Tristesse statt "urbanes Dorf"
Wieder ein Preis für den Stader "Ankerplatz" - Aber wofür?

Baustellen-Charakter pur: der Stader "Ankerplatz" | Foto: jd
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Wieder hat der Stader "Ankerplatz" einen Preis gewonnen: Das "in seiner Konzeption einmalige Projekt zur Innenstadtbelebung" (O-Ton "Ankerplatz"-Verein) ist einer von elf Preisträgern beim niedersächsischen Wettbewerb "unbezahlbar und freiwillig". Der Wettbewerb wird von der Landesregierung gemeinsam mit dem Sparkassenverband und der Versicherungsgruppe VGH ausgerichtet. Die Auszeichnung nahm Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor. 

Fahrradbox in Stade: 67.000 Euro Ausgaben, 120 Euro Einnahmen

Ziel des Wettbewerbs sei es, die Anerkennungskultur in Niedersachsen zu stärken und mehr Menschen für freiwilliges Engagement zu begeistern, heißt es in einer Mitteilung von Weils Staatskanzlei. Er freue sich, dass es in Niedersachsen "so viele engagierte Menschen und deshalb auch eine Menge großartiger Vereine und Projekte" gebe, wird der Ministerpräsident zitiert. Das WOCHENBLATT nahm die Preisverleihung für den "Ankerplatz" zum Anlass, sich das "großartige Projekt" noch einmal direkt vor Ort anzuschauen.

Das WOCHENBLATT auf Stippvisite beim "Ankerplatz" in Stade

Immer noch ein trister Anblick

Der erste Eindruck: Der Platz "Am Sande" in Stade, dort soll das "urbane Dorf" im Rahmen des "Ankerplatz"-Projektes entstehen - wirkt noch trister als beim ersten Ortstermin im Sommer. Und das liegt nicht nur am trüben Herbstwetter. Zwei neue Container sind hinzugekommen, schwarz angestrichen, aber fest verschlossen. Ob es sich um die vielgepriesenen Next-Generation-Container handelt, mit denen die Stader Jugend angelockt werden soll? Hinweisschilder sind nicht zu finden.

Auf jeden Fall ist inzwischen die angekündigte  "Klimakiste" eingetroffen. Zu einem besseren Klima hat dieser mehr als 100.000 Euro teure Gewächshaus-Container bisher aber mangels Bepflanzung nicht beigetragen. Der Container ist mitsamt daneben lagernden Paletten von einem Bauzaun umgeben. Die "Klimakiste" dürfte bis zum kommenden Frühling wohl eher spröden Baustellen-Charme verbreiten. Aber der "Ankerplatz"-Verein hatte ja nach dem WOCHENBLATT-Artikel im August erklärt, das Projekt als solches sei als eine große Baustelle zu verstehen.

Stader "Ankerplatz" kommt in der Leser-Kritik nicht gut weg

Doch auf einer Baustelle muss es auch vorangehen. Davon ist auf dem Platz "Am Sande" bisher nichts zu sehen. Auch die als Reaktion auf den Artikel erfolgte Ankündigung des Vereins, die optische Gestaltung des gesamten Areals zu verbessern, wurde bislang nicht umgesetzt. Und im aufgestellten Snack- und Getränkeautomaten, dessen Bestückung eigentlich "optimiert" werden sollte, finden sich immer noch Schokoriegel und reichlich zuckerhaltige Brause. Einzige Neuerung: In einer Ecke stehen zwei Öko-Klos, wohl gedacht für diejenigen, die ihr Geschäft lieber umweltbewusst verrichten wollen, statt ein paar Schritte weiter die normalen WCs mit Wasserspülung zu nutzen. Einziges Problem: Beide Klos sind mit einem Vorhängeschloss verrammelt.

Die neuen Öko-Klos sind zugesperrt | Foto: jd
  • Die neuen Öko-Klos sind zugesperrt
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Einfach eine kluge PR-Strategie?

Mit der bitteren Realität vor Augen fragt man sich, wie das Stader Projekt zu den elf Vorschlägen gehören kann, die bei dem Wettbewerb der Landesregierung aus rund 500 Bewerbungen ausgewählt wurden. Sind so viele andere Projekte in Niedersachsen tatsächlich noch schlechter als das, was den Stadern hier mitten in ihrer Altstadt zugemutet wird? Oder haben die "Ankerplatz"-Leute einfach nur gewiefte PR-Leute mit im Boot, die wissen, wie man einer Wettbewerbs-Jury mit aufgeblasenen Sprüchen und hochtrabenden Konzepten etwas vorgaukelt, um einen Preis einzuheimsen? So heißt es in der Projektbeschreibung für den Wettbewerb: "Der Verein möchte die (Stader) Innenstadt nach der Pandemie wieder zu einem echten 'Place to be' machen. Mithilfe von umgebauten Schiffscontainern entstand ein maritimes Dorf und ein Reallabor für den Marktplatz der Zukunft." 

Stader "Ankerplatz"-Verein äußert sich zur Kritik
Steht bisher ungenutzt herum: die Klimakiste  | Foto: jd
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Spontane Meinung einer StaderinOffenbar lassen sich Juroren von solchen Sprüchen beeindrucken. Doch einige Stader scheinen die ganze Sache realistischer zu sehen. Beim Ortstermin wurde der Verfasser dieses Artikels spontan von einer älteren Dame angesprochen, die ihrem Unmut Luft machte: "Jetzt hat dieser Mist schon wieder einen Preis gewonnen." Sie habe viele Bekannte, die sich ebenfalls über das "Gerümpel" auf dem Platz ärgern würden. Die ganze Maßnahme sei eine unnötige Geldverschwendung. Sicher ist diese Staderin nicht "Volkes Stimme". Doch ihre Meinung dürfte sie mit so manchem Bürger der Hansestadt teilen. 

Sollten Sie auch dieser Meinung sein, lassen Sie es die Redaktion wissen und schreiben Sie uns unter joerg.dammann@kreiszeitung.net. Wenn Sie anderer Meinung sind, dann schreiben Sie uns natürlich erst recht.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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