Wieso junge Leute doch Bock auf Arbeit haben
Azubi-Speeddating verhilft Generation Z zum Traumjob

Anna-Lena Ulbrich und Thore Kierstein vertraten die Firma "Berry Superfos" beim Azubi-Speeddating | Foto: pm
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"Arbeit ist kein Ponyhof." Mit diesem Zitat machte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Agentur für Arbeit, kürzlich Schlagzeilen und zog damit den Missmut einer ganzen Generation auf sich. Was wollte die ehemalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales damit sagen? Etwa, dass junge Menschen nicht arbeiten wollen oder sie schlichtweg illusorische Vorstellung vom Arbeitsmarkt haben? Und wäre der Arbeitsmarkt als metaphorischer "Ponyhof" nicht eine wünschenswerte Vorstellung?

Sonja Tiedemann vom IHK und Andreas Küppe-Melzer von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade sind die Organisatoren des Azubi-Speeddatings | Foto: pm
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Dass die Generation Z jedoch durchaus gewillt ist zu arbeiten, zeigte sich in dieser Woche beim Azubi-Speeddating in Stade, auf der sich das WOCHENBLATT bei der Generation Z selbst umgehört hat. Rund 250 Interessierte, so viele wie nie zuvor, nutzten am Dienstagnachmittag ihre Chance, sich während des Azubi-Speeddatings den Unternehmen zu präsentieren und sich selbst über ihre Möglichkeiten zu informieren. Organisiert wird die etwas andere Art der Ausbildungsmesse gemeinsam von der IHK und Handwerkskammer. Das erklärte Ziel ist die Stärkung der Ausbildungsberufe sowie die Mittelstandsförderung, so Günter Neumann von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. "Es sind tolle junge Menschen, die sich hier präsentieren. Natürlich ist die Generation anders, aber es hilft uns nicht weiter nur die Unterschiede herauszuarbeiten", so Günter Neumann von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade.

Dirk Immken von der Industrie- und Handelskammer (li.) und Günter Neumann von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade freuen sich über das positive Feedback der Teilnehmer | Foto: pm
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Den 330 staatlich anerkannten Ausbildungsberufen stehen etwa 15.000 Studiengänge gegenüber. Die Messe solle dabei helfen zu zeigen, dass eine Ausbildung ebenso viel Zukunftspotenzial bietet, wie ein Studium - wenn nicht sogar mehr. "Wer eine Ausbildung macht, lernt etwas zu können", sagt Sonja Tiedemann von der IHK und betont damit, dass das duale System die Praxis in den Vordergrund stellt.

Isabell Mann sucht nach ihrer Lehre zur Bäckerin eine neue Ausbildung | Foto: pm
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"Ich arbeite gerne", sagt Isabell Mann. "Mir würde ohne die Arbeit schnell die Decke auf den Kopf fallen." Die 25-jährige Bäckerin aus Buxtehude sucht derzeit eine neue Ausbildung im Bereich Lebensmitteltechnik oder Lagerlogistik und nutzt das Azubi-Speeddating gerne. Verfahrensmechanikerin Anna-Lena Ulbrich und Industriemechaniker-Auszubildender Thore Kierstein von der Bremervörder Firma "Berry Superfos" sind überzeugt von der Messe als geeignetes Format, um die junge Generation für sich zu gewinnen. "Wir haben tolle Gespräche gehabt, ein Bewerber zeigte schon großes Interesse an einer Ausbildung bei uns", erzählt Anna-Lena Ulbrich. Doch auch ihr Unternehmen bekäme den Fachkräftemangel zu spüren, so seien in diesem Jahr noch keine Bewerbungen eingegangen. "Es ist gerade im handwerklichen Bereich schwer, Auszubildende zu finden. Man merkt aber auch, dass die, die Interesse zeigen, auch wirklich arbeiten wollen", erklärt Thore Kierstein. Das Azubi-Speeddating sei deshalb der optimale Weg, um sich einen ersten, direkten Eindruck zu verschaffen. Auch Kreativität sei vorhanden: Eine potenzielle Bewerberin: hinterließ Ulbrich und Kierstein ihren Lebenslauf in Form eines selbst gestalteten Flyers - das blieb im Gedächtnis.

Anna-Lena Ulbrich und Thore Kierstein vertraten die Firma "Berry Superfos" beim Azubi-Speeddating | Foto: pm
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Das sofortige Feedback und der einfache Informationsaustausch sind es, was die Ausbildungsplatzsuchende Yasmin Burmeister vom Azubi-Speeddating überzeugt. Die Staderin ist zielstrebig, weiß, was sie will. So wie viele junge Leute in ihrem Umfeld, erzählt sie. "Der Großteil meiner Freunde ist engagiert und fleißig und hängt sich auch in die Erfüllung der beruflichen Ziele rein." Die junge Frau erhofft sich von der Messe, einen kreativen Job zu finden. Ganz oben auf ihrer Liste stehen bislang der Beruf der Verkäuferin und der Friseurin. Weiter fände sie es toll, wenn Unternehmen sich intensiver auf den Social-Media-Plattformen vorstellen würden. "Da ist meine Generation unterwegs", so die 17-Jährige.

