Debakel bei den Abwasser-Abrechnungen
Stader Politik verlangt Aufklärung beim Gebühren-Chaos
Das Abwassergebühren-Chaos in Stade ruft jetzt die Politik auf den Plan: In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU, Grünen und Bunter Gruppe (FDP, WG, Piraten) Aufklärung darüber, warum die Probleme bei der Erstellung der Gebührenbescheide nach fast einem Jahr noch immer behoben sind.
"Mit Erstaunen" habe man den Sachstandsbericht der kaufmännischen Leiterin der Abwasserentsorgung Stade (AES), Martina Ernst, kürzlich im Betriebsausschuss zur Kenntnis nehmen müssen, heißt es in dem fraktionsübergreifenden Statement. In dem Ausschuss musste Ernst auf Nachfrage der Politiker einräumen, dass mehr als 40 Prozent der veranlagten 22.000 Haushalte in diesem Jahr keinen Bescheid über die Abwassergebühren erhalten haben.
Ohne Bescheid wurde auch kein Geld abgebucht. Üblicherweise sind die Beträge quartalsweise fällig. Eine vierköpfige Familie zahlte bisher viermal im Jahr rund 140 Euro. Nun summieren sich die nicht eingezogenen Gebühren. Wer im ersten Quartal 2023 endlich rückwirkend den Bescheid von der AES erhält, muss dann den Betrag für dieses Jahr nachzahlen. Beim Beispiel der Familie wären das mit einem Schlag 560 Euro. Allerdings hat Ernst angekündigt, dass man sich kulant zeigen will. Wer die Nachzahlung nicht in einer Summe aufbringen kann, darf die Gebühr in Raten zahlen.
Doch warum ist es überhaupt zu diesem Debakel gekommen? Die in städtischer Regie geführte AES hatte zu Beginn dieses Jahres die Abrechnung der Abwassergebühren von den Stadtwerken übernommen. Doch es steckte bei der eingesetzten Verwaltungs-Software von Anfang an der Wurm drin. Der AES war es wegen der fehlerhaften Software nicht möglich, an die Kunden Gebührenbescheide zu verschicken. Monatelang wurde an dem Problem herumgedoktert - offensichtlich ohne Erfolg. Mal hieß es von Ernst, der Software-Anbieter arbeite intensiv an einer Lösung, mal wurde von ihr erklärt, die Probleme seien im Vorfeld nicht erkennbar gewesen, da man mit dem Systemanbieter sonst "hervorragende Erfahrungen" gemacht habe.
Was aber jetzt in Sachen Abwassergebühren passiert, kommt einer Bürokratie-Posse gleich. Wenn die Verantwortlichen dann versuchen - wie auf der Ausschusssitzung geschehen -, das Debakel kleinzureden, ist es nur verständlich, dass selbst wohlwollenden Politikern der Geduldsfaden reißt. Anders als die 450 Stader Gebührenzahler, die aktuell auf eine Beantwortung ihrer E-Mail seitens der AES warten, können die Fraktionschefs mit einer zügigen Antwort rechnen: Ihre Anfrage steht auf der Tagesordnung der Ratssitzung am heutigen Montag, 19. Dezember, um 18 Uhr im historischen Rathaus. Es ist damit zu rechnen, dass Bürgermeister Sönke Hartlef (CDU) eine Stellungnahme zum Thema Abrechnungs-Chaos abgibt.
Allerdings dürfte nicht damit zu rechnen sein, dass die konkreten Fragen bis ins Detail beantwortet werden.
Die Fraktionschefs haben folgende Fragen gestellt:
- Warum wurden aus den bisherigen Erfahrungen keine Lehren gezogen?
- Welche Kontrollinstrumente und Qualitätssicherungsmaßnahmen haben versagt?
- Warum wurde in der Betriebsausschusssitzung vom 14.09.2022 durch die AES-Leitung betont, dass die Zusammenarbeit mit der Software-Firma gut sei, was offensichtlich eben nicht so ist?
- Welche konkreten Fehlfunktionen der eingesetzten Software sind ursächlich für die Verzögerungen?
- Warum wurden neue Probleme bzw. Verzögerungen hinsichtlich Software und Personalstand nicht zeitnah öffentlich kommuniziert, ggf. Öffentlichkeit und Politik um erneutes Verständnis gebeten?
Man erwarte nun "verlässliche Aussagen seitens der AES sowie der Stadtverwaltung", wie es weitergehe und wann mit der endgültigen Abarbeitung aller noch nicht abgewickelten Bescheide zu rechnen sei, heißt es in der Erklärungen der vier Fraktionen. Außerdem werde erwartet, dass mögliche Regressforderungen an den
verantwortlichen Software-Lieferanten geprüft und ggf. geltend gemacht werden.
Die Politiken wollen das Thema nun fest im Blick behalten: "Bis zur endgütigen Abarbeitung der Rückstände werden Zwischenberichte zum Stand der Dinge in jeder kommenden Verwaltungsausschusssitzung erwartet, damit die Politik immer auf aktuellem Sachstand bleibt und nicht erst auf konsequente Nachfrage informiert wird", heißt es in der Erklärung.
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