Interview zur aktuellen politischen Lage
Stader Landrat Kai Seefried: Die Sorgen der Bürger ernst nehmen
Die gesellschaftliche und politische Stimmungslage in Deutschland bereite ihm Sorge: Das hat Stades Landrat Kai Seefried bereits in seiner Weihnachtsansprache erklärt. Nach dem Bekanntwerden des Geheimtreffens rechtsextremer Zirkel in Potsdam hat sich die Situation weiter zugespitzt. Es wurde deutlich, welche Bedrohung für unsere Demokratie vom ultrarechten Rand ausgeht. In den vergangenen Tagen gingen bundesweit unzählige Menschen auf die Straße, um gegen völkisches und rassistisches Gedankengut zu protestieren. Seefried warnte kürzlich in einem Pressegespräch aber auch davor, Menschen gleich in eine rechte Ecke zu stellen, wenn sie ihre Sorgen beispielsweise beim Thema Migration äußern. Dabei machte er zugleich deutlich, dass er die von der Ampel-Regierung beschlossenen Erleichterungen im Einbürgerungsrecht für den falschen Weg hält. Das WOCHENBLATT wollte vom Landrat wissen, wie er die aktuelle politische Lage bewertet und welche Lösungen er sieht.
WOCHENBLATT: Herr Landrat, wie erleben Sie die gesellschaftliche Stimmung derzeit?
Kai Seefried: Die gesellschaftliche und politische Stimmungslage in Deutschland bereitet mir große Sorgen. Das Wort „Krisenmodus“ als Wort des Jahres 2023 beschreibt vermutlich sehr gut, was viele derzeit fühlen. Die aktuellen Demonstrationen für unsere Demokratie sind ein ermutigendes Signal. Wenn wir in unsere Vergangenheit schauen, sehen wir doch, dass wir schon viele Krisen erfolgreich gemeistert haben. Aber nicht durch Spaltung – sondern durch Gemeinsinn. Mit unseren deutschen Grundwerten von Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und unserer Demokratie. Mit Mut und mit Zuversicht.
WOCHENBLATT: Was muss sich ändern, um die Gesellschaft wieder zusammenzuführen?
Kai Seefried: Die Bürgerinnen und Bürger müssen spüren, dass ihre Sorgen ernst genommen werden und dass die Probleme in diesem Land auch wirklich angepackt werden. Das höchste Gut dabei ist Vertrauen. Vor allem auf der Bundesebene muss es der Politik darum gehen, Vertrauen zurückzugewinnen und Verlässlichkeit zu zeigen. Die Menschen suchen Halt und Orientierung. Das kann der Weg aus dem „Krisenmodus“ sein. Die derzeit teilweise unerbittlich geführten Debatten dürfen aber nicht die Konsequenz haben, dass einzelne Themen und die Sorgen der Menschen nicht mehr angesprochen werden. Der Umgang mit dem Thema Migration etwa sorgt dafür, dass viele Menschen unzufrieden sind. Wir müssen das ernst nehmen. Aktuell bewältigen wir die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Das gelingt uns aber nur, wenn die Gesellschaft dies mitträgt. Eine Besinnung auf unser Grundgesetz, das in diesem Jahr übrigens 75 Jahre alt wird, und den Rechtsstaat muss die Grundlage sein.
WOCHENBLATT: Welche Rolle kommt dabei der Kreisverwaltung zu?
Kai Seefried: Wir als Kreisverwaltung sind bei vielen Themen die ersten Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Wir sind ihr direkter Kontakt mit dem Staat. Das ist für uns eine besondere Verpflichtung. Sie haben einen Anspruch darauf, von uns zeitnahe und verbindliche Antworten zu bekommen – in einer verständlichen Sprache. Es liegt an uns, wie wir unsere Aufgabe wahrnehmen. Wenn wir gute Arbeit machen und von den Menschen als verlässlicher Partner wahrgenommen werden, dann festigt das auch ihre Verbundenheit zu unseren staatlichen Institutionen insgesamt. Zum Jahresauftakt habe ich die Kolleginnen und Kollegen der Kreisverwaltung im Rahmen einer Dienstversammlung genau dafür sensibilisiert: für unseren Rechtsstaat. Es kommt jetzt auf uns alle an. Es ist unsere Aufgabe als Kreisverwaltung, den Menschen in einer Zeit der Unruhe Halt und Orientierung zu geben.
WOCHENBLATT: Was tun Sie persönlich dafür?
Kai Seefried: Für mich stehen die Menschen bei uns im Landkreis Stade im Mittelpunkt. Ich suche den Dialog, stehe für Gespräche zur Verfügung. Ob mit den Landwirten, die auf dem Platz Am Sande direkt vor dem Kreishaus demonstrieren, oder mit vielen Bürgerinnen und Bürgern bei meinen regelmäßigen Sprechstunden oder am Rande von öffentlichen Veranstaltungen – ich führe viele Gespräche mit den Menschen aus der Region. Täglich erreichen mich Dutzende Anfragen auch per E-Mail und per Post. Ich scheue auch kritische Diskussionen nicht. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass wir über unser Tun berichten und es erklären. In der Kreisverwaltung bemühen wir uns deshalb um eine umfangreiche und transparente Kommunikation – mit Pressemitteilungen, einem Newsletter, unserer Internetseite und unseren Präsenzen in den sozialen Medien.
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