Stade: Diskussion über Neubau der Johannis-Kita und Elternproteste
bc. Stade. Im Prinzip sind sich alle politischen Parteien in Stade einig, dass es einen Ersatz für den maroden Stader Johannis-Kindergarten geben muss. Erheblicher Diskussionsbedarf herrscht jedoch darüber, wer die Kita wohin bauen soll. Die Stadt plant einen Neubau im Stadtteil „Kopenkamp“ an der Teichstraße. Als Investor wurde die „Wohnstätte“ gewonnen, die das Gebäude in einem sogenannten Public-Private-Partnership-Modell (PPP) errichten soll. Die Stadt mietet nach Fertigstellung die Kita für mindestens 25 Jahre von der „Wohnstätte“ an. Über die genauen Konditionen, die in einem „Letter of Intent“ (Absichtserklärung) festgehalten werden sollen, herrscht jedoch Uneinigkeit innerhalb der politischen Szene.
Das WOCHENBLATT befragte die Vorsitzenden der beiden größten Fraktionen im Stadtrat, Kai Holm (SPD) und Kristina Kilian-Klinge (CDU), zu diesem Thema und zu den Elternprotesten in Schölisch.
Kai Holm: „Vermeintlich untragbare Risiken werden orakelt“
WOCHENBLATT: Befürchten Sie einen Engpass, falls die marode Johannis-Kita kurzfristig schließen muss und ein Neubau noch nicht realisiert werden konnte?
Kai Holm: Wir sind in bedenklichem Verzug, weil partout keine Mehrheiten zustande kommen. Unsere Fraktion ist seit Wochen bereit, Beschlüsse zu fassen und konstruktiv etwas auf den Weg zu bringen. Das ewige Verschieben gefährdet aus unserer Sicht in der Tat die sichere Versorgung mit Unterbringungsmöglichkeiten für den Fall einer Schließung.
WOCHENBLATT: CDU, Grüne und FDP/WG sehen bei der Absichtserklärung der Stadt und der Wohnstätte ein zu hohes finanzielles Risiko für die Kommune. Warum die SPD nicht?
Holm: Derzeit geht es um den Abschluss einer gegenseitigen Absichtserklärung. Ein möglicher Vertrag ist noch gar nicht formuliert, trotzdem werden vermeintlich untragbare Risiken orakelt. Fakt ist: Das Grundstück gehört der Wohnstätte, also sehen wir hier den ersten Ansprechpartner. Die Details sind zu klären, wenn politisch endlich mal der Auftrag zu Verhandlungen erteilt wird.
WOCHENBLATT: Gibt es für Sie noch andere mögliche Standorte als die Teichstraße? Wenn ja, wo?
Holm: Für den Einzugsbereich der jetzigen Johannis-Kita wäre die Lage mitten im Kopenkamp ideal. Optionen auf dem Gelände der Grundschule Thuner Straße sind auch gegeben. Damit würden der Schule allerdings Erweiterungsmöglichkeiten genommen, außerdem sind die Baukosten wegen der Hanglage erheblich höher. Letztlich müsste das gesamte Stadtgebiet neu betrachtet werden.
WOCHENBLATT: Wie ernst nehmen Sie die Online-Petition einer Elterninitiative, die ausreichend Kita-Plätze für Stade fordert?
Holm: Ich unterschreibe sofort: Stade braucht ausreichend Kita-Plätze. Uneinig sind wir in der Frage, ob dieser Anspruch nicht regelmäßig erfüllt ist. Die Initiativen sehen ihre ureigenen Belange direkt vor Ort. Partikularinteressen sind das eine, die Gesamtsicht etwas anderes. Da gerade in Sachen Kinderbetreuung vieles im Fluss ist, wollen wir über regelmäßig aktualisierte Bedarfserhebungen und Prognosen stadtweit steuern. Viele Eltern möchten z. B. nicht die Kita vor Ort nutzen, sondern suchen gezielt andere Einrichtungen aus.
WOCHENBLATT: Könnte es überhaupt ein „Zurück“ bei der geplanten Schließung der Kita Schölisch geben?
Holm: Was das Gebäude angeht, ein klares Nein. Ansonsten gilt, was wir immer betont haben: Diese sozialverträgliche Schließung, also mit drei Jahren Auslauffrist, wurde Ende 2013 anhand der vorliegenden Daten beschlossen. Wenn sich neue Fakten oder Bedarfe ergeben, müssen wir stadtweit schauen, wo ggf. weitere Einrichtungen nötig sind. Das kann auch in Riensförde, der Harschenflether Vorstadt oder eben in Schölisch sein. Das muss vorbehaltlos analysiert werden.
WOCHENBLATT: Wie erklären Sie sich, dass die Bürgermeisterin betont, jedes Kind bekommt in Stade einen Krippen- oder Kita-Platz, in der Praxis aber Eltern oft über lange Wartezeiten klagen?
