Erneut mutmaßliche Wolfsrisse an der Oste
Umweltminister: Tierhaltern helfen, aber den Wolf nicht ausrotten
Welche Konsequenzen sind aus der Wolfsattacke von Gräpel zu ziehen? Mit dieser Frage beschäftigte man sich in dieser Woche in Hannover. Dort traf sich eine Gesprächsrunde unter dem Titel "Dialogforum Weidetierhaltung und Wolf". Es gehe um ein möglichst konfliktarmes Nebeneinander von Weidetieren und Wölfen, so die Initiatoren der Runde, Umweltminister Christian Meyer (Grüne) und Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne). Das Fazit der Unterredung der Ministerialbeamten mit Vertretern von Naturschutz- und Bauernverbänden: "Der Herdenschutz bleibt eine Daueraufgabe." Es sei jetzt ein regional differenziertes, europarechtskonformes Bestandsmanagement beim Wolf erforderlich. Stades Landrat Kai Seefried (CDU) zeigt sich erfreut, dass diese Erkenntnis jetzt auch zu Meyer und Staudte durchgedrungen ist.
Offenbar noch unter dem Eindruck des Wolfsangriffs auf eine Schafherde Ende August in Gräpel, erklärte Umweltminister Meyer: "Eine Frage beschäftigt nicht nur mich intensiv: Was können wir tun, um in Regionen mit hohen Nutztierschäden, die trotz gutem Herdenschutz passieren, schneller und unbürokratischer zu handeln? Fakt ist: Wir wollen den Wolf nicht wieder ausrotten, wir wollen aber auch der Weidetierhaltung helfen, die massiv unter Nutztierschäden leidet." Darum setze sich Niedersachsen beim Bund und bei der EU mit Nachdruck für ein regional differenziertes Wolfsbestands-Management ein, wie es im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart ist.
Landrat begrüßt Äußerungen aus Hannover
"Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass sich beide Ministerien inzwischen klar positionieren und ein Bestandsmanagement fordern", kommentiert Landrat Seefried die Äußerungen des Umweltministers. Er hatte dies bereits in der Vergangenheit gefordert und vor allem mit dem massiven Anstieg der Wolfspopulation begründet. Seefried gibt eine düstere Zukunftsprognose ab, falls nicht gehandelt wird: "Ohne ein wirksames Bestandsmanagement wird es auf Dauer keine Weidehaltung im Landkreis Stade mehr geben. Das wäre auch ein fatales Signal unter Natur- und Umweltschutzaspekten. Für unsere Küstenregion geht es damit aber vor allem auch um den Küstenschutz, der ohne Schafe in Gefahr gerät."
Man habe das Thema Küstenschutz im Blick, wurde von Agrarministerin Staudte und Umweltminister Meyer betont: "Wir müssen den für den Naturschutz und die Deichpflege wichtigen Weidetierhaltern weiterhin beiseitestehen und sie bestmöglich unterstützen." Ihr Ansatz: Der Herdenschutz müsse weiter gestärkt werden - unabhängig von Wolfsabschüssen. Die Verfahren zur Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen wie Wolfsschutzzäune seien zwingend zu entbürokratisieren.
Seefried: Bitte keine weiteren Arbeitsgruppen
Das Dialogforum will weiter tagen. Die von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) für Ende September angekündigten Vorschläge für ein Bestandsmanagement sollen dann in der entsprechenden Dialogforum-Arbeitsgruppe diskutiert werden – und zwar bis zur nächsten Umweltministerkonferenz im November. Seefried hält allerdings nichts davon, das Thema erneut in einer Arbeitsgruppe zu zerreden: "Jetzt muss endlich Klarheit kommen, weitere Arbeitsgruppen sind nicht notwendig, alle Informationen liegen auf dem Tisch."
