm verweist auf die Zahlen zur Gewerbesteuer: Für 2020 waren im Haushalt zunächst 51 Mio. Euro angesetzt, Anfang des Jahres schnellten die erwarteten Einnahmen sogar auf 80 Mio. Euro hoch und werden aktuell unter den Vorzeichen von Corona noch auf 70 Mio. Euro taxiert. Das sind immer noch 19 Mio. Euro mehr als ursprünglich geschätzt.
"Menschen damit nicht zusätzlich damit belasten"
Vor diesem Hintergrund sei eine Erhöhung der Grundsteuer völlig unangemessen, meint Holm. "Damit sollten wir die Menschen, von denen sich ohnehin viele derzeit in einer schwierigen finanziellen Lage befinden, nicht zusätzlich belasten." Eine Steuererhöhung treffe durch Umlage auf die Mietnebenkosten aber nicht nur den kleinen Bürger, sondern auch Firmeninhaber, weil diese dann mehr für ihre gewerbliche Grundstücke zahlen müssten.
• Der Finanzausschuss hat am Donnerstag nach Redaktionsschluss über das Thema beraten. Über das Ergebnis berichtet das WOCHENBLATT in der kommenden Mittwochausgabe.
Warum die Grundsteuer erhöhen?
"Eine Erhöhung der Grundsteuer ist notwendig, damit die Stadt ihre wachsenden Aufgaben, vor allem bei der Weiterentwicklung des Betreuungsangebotes, aber auch als Schulträger und nicht zuletzt als Träger der Straßenbaulast weiterhin erfüllen kann", erklärt Bürgermeister Sönke Hartlef gegenüber dem WOCHENBLATT. Die geplante Steuererhöhung ist laut Hartlef zudem das Ergebnis eines Gesprächs mit Landrat Michael Roesberg und der Kommunalaufsicht des Landkreises. Dabei sei es um den Nachtragshaushalt für Stade gegangen.
Der Nachtrag ist erforderlich, um die Finanzierung des Bildungscampus sicherzustellen. Würde der Landkreis diesen nicht genehmigen, hätte das weitreichende Konsequenzen. "Da durch die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung Einnahmen fehlen, muss die Stadt diese ausgleichen", sagt Hartlef. Außerdem sei künftig von sinkenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer auszugehen. Dies müsse man mit "einer verlässlichen Steuerquelle" kompensieren.
KOMMENTAR: Dieses Signal wäre fatal
Was bedeutet eine Erhöhung der Grundsteuer von 420 auf 490 Prozent eigentlich? Bei einem Einfamilienhaus-Grundstück sind bisher jährlich knapp 600 Euro fällig. Eine Anhebung um 70 Prozentpunkte käme einem Anstieg um 100 Euro gleich.
Dieser Betrag erscheint auf den ersten Blick nicht hoch. Warum also viel Aufhebens darum machen?
Ganz einfach: Weil man in diesen Zeiten dem schon jetzt gebeutelten Bürger nicht zusätzlich ins Portmonee greifen sollte. Das verbietet eigentlich der politische Anstand. Selbst wenn der Landrat Druck ausübt und sich nur für die Finanzen, nicht aber für die Stimmung der Menschen interessiert.
Die SPD hatte es bereits angemerkt: Letztlich geht es um das politische Signal, das man mit einer solchen Steuererhöhung aussendet. Und das wäre kein positives.
Jörg Dammann
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