IHK-Rede: Alles hängt vom Gas ab
Ifo-Chef Clemens Fuest : Deutschland schaut auf Stade
Am Ende versprühte der Gastredner beim IHK-Empfang in Stade doch noch einen Funken Hoffnung: Clemens Fuest, Präsident des renommierten Ifo-Instituts prophezeite, dass die Elbe-Weser-Region zu den Gewinnern zählen werde, wenn es um den Umbau bei der Energieversorgung gehe. Das geplante LNG-Terminal in Stade ist nach seiner Ansicht ein wichtiger Baustein bei der jetzt notwendigen Diversifizierung der Gasversorgung und dem künftigen Umstieg auf klimaneutrale Energieträger wie Wasserstoff. "Deutschland schaut auf diese Stadt", erklärte Fuest - wohl wissend, dass in diesen Zeiten ein wenig übertriebenes Pathos bei den Zuhörern gut ankommt.
Zuvor hatte der Ökonomie-Professor aus München, der zu den einflussreichsten Wirtschaftsexperten in Deutschland zählt, wenig Hoffnungsvolles zu verkünden. Ob und wann sich die wirtschaftliche Lage verbessert oder alles womöglich noch schlimmer wird, vermag auch er nicht vorherzusagen. In Sachen Energiekosten gab er aber eine Prognose ab: Die Gaspreise würden sich verdreifachen. Fuest warnte aber davor, jetzt womöglich noch einen "Gas-Rabatt" einzuführen. Ohnehin dürften die Unternehmen keinen hohen Erwartungen an die Regierung stellen: "Die Politik kann die Wirtschaft nicht entlasten."
Fuest macht keinen Hehl daraus, dass er von breit gestreuten Maßnahmen wie dem Tankrabatt wenig hält. Davon würden hauptsächlich diejenigen profitieren, die viel verdienen, viel fahren und folglich auch viel tanken. Der Professor machte eine Rechnung auf: Menschen mit einem Nettoverdienst bis zu 1.300 Euro hätten jetzt monatlich knapp 40 Euro Benzinkosten, wer aber 5.000 Euro verdiene, tanke für 250 Euro im Monat. Dem Geringverdiener würde der Rabatt 6 Euro Entlastung bringen, dem Gutverdiener 30 Euro. "