Yasmin Burmeister findet den Beruf der Verkäuferin oder der Friseurin interessant | Foto: pm
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Fachbereichsleiterin Susanne Poguntke und die Auszubildende zur Kauffrau für Büromanagement, Julia Stüben, vertraten auf der Messe die VHS Stade mit einem Stand. Dass sich die junge Generation verändert hat, weiß Susanne Poguntke: "Der Fokus hat sich verändert. Lebensqualität und Freizeit müssen heutzutage im Einklang mit der Arbeit stehen. Die Frage nach dem Sinn schwingt dabei auch immer mit." Anders als vor ein paar Jahrzehnten werde die Arbeit nicht mehr als Lebensinhalt gesehen. Vielmehr würden die jungen Leute auch jetzt das Leben genießen wollen. Die Work-Life-Balance werde bei der neuen Generation groß geschrieben.

Susanne Poguntke (li.) und Julia Stüben von der VHS Stade schätzen die fokussierte und schnelle Form des ersten Kennenlernens neuer potenzieller Bewerber | Foto: pm
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Auch für Unternehmen ist es daher wichtig, sich an die jungen Arbeitnehmer anzupassen: Nur so könne der Nachwuchs gesichert werden. Eine Möglichkeit dafür, so diskutierten Poguntke und Stüben bereits vor einiger Zeit, können etwa die Vier-Tage-Woche oder das Home-Office darstellen. "Flexibilität und Individualität sind extrem wichtig. Der Arbeitnehmer sollte vom Arbeitgeber auch in Hinblick auf seine Lebensumstände unterstützt werden", finden die VHS-Mitarbeiterinnen.
Der Arbeitsmarkt ist dabei, sich auf die jungen Leute einzustellen, nicht nur mit zielgruppengerechten Formaten wie dem Azubi-Speeddating. Auch Julien Mau aus Wischhafen empfindet die Veranstaltung als gute Möglichkeit, sich zu informieren, denn er selbst wisse noch nicht genau, wo es hingehen soll. Dass es junge Leute gibt, die keine Lust auf Arbeit haben, könne er sich schon vorstellen. "Am Anfang ist es für viele schwer, ihre Freizeit aufzugeben." Er selbst hat Lust auf einen Ausbildungsplatz, würde sich aber gleichzeitig auch etwas mehr Lockerheit innerhalb mancher Firmenstrukturen wünschen.

Julien Mau kam ohne Vorstellungen zum Azubi-Speeddating und lernte einige interessante Firmen kennen | Foto: pm
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Generation Z will arbeiten

"Die meisten Leute möchten arbeiten, aber viele wissen einfach nicht, was genau sie machen wollen", erklärt Besucher Fabian Gatz, der um die überwältigende Auswahl an Möglichkeiten weiß. Er selbst konnte sich schon einen Eindruck vom Arbeitsmarkt verschaffen und startet in diesem Jahr eine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen. Gemeinsam mit seinen Freunden umschauen wolle er sich trotzdem auf der Messe. Dass viele junge Menschen von etwas anderem träumen, als von einem "9 to 5"-Job könne er nachvollziehen, schließlich präsentieren diverse Social-Media-Stars ihr glamouröses Leben mit einfach verdientem Geld auf Plattformen wie YouTube oder Instagram. "Das ist aber einfach nicht realistisch", weiß der 20-Jährige einzuschätzen. Ihn und seine Freunde interessiert deshalb viel mehr, welche Möglichkeiten sich ihnen auf dem echten Arbeitsmarkt bieten. Auch Fabian Gatz erkennt bereits ein Entgegenkommen der Unternehmen in Richtung ihrer Auszubildenden. Das sei auch wichtig, um die jungen Menschen an sich zu binden. So sei das Azubi-Ticket in seiner zukünftigen Hamburger Firma mit inbegriffen - gerade im Angesicht der steigenden Spritkosten ein willkommenes Extra. Auch bei der Wohnungssuche unterstützen viele Unternehmen ihre Auszubildenden.

Die Freunde Fabian Gatz (v.li), Benjamin Pilipczuk, Emil Kasten und Tom Bjarne Pietsch nutzen die Ausbildungsmesse, um sich zu informieren | Foto: pm
  • Die Freunde Fabian Gatz (v.li), Benjamin Pilipczuk, Emil Kasten und Tom Bjarne Pietsch nutzen die Ausbildungsmesse, um sich zu informieren
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Wie das Azubi-Speeddating in Stade zeigte, hat die Generation Z durchaus Lust zu arbeiten. Doch klar ist auch, dass die Einstellung gegenüber und die Perspektive auf den Arbeitsmarkt sich längst verändert haben. Work-Life-Balance steht mehr im Fokus denn je, oder vielmehr lassen es die Möglichkeiten junger Menschen zu, diese zu priorisieren. Wandel ist das Stichwort: Arbeitgeber müssen dringend notwendige Schritte auf die Generation Z zugehen, denn der Arbeitsmarkt von heute ist ein anderer als der von vor 50 Jahren.

Redakteur:

Pauline Meyer aus Neu Wulmstorf

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