Nutri-Score darf ab November rechtssicher verwendet werden
Mit der Nährwertampel gesünder einkaufen?
(sb). Es klingt wie der große Durchbruch: "Nutri-Score-Kennzeichnung kommt!" lautet die Überschrift einer Pressemitteilung der Bundesregierung. Unternehmen könnten das Nährwertkennzeichen ab November rechtssicher verwenden. Zum Ampelsystem auf Lebensmittelverpackungen gibt es Befürworter und Kritiker. Größtes Manko: Die Verwendung ist für Hersteller nach wie vor freiwillig.
So funktioniert der Nutri-Score: Die fünfstufige Farb-Buchstabenkombination der Ampel reicht von Dunkelgrün über Hellgrün, Gelb und Orange bis Rot und zeigt den Nährwert eines Lebensmittels an. Hinter der Farbkennzeichnung steckt ein von Ernährungswissenschaftlern erstellter Berechnungsalgorithmus. Die Berechnung erfolgt stets auf 100-Gramm-Basis, was ein Vergleichen von Produkten vereinfacht. Bei der Rechnung bekommen positiv bewertete Nährstoffe wie Eiweiß oder Gemüse Negativpunkte, negativ bewertete Nährstoffe wie gesättigte Fettsäuren und Zucker bekommen Positivpunkte. Beides wird miteinander verrechnet. Je niedriger die Gesamtpunktzahl, desto höher die Gesamtbewertung.
Allerdings: Wie die Gesamtbewertung zu Stande kommt, wird auf der Packung nicht erklärt. Und Angaben zu einzelnen Nährstoffen wie Zucker, Fett oder Salz oder dem einberechneten Ballaststoffgehalt macht der Nutri-Score gar nicht.
Verwendung ist freiwillig
In Frankreich wurde der Nutri-Score bereits im Jahr 2017 eingeführt, auch Belgien, Spanien, Portugal, Schweiz und Luxemburg nutzen das Label. Allerdings alle auf freiwilliger Basis. Die nationale Einführung der Ampel sei nach geltendem EU-Recht nicht verpflichtend möglich, sagt Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, dazu. "Der Nutri-Score ist für Verbraucher ein plakatives und einfaches Mittel zur Orientierung", sagt Karin Reinking, Ernährungswissenschaftlerin von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Stade. "Zwar ist er nur ein grobes Raster, aber alles in allem ist er besser als nichts." Gut findet Karin Reinking am Nutri-Score, dass er stets aus der gleichen Menge, nämlich 100 Gramm oder 100 Milliliter, errechnet wurde. Das mache Lebensmittel vergleichbarer als bei den zuvor von den Herstellern selbst definierten sogenannten "Portionsgrößen". Da wurde beispielsweise schon mal einer Portion eine Drittelpizza zugrunde gelegt. "So wenig isst keiner", sagt Karin Reinking. Sie hofft zudem, dass Hersteller, die das Ampel-system verwenden, ihre Rezepturen überdenken, um sich im Farbranking zu verbessern.
Der Ernährungswissenschaftlerin gefällt auch, dass der Nutri-Score mit nur einem Emblem eine Aussage trifft. "Das kann man auch ohne Brille sofort erkennen - ganz im Gegensatz zu den Inhaltsangaben und Nährwerttabellen, die auf den Packungen oft nur in der gesetzliche vorgeschriebenen Mindestschriftgröße von 1,2 Millimetern aufgedruckt sind." Trotzdem lohne auch der Blick darauf. Denn der Nutri-Score sei eine stark vereinfachte Darstellung und gebe längst nicht alles preis.
Genau hinschauen
Kritisch sieht Karin Reinking beim Nutri-Score, dass er für eine gesunde Ernährung wichtige Aspekte außer Acht lässt. So sei Käse zwar prinzipiell ein relativ fetthaltiges Produkt und würde deshalb immer nur im Mittelfeld der Bewertung landen. "Käse enthält jedoch auch hochwertiges Eiweiß, Kalzium und Mineralstoffe. Das macht ihn trotz seines Fettgehalts hochwertig", sagt sie. Zudem weist sie darauf hin, dass Verbraucher durch eine Weiterverarbeitung von Lebensmitteln den Nährwert verändern. Werden Backofenpommes beispielsweise frittiert statt gebacken und anschließend nachgewürzt, steigen sowohl Fett- als auch Salzgehalt.
Das gleiche gilt für ein Nudelfertiggericht, das mit Sahne oder Käse verfeinert wird. Und für Solo-Lebensmittel wie Pflanzenöl, Butter oder Nüsse sei der Nutri-Score gar nicht geeignet, so Karin Reinking. Da kommt es auf die Dosierung und die Zubereitungsart an, also auf das, was der Verbraucher daraus macht. "Generell sollte man sich immer bewusst machen: Je höher ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto mehr Zutaten und Zusatzstoffe enthält es."
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