Holm: Bislang sind stadtweit ausreichend Plätze vorhanden. Natürlich ist kontinuierlich nachzusteuern, wir verzeichnen erfreulicherweise mehr Geburten. Auch weckt die Betreuung in den Krippen neue Ganztagsbedarfe im nachfolgenden Kita-Bereich. Zudem melden einige Eltern ihre Kindern parallel in mehreren Einrichtungen an, womit erst recht spät Klarheit über die tatsächliche Belegung herrscht. Ebenso schwer planbar ist der Elternwille, ob wohnortnahe, arbeitsplatznahe oder von pädagogischen Konzeptionen geleitete Einrichtungen gewünscht sind. Daher gibt es Zusagen leider manchmal erst recht kurzfristig, aber es wird nach meiner Kenntnis immer eine Lösung gefunden.
Kristina Kilian-Klinge: „Natürlich könnte es ein Zurück geben“
WOCHENBLATT: Befürchten Sie einen Engpass, falls die marode Johannis-Kita kurzfristig schließen muss und ein Neubau aufgrund politischer Unstimmigkeiten noch nicht realisiert werden konnte?
Kristina Kilian-Klinge: Die erste Vorlage der Verwaltung gab Anlass zu Kritik und warf Fragen auf. Diese Fragen sowie konkrete Informationen über Alternativstandorte wurden erstmals von der Verwaltung am 11. März mündlich beantwortet beziehungsweise vorgetragen. Daraus entstand Beratungsbedarf. Die Verwaltung selbst sieht in ihrer neuen Drucksache eine Beschlussfassung durch den Verwaltungsausschuss und Stadtrat am 27. April vor. Eine zusätzliche Ausschusssitzung vorher stellt keine Verzögerung dar. Die CDU-Fraktion will den Kita-Neubau. Über den Standort wird am 27. April entschieden werden. Keine der Drucksachen der Verwaltung enthält den Hinweis, dass eine kurzfristige Schließung der Kita droht.
WOCHENBLATT: Warum können Sie der Absichtserklärung der Stadt mit der Wohnstätte nicht zustimmen? Woran hakt es konkret?
Kilian-Klinge: Es geht zum einen um die Frage, ob das vorgeschlagene Public-Private-Partnership-Modell für die Hansestadt Stade wirklich einen finanziellen Vorteil bringt und ob es nach dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (§ 120, Abs. 6) überhaupt rechtlich zulässig ist. Zudem ist die Verkehrssituation an dem vorgeschlagenen Standort zu betrachten.
WOCHENBLATT: Gibt es für Sie bessere Standorte als die Teichstraße? Wenn ja, wo?
Kilian-Klinge: Ein besserer Standort für die Kita könnte ein Anbau an die Pestalozzi-Grundschule sein.
WOCHENBLATT: Wie ernst nehmen Sie die Online-Petition einer Elterninitiative, die ausreichend Kita-Plätze für Stade fordert?
Kilian-Klinge: Die Online-Petition der Elterninitiative nimmt die CDU-Fraktion genau wie alle sonst vorgetragenen Beschwerden oder Wünsche von Bürgern sehr ernst. Der Stadtrat wird beraten müssen, wie er künftig generell mit Online-Petitionen umgehen will, die rechtlich zulässig sind und Themen betreffen, für die der Stadtrat zuständig ist.
WOCHENBLATT: Könnte es überhaupt ein „Zurück“ bei der geplanten Schließung der Kita Schulisch geben?
Kilian-Klinge: Selbstverständlich könnte es ein „Zurück“ von der geplanten Schließung der Kita Schölisch geben. Es muss nur eine Mehrheit unter den Stadtratsmitgliedern geben, die das will. Leider sind wir erst im Dezember 2014 mit einem entsprechenden Antrag gescheitert, den Betrieb der Kita nicht zum 31. Juli 2016 auslaufen zu lassen und die Anmelde- und Aufnahmebeschränkungen aufzuheben. Die CDU-Fraktion hält weiterhin eine Kita in Schölisch für erforderlich.
WOCHENBLATT: Wie erklären Sie sich, dass die Bürgermeisterin betont, jedes Kind bekommt in Stade einen Krippen- oder Kita-Platz, in der Praxis aber Eltern oft über lange Wartezeiten klagen?
Kilian-Klinge: Auch wir lesen oder hören von Dritten, dass sich Eltern über lange Wartezeiten auf einen Krippen- oder Kita-Platz beschweren. Wir bitten alle betroffenen Eltern, mit uns direkt Kontakt aufzunehmen, damit wir das Thema anhand konkreter Fälle mit der Verwaltung diskutieren können. Die E-Mail-Adressen sind: KrKilianKlinge@aol.com oder info@cdu-stade.de.
Redakteur:Björn Carstens aus Buxtehude |
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