Wieder getötete Schafe an der Oste
In dieser Woche wurden gleich zwei weitere mutmaßliche Wolfsrisse gemeldet. Einmal wurden nur fünf Kilometer Luftlinie von Gräpel entfernt Schafe gerissen. Der Vorfall ereignete auf der anderen Seite der Oste nahe des Dorfes Nieder-Ochtenhausen (Landkreis Rotenburg). Drei tote Schafe wurden entdeckt, fünf weitere sind verschwunden. Vermutlich war auch dort ein Wolf der Übeltäter. Ebenfalls ein Wolf könnte verantwortlich für einen Angriff auf Deichschafe in Großenwörden (Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten) sein. Auch von dort wurden drei getötete Schafe gemeldet. Ein weiteres Tier wurde wegen seiner schweren Verletzungen eingeschläfert.
Bei dem Vorfell in Nieder-Ochtenhausen waren Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) waren am Ostedeich auf die toten Schafe gestoßen und verständigten den Schäfer. Dieser hatte seine Deichschafe durch einen Zaun geschützt. Allerdings kann ein Wolfsschutzzaun zur Flussseite hin kaum so aufgebaut werden, dass er hundertprozentigen Schutz bietet.
Noch steht nicht fest, ob es sich bei beiden Fällen tatsächlich um Wolfsrisse handelt. Es wurden vor Ort DNA-Proben entnommen. Sollte es mit der Labor-Analyse der Proben so lange dauern wie bei der Wolfsattacke in Gräpel, dann dürften Ergebnisse erst Ende des Monats vorliegen.
CDU-Opposition fordert Regulierung des Wolfsbestandes
Der Umgang mit dem Wolf war in dieser Woche auch Thema im niedersächsischen Landtag. Die CDU hatte bei der Landesregierung angefragt, welche Konsequenzen aus den Wolfsrissen an der Oste gezogen werden. Die Wolfsattacke habe gezeigt, dass Zäune keinen ausreichenden Schutz gegen Wölfe bieten, so der Rotenburger CDU-Landtagsabgeordnete und Generalsekretär Marco Mohrmann. Seine Kritik: Umweltminister Christian Meyer (Grüne) stelle sich nach den Vorfällen hin und erkläre lediglich, er habe rechtliche Bedenken gegen eine Entnahme des betreffenden Tieres.
"Nun hat genau dieser Wolf offenbar Anfang der Woche erneut in unmittelbarer Nähe zugeschlagen und weitere Schafe getötet. Das ist ein typisches Beispiel für die verfehlte Wolfspolitik der Landesregierung", sagt Mohrmann. Er bemängelt, dass allein der Genetiknachweis in diesem Fall 17 Tage gedauert habe. "Das ist Zeit, die besser dafür hätte genutzt werden sollen, eine Entnahmeverfügung herauszugeben, um solche Wiederholungstäter zu stoppen", so der niedersächsische CDU-Generalsekretär. Schließlich bestehe bereits jetzt die Möglichkeit, Wölfe zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher Schäden zu entnehmen.
Regierung wird "Nicht-Handeln" vorgeworfen
"Doch der grüne Umweltminister Meyer handelt trotzdem nicht und sucht stattdessen fieberhaft nach weiteren Ausreden, um sein Nicht-Handeln zu rechtfertigen. Seine gesamte Argumentation ist in sich widersprüchlich und nur auf ein einziges Ziel ausgerichtet: keinen Wolf zu entnehmen“, erklärt Mohrmann. Er verweist darauf, dass die 500 derzeit in Niedersachsen lebenden Wölfe nicht gleichmäßig über das Land verteilt seien, sondern in einzelnen Regionen konzentriert vorkämen. Dort steige die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere.
Mohrmanns Forderung: "Wir brauchen endlich die Feststellung des günstigen Erhaltungszustands, um ein regionales Bestandsmanagement zu installieren. Das muss Bundesumweltministerin Steffi Lemke für Deutschland gegenüber der EU endlich erklären, doch bislang kommt nichts aus Berlin. Offenbar besteht weder beim Bund noch beim Land der politische Wille, die Wolfspolitik zu ändern." Damit lasse man die Menschen im ländlichen Raum weiter im Stich.
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