Verwaltung hat neu gerechnet
Wundersame Vermehrung der Windkraftflächen im Kreis Stade?
"Windkraftflächen sollen sich im Landkreis Stade fast verdoppeln": So titelte das WOCHENBLATT vor rund einem Monat. Anfang Februar hatte das niedersächsische Umweltministerium verkündet, wie viel Prozent der Fläche in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten bis Ende 2026 für die Windenergie bereitgestellt werden muss. Dem Landkreis Stade wird ein Soll-Wert von 3,04 Prozent vorgegeben. Die Kreisverwaltung hatte den Ist-Wert zu diesem Zeitpunkt mit 1,7 Prozent angegeben. Das hätte bedeutet, dass die Vorrangflächen für Windkraft - in erster Linie handelt es sich um Windparks - fast verdoppelt werden müssten. Inzwischen wird von anderen Zahlen beim Ist-Zustand ausgegangen. Böse Zungen sprechen von einer "wundersamen Vermehrung" der Windkraftflächen im Landkreis. Tatsächlich liegt nur eine andere Berechnung zugrunde.
Bei der Berechnung der besagten 1,7 Prozent hat der Landkreis das sogenannte Rotor-out-Prinzip angewandt. Demnach wird die Fläche, über der sich die Rotoren drehen, nicht mit eingerechnet. Das Land hingegen wendet das Rotor-in-Prinzip an und bezieht die von den Rotoren überstrichenen Bereiche mit ein. Da die Rechenweise des Landes verbindlich ist, sind die bestehenden Windkraftflächen im Landkreis Stade größer als bisher angegeben. Sie werden jetzt von der Kreisverwaltung auf rund 2,1 Prozent der Landkreisfläche beziffert.
Repowering wohl auch für Einzel-Windräder möglich
Die "wundersame Vermehrung" geht aber noch weiter: Der Forschungs-Windpark in Krummendeich darf laut den Vorgaben des Landes hinzuaddiert werden. Unter dem Strich liegt der Landkreis dann bereits bei 2,25 Prozent. Hinzukommen schließlich noch die älteren Windräder, die quer über den Landkreis verteilt außerhalb von Windparks stehen. Diese Windkraftanlagen müssten nach der bisherigen Rechtslage abgebaut werden, wenn sie ihr Nutzungsende erreicht haben. Das dürfte spätestens dann der Fall sein, wenn für erforderliche Reparaturen keine Ersatzteile mehr zu bekommen sind. Nun soll aber die Möglichkeit eröffnet werden, auch an diesen Einzelstandorten ein Repowering vorzunehmen und alte Anlagen durch neue zu ersetzen. Bezieht man diese Windräder mit in die Berechnung ein, so liegt der Landkreis schon bei 2,5 Prozent.
Von einer Verdoppelung der Windkraftflächen kann daher nicht mehr die Rede sein. "Wir sprechen letztlich über ein Plus von rund 0,5 Prozentpunkten", sagt Landrat Kai Seefried (CDU). Von einem Windkraft-Ausbau in dieser Größenordnung sei er auch schon ausgegangen, bevor die Vorgaben aus Hannover gekommen sind.
"Daher erschrecken mich die 3,04 Prozent auch nicht", so der Landrat. Das Zeitfenster bis Ende 2026 sei aber "extrem sportlich". Dennoch rechne er fest damit, dass das Thema bis dahin abgearbeitet ist.
Um bei der Planung zügig voranzukommen, hat der Landkreis bereits erste Gespräche mit den Kommunen geführt. "Wir sammeln Vorschläge, welche Flächen Potenzial für die Windkraft haben", sagt Seefried.
Viele Gemeinden würden bereits von Projektierern überrollt, die vor Ort bestimmte Flächen entwickeln wollen. Eine Arbeitsgruppe soll sich mit Details befassen. Dafür will Seefried auch das Landvolk mit ins Boot holen. "Es geht schließlich hauptsächlich um Flächen der Landwirte. Daher sollten deren Interessen berücksichtigt werden."
Windpotenzial-Analyse: Landräte fragen nach Kriterien
Landrat Kai Seefried hat es ausdrücklich betont: Für ihn kamen die Flächen-Vorgaben des Landes in Sachen Windkraft nicht überraschend. Der Landkreis Stade liege mit seinen 3,04 Prozent im landesweiten Vergleich im Mittelfeld. Ihm sei aber - wie vielen anderen Landräte auch - nicht klar, wie die vom Umweltministerium beauftragten Experten ihre Berechnungen vorgenommen haben. So muss der Nachbarkreis fast fünf Prozent seiner Fläche für die Windkraft bereitstellen, während es im Landkreis Friesland, wo der Wind deutlich stärker wehen dürfte, nicht mal ein halbes Prozent sind.
Die Landräte der elf Landkreise in Nordost-Niedersachsen bitten nun in einem Schreiben an die Landesregierung, die Grundlagen der landesweiten Windpotenzial-Analyse näher erläutert zu bekommen. "Es geht darum, die aufgestellten Kriterien kritisch zu hinterfragen, und uns vom Land erklären zu lassen, wie es zu diesen Prozentzahlen kommt", meint Seefried. Er hätte es sinnvoller gefunden, wenn für die einzelnen Landkreise lediglich Unter- und Obergrenzen statt fester Zielvorgaben festgelegt worden wären.
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