Erstmals Kreis-Zuschüsse für Krankenhaus-Investitionen möglich
Steigt die Stadt Stade bei den Elbe Kliniken aus?
jd. Stade. Wird die Stadt Stade ihren 50-prozentigen Anteil an den Elbe Kliniken an den zweiten Träger, den Landkreis Stade, abtreten? Diese Frage steht jetzt im Raum, nachdem Anfang der Woche eine wegweisende Entscheidung im nicht-öffentlichen Kreisausschuss zum Thema Krankenhaus-Finanzierung gefällt wurde.
Die Politiker haben mit ihrem einstimmigen Votum den Weg geebnet für eine mögliche finanzielle Unterstützung der Elbe Kliniken aus Kreismitteln. Dass Gelder vom Landkreis fließen, wäre eine Novum: Seit der Fusion der Krankenhäuser Stade und Buxtehude unter dem Dach der Elbe Kliniken GmbH im Jahre 2001 galt die eherne Regel: Die beiden Gesellschafter - also der Landkreis und die Stadt Stade - zahlen keinen einzigen Cent an Zuschüssen.
Das soll sich nach dem Willen der Politik künftig ändern. Mit einer folgenschweren Konsequenz: Wenn Stade zu keiner Zahlung bereit sein sollte, müssen die Eigentumsverhältnisse neu ausgehandelt werden. Wobei durchaus realistisch ist, dass Stade ganz als Gesellschafter aussteigt. Denn die Hansestadt muss sich in den kommenden Jahren selbst hoch verschulden, um das mehr als 70 Millionen Euro teure Großprojekt Bildungscampus Riensförde (BCR) zu stemmen.
Die Hintergründe
Es ist ein gewaltiges Investitionsvorhaben: In den kommenden fünf Jahren wollen die Elbe Kliniken den Standort Stade umfassend sanieren und modernisieren. Unter anderem wird ein neues Bettenhaus gebaut. Grundsätzlich müsste das Land diese Summe übernehmen. Seit Jahren ist es aber gängige Praxis, dass die Elbe Kliniken rund 20 Prozent der Investitionskosten selbst tragen. Damit das Krankenhaus nicht in eine wirtschaftliche Schieflage gerät, könnte erstmals der Landkreis finanziell in die Bresche springen. Die Voraussetzungen dafür hat jetzt die Politik auf den Weg gebracht.
Dass Zahlungen an die Elbe Kliniken künftig überhaupt möglich sein sollen, stellt einen kompletten Richtungswechsel beim Landkreis dar. Denn bisher hatte Landrat Michael Roesberg die Marschroute vorgegeben, nach der jegliche Zuschüsse tabu sind. Die Elbe Kliniken müssen das Geld für den Betrieb und die Investitionen selbst erwirtschaften, lautete seine bisherige Devise. Eine dauerhafte Bezuschussung würde das Krankenhaus finanziell abhängig und damit anfällig für eine Übernahme durch einen privaten Investor machen.
Doch worum geht es konkret bei der vorgesehenen Krankenhaus-Finanzierung? Warum sollen die Elbe Kliniken jetzt Geld vom Landkreis erhalten? Das WOCHENBLATT liefert zu diesem Thema die wichtigsten Hintergrundinformationen. Die wichtigste Botschaft aber vorweg: Es bleibt weiter das Ziel der Politik, eine Privatisierung der beiden Krankenhäuser zu vermeiden.
Es droht eine Finanzierungslücke
Die Elbe Kliniken haben in den Vorjahren immer eine schwarze Null geschrieben. Das ging bisher zu Lasten der Pflegekräfte. Diese wurden jahrelang unter Tarif bezahlt, damit bei dem laufenden Betrieb kein Defizit entsteht. Denn die Zahlungen der Krankenkassen reichen nicht aus, um kostendeckend eine ausreichende medizinische Versorgung zu gewährleisten.
Hinzu kommt, dass das Land Niedersachsen seit Jahren nicht seine Verpflichtung erfüllt, die vollen Investitionskosten zu tragen. Rund 20 Prozent dieser Kosten müssen die Elbe Kliniken selbst aufbringen. Dafür mussten in der Vergangenheit Kredite aufgenommen werden. Deren Tilgung schlägt derzeit mit rund fünf Millionen Euro pro Jahr zu Buche.
Nun stehen aber die nächsten großen Investitionen wie der Neubau des Bettenhauses am Standort Stade an. Die Gesamtkosten werden bei mehr als 100 Millionen Euro liegen. Davon 20 Prozent zu übernehmen, wird die wirtschaftliche Leistungskraft der Elbe Kliniken übersteigen. Das Einsparpotenzial an anderer Stelle ist bereits ausgereizt.
Und bei den Personalkosten kann schon gar nicht der Rotstift angesetzt werden. Erst im Juni haben Klinikleitung und Betriebsrat vereinbart, die Vergütungen für die examinierten Kräfte endlich wieder auf Tarifniveau anzuheben. Am Ende bleiben nur die beiden Gesellschafter, um die Löcher bei der Finanzierung der Investitionen zu stopfen.
