Ex-Offizier: Kriegsziel bleibt weiter die Krim
Ukrainer unterstützt seine Heimat vom Kreis Stade aus
Er ist das Gesicht der Hilfsaktionen für sein vom russischen Angriffskrieg gebeuteltes Heimatland: Der Ukrainer Grischa Kaflowskij, der mit Frau und Enkelkindern vor eineinhalb Jahren in den Landkreis Stade geflohen ist, besuchte vor Kurzem Verwandte und Freunde in der Hauptstadt Kiew. Besonders freute er sich, nach Monaten seinen Sohn Sascha wieder in die Arme schließen zu dürfen, der vorigen Winter an der Front in Bachmut kämpfte und derzeit als Ausbilder für junge Soldaten eingesetzt ist. "Hier in Kiew ist es verhältnismäßig ruhig", sagt Grischa. An die nächtliche Ausgangssperre und die regelmäßigen Luftalarme hätten sich die Menschen gewöhnt.
"Kommen nicht so schnell voran wie erhofft"
Die Gegenoffensive der ukrainischen Armee sieht Grischa trotz des hartnäckigen russischen Widerstands auf einem guten Weg. Er gibt aber zu: "Es geht nicht so schnell, wie wir alle es erhofft hatten." Die unzähligen russischen Minen würden den Vormarsch der Ukrainer erschweren, eine flächendeckende Entschärfung werde wohl Jahre dauern.
Grischa, der noch in der Sowjetarmee als Oberstleutnant diente, geht von einem erfolgreichen Durchbruch in Richtung Süden aus. Das Ziel sei die Krim. "Ich bin mir zu 90 Prozent sicher, dass wir den westlichen Teil der Krim und die Küstengebiete im Laufe des Jahres zurückerobern werden", sagt der 66-Jährige, der nach wie vor über beste Verbindungen in die ukrainische Generalität verfügt. Der Kampf sei ohne Flugzeuge aber nur schwer zu führen. Der Ex-Offizier kann die zögerliche Haltung der europäischen Partner nicht verstehen: "Hätte der Westen die Ukraine mit Kampfjets ausgestattet, wäre der Krieg schon bald beendet."
Ungebrochener Kampfgeist
Der Kampfgeist der Ukrainer sei jedenfalls ungebrochen, die Bevölkerung sei stolz auf ihre Armee, betont Grischa. Gleiches gelte für die Einsatzkräfte von Rettungsdienst und Feuerwehr, die neben dem Alltagsgeschäft immer wieder aufs Neue nach Raketeneinschlägen Verletzte versorgen und Brände löschen müssen: „Sie sind unsere Helden.“ Als der Ukrainer zum erneuten Besuch seiner Heimat aufbrach, hatte er sein Auto vollgepackt mit gespendeten Hilfsgütern aus dem Landkreis Stade.
Grischa arbeitet für einen Schweizer Maschinenbauer, betreut Kunden im gesamten Ostblock. „Ich bin immer unterwegs“, sagt er. Die vielen Reisen würden helfen, nicht so viel ins Grübeln zu geraten. Dabei hätte er allen Grund dazu. Über Monate war sein Sohn Sascha in der Hölle von Bachmut, hatte keinen Kontakt zu seiner Familie. Inzwischen wird der IT-Fachmann als Ausbilder für junge Soldaten in der Luftaufklärung eingesetzt, schult sie u.a. im Umgang mit Drohnen. Er ist im Großraum Kiew stationiert, am vergangenen Wochenende durfte der 43-Jährige seine Familie besuchen. Womöglich werde die Einheit bald gen Osten verlegt, fürchtet Grischa. Dann werde es wieder schwerer, regelmäßig Kontakt zu halten.
Pläne für die Zukunft
Trotz aller Sorgen bleibt Grischa optimistisch: "Wir werden den russischen Aggressor zurückdrängen." Er hofft, dass der Wiederaufbau im Land nach dem Krieg zügig erfolgt. Mut mache ihm das Interesse von westlichen Geschäftsleuten. Viele von ihnen seien bereits nach Kiew gekommen, um Immobiliengeschäfte anzubahnen und Pläne für Zukunftsprojekte zu schmieden. Die Aufbruchstimmung sei förmlich spürbar: "Da liegt schon etwas in der Luft, das wird spannend."
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