Mitgliederschwund ist oft geringer
Sport im Lockdown: Vorteile für kleinere Clubs
(tk/jab). In einem Brandbrief an den Landessportbund und die Politik haben Großsportvereine aus Niedersachsen über ihre wachsenden Probleme geklagt. Durch den Lockdown laufen ihnen die Mitglieder weg, bzw. Kündigungen werden nicht ausgeglichen, weil ohne Sport auch keine Sportler neu eintreten. Aus dem Landkreis Stade haben der TuS Harsefeld und der Buxtehuder SV unterschrieben. Das WOCHENBLATT hat bei einigen der kleineren Sportvereine im Landkreis Stade nachgefragt: Wie ist bei ihnen die Situation und was erwarten sie von der Politik?
"Von Kündigungen sind wir kaum betroffen", sagt Susanne von Arciszewski, Präsidentin der SG Buxtehude Altkloster. Auch in ihrem Verein herrscht während des zweiten Lockdowns erzwungene Ruhe. "Der Vorteil der kleineren Sportvereine sind die fast schon familiären Strukturen", sagt von Arciszewski. Es herrsche die Meinung vor, dass man den Verein auch jetzt nicht im Stich lassen dürfe.
Heilfroh, so die Präsidentin, sei der Vorstand darüber, dass er keine eigene Sportstätten habe. Die Idee habe es vor vielen Jahren gegeben. Was sie erwartet, sind jetzt schnell klare Vorgaben, wie und unter welchen Bedingungen Sport draußen möglich ist. "Mit dem Jahnstadion und der 'Mielke-Anlage' haben wir genug Platz."
Auch Dirk Ludewig, Erster Vorsitzender des TVG Drochtersen, kann sich nicht beklagen. Bei den Zahlen seiner rund 1.200 Mitglieder gab es keinen großen Einbruch. Lediglich Kündigungen durch Wegzug seien registriert worden. "Die Kehdinger halten zu ihren Vereinen", sagt Ludewig. Denn jeder wisse, wie wichtig sie für das gesellschaftliche Leben sind, das wolle niemand kaputt machen.
Das einzige Problem sei aber, dass der Wegzug nicht durch Neueintritte ausgeglichen werden könne. Zwar habe der Verein vieles auf Online-Angebote umgestellt und so gezeigt, dass er "am Leben ist", aber auch neue Kurse könnten Interessierte nicht in den Verein locken, erklärt er.
Der Vorsitzende setzt auf den Mehrstufenplan und hofft, dass um Ostern bzw. Pfingsten herum wieder Sport vor Ort angeboten werden kann. Aber er findet auch klare Worte für alle Miesepeter in der Sportwelt: "Es hilft nicht zu jammern und mit dem Finger auf die Politik zu zeigen. Die Vereine müssen auch selbst in Bewegung kommen und Angebote schaffen."
Ebenfalls einen Mitgliederschwund zu beklagen hat der TVV Neu Wulmstorf. Von bisher 2.950 Mitgliedern sank der Mitgliederbestand auf 2.710. Das entspricht etwa einem Mitgliederverlust von 8,1 Prozent. "Dabei sind die Kündigungen nicht erheblich mehr als in den Vorjahren, sondern uns fehlen schlichtweg die Neuaufnahmen, die die Abgänge bisher kompensiert haben", so Manfred Grabbert, Geschäftsführer und Schatzmeister beim TVV Neu Wulmstorf. Was bei der Betrachtung selten erwähnt werde, sei die Problematik, dass die Übungsleiter während des Lockdowns nicht bezahlt werden können. "Hier können wir nur hoffen, dass uns diese erhalten bleiben und bei Wiederaufnahme des Sportbetriebs genauso engagiert wieder zur Verfügung stehen." Besonders problematisch sei die Situation beim Eltern/Kind-Turnen. "Über dieses Angebot sind viele Kleinkinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr zum Sport gekommen und diese Zeit lässt sich ja auch nicht wieder aufholen", so Grabbert. Für das Jahr 2021 rechne der TVV Neu Wulmstorf aufgrund gesunkener Mitgliederzahlen mit einem Einnahmeverlust von über 20.000 Euro.
Jörg Schulze, Vorsitzender des MTV Salzhausen(Landkreis Harburg): "Mit seinem angenommenen Mitgliederschwund von 'nur' 3,7 Prozent trotz der nun schon einjährigen Corona-Pandemie liegt der Landessportbund falsch. Bei uns ist die Zahl der Mitglieder eher um zehn bis 15 Prozent zurückgegangen. Hatten wir vor zwei Jahren noch rund 2.000 Mitglieder, so sind es inzwischen unter 1.800. Neue Mitglieder treten derzeit nicht ein, auch weil wir keine Perspektiven bieten können, wann die Live-Aktivitäten wieder starten. Wir hoffen, dass etwa Neubürger und andere Interessierte, die gerne bei uns mitmachen würden, dies tun, wenn die Umstände es wieder zulassen. Die Kosten sind für uns keine große Belastung. Wir haben keine festen Mitarbeiter, sondern Honorarkräfte."
jd. Stade. Der VfL Stade ist mit rund 5.000 Mitgliedern der größte Sportverein im Landkreis und rangiert landesweit auf Platz zwölf. Den Brandbrief hat der VfL-Vorsitzende Carsten Brokelmann aber nicht mit unterzeichnet. Nicht etwa aus mangelnder Solidarität - aber: "Auf unseren Verein trifft die in dem Schreiben geschilderte wirtschaftliche Notlage einfach nicht zu", sagt Brokelmann. Bei allem Verständnis für die schwierige Situation der Betroffenen wäre es nicht fair gewesen, Forderungen zu unterstützen, die man selbst nicht guten Gewissens erheben könnte.
Von einem Mitgliederschwund könne keine Rede sein, so Brokelmann. "Unsere Mitgliederzahl ist seit Beginn der Pandemie lediglich um rund drei Prozent zurückgegangen." Aufgrund der nahezu konstanten Beitragseinnahmen gebe es kein größeres Loch in der Vereinskasse. Außerdem habe sich der VfL im Gegensatz zu anderen größeren Vereinen kein eigenes Fitnessstudio geleistet, für das Kredite abbezahlt werden. Daher müsse man sich auch keine Gedanken über wegbrechende Einnahmen aufgrund von Austritten in der Fitness-Sparte machen.
Auch die Bezahlung der Mitarbeiter sei gesichert, so Brokelmann. Statt Übungsleitern, die nur eine kleine Pauschale erhalten, habe der VfL überwiegend fest angestelltes Personal, das sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Diese Beschäftigten erhielten Kurzarbeitergeld, das der Verein auf 100 Prozent des Nettoverdienstes aufstocke. Größter Verein im Landkreis unterzeichnete den Brandbrief nicht
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.