Der Antrag der Freien Wählergemeinschaft
Die Freie Wählergemeinschaft (FWG) hatte bereits im Herbst 2019 beantragt, dass sich der Kreistag mit dem Problem der Krankenhaus-Finanzierung befasst. Corona-bedingt ist die Behandlung des Themas um einige Monate nach hinten verschoben worden. Jetzt hat sich der Kreisausschuss unter dem Tagesordnungspunkt "Wirtschaftliche Situation der Elbe Kliniken" damit befasst. Klinikchef Siegfried Ristau war auf der Sitzung zugegen, um über die finanzielle Lage zu informieren. Dabei wurde auch deutlich: Die staatlichen Corona-Hilfen reichen aus, damit die Elbe Kliniken trotz weggebrochener Einnahmen in diesem Jahr über die Runden kommen. Doch wie es in den kommenden Jahren aussieht, bleibt völlig offen.
Dass aus der Kreispolitik erstmals das klare Signal kommt, finanzielle Verantwortung für die Elbe Kliniken in Form von Investitionszuschüssen zu tragen, bezeichnet FWG-Fraktionschef Uwe Arndt als "Punktsieg" für die Wählergemeinschaft. Ziel der FWG sei es, dass die Elbe Kliniken modernisiert werden, ohne dafür selbst neue Schulden machen zu müssen.
Zugleich will Arndt die Rolle der beiden Städte hinterfragen. Dabei sieht er nicht nur Stade als Mitgesellschafter in der Pflicht, sondern auch Buxtehude. Beide Städte hätten durch die Krankenhäuser einen Standortvorteil gegenüber den ländlichen Kommunen. Daher müsse erörtert werden, inwieweit Stade und auch Buxtehude bei den Investitionskosten herangezogen werden können.
Die rechtliche Grundlage
Landrat Michael Roesberg hat eine Bezuschussung der Elbe Kliniken bisher abgelehnt. Es könne nicht Aufgabe des Landkreises sein, als Kapitalgeber einzuspringen, wenn Bund, Land und Krankenkassen bei der Krankenhaus-Finanzierung versagen, so seine Begründung. Daneben gibt es aber auch rechtliche Hürden: Eine Bezuschussung des laufenden Krankenhausbetriebs durch den Landkreis würde eine unzulässige Subventionierung darstellen und damit gegen das Wettbewerbsrecht der EU verstoßen.
"Wir haben einen Wirtschaftsprüfer damit beauftragt, eine rechtliche einwandfreie Lösung zu finden", sagt Roesberg. Diese gibt es in Form eines sogenannten Betrauungsaktes. Bei diesem hoheitlichen Verfahren werden die Elbe Kliniken förmlich damit betraut, für die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Landkreis zuständig zu sein.
"Liegt eine solche Betrauung seitens der öffentlichen Hand vor, können auch Investitionszuschüsse gezahlt werden, ohne dass gegen EU-Recht verstoßen wird", so der Landrat. Wie dabei konkret vorgegangen werden kann, soll jetzt geprüft werden
Die Rolle der Stadt Stade
Was passiert, wenn nur der Landkreis Investitionszuschüsse an die Elbe Kliniken zahlt? "Dann müssten auch die Gesellschafteranteile an der GmbH zugunsten des Landkreises geändert werden", sagt Landrat Roesberg.
Denkbar - und gar nicht so unwahrscheinlich - ist aber auch, dass die Stadt Stade sich ganz als Gesellschafter zurückzieht und ihre Anteile an den Landkreis verkauft. Mit dieser Option scheint eine Mehrheit im Stader Rat zu liebäugeln. "In maßgeblichen Kreisen der Stader Politik wird das jetzige Konstrukt mit den gleichberechtigten Gesellschaftern schon länger kritisch gesehen", sagt Stades Bürgermeister Sönke Hartlef.
Nach seiner Einschätzung würde der Rat Zahlungen an die Elbe Kliniken nicht zustimmen, so Hartlef. Denn solche Zahlungen würden Stade doppelt belasten - einmal direkt als 50-prozentiger Anteilseigner und dann indirekt über die Kreisumlage. "Unterm Strich würde Stade dann fast zwei Drittel des Zuschusses tragen", meint Hartlef. Das könne nicht angehen.
Jetzt wird zwischen Landkreis und Stadt verhandelt
Landrat Michael Roesberg kann die Begründung der Stadt Stade für deren ablehnende Haltung hinsichtlich möglicher Investitionszuschüsse nicht nachvollziehen: Fakt sei, dass Stade derzeit null Euro für die Elbe Kliniken aufbringe. Der Landkreis trage hingegen schon jetzt über die ans Land zu entrichtende Krankenhausumlage in Höhe von 2,3 Millionen Euro jährlich zur Krankenhausfinanzierung bei. Auch Roesberg hält es für denkbar, dass die Stadt die Konsequenzen aus ihrer Haltung zieht und am Ende die kompletten Anteile an den Landkreis abgibt.
"Darüber muss in den kommenden Wochen intensiv beraten werden", so der Landrat. Ein erstes Sondierungsgespräch mit Hartlef hat es am Mittwoch bereits gegeben. Dort wurde die weitere Vorgehensweise besprochen. "Die Diskussion um das Thema ist eröffnet", so Roesberg. Das Verfahren inklusive Klärung der rechtlichen Fragen werde sich aber über mehrere Monate hinziehen. Dabei muss auch geklärt werden, für welche Summe die Stadt ihren Anteil an den Elbe Kliniken abtreten würde. Auch wenn einzelne Gebäude wie das Stader Bettenhaus aufgrund des maroden Zustands quasi wertlos sind, geht es doch um Millionenwerte. Auf den symbolischen Kaufpreis von einem Euro wird es daher wohl eher nicht hinauslaufen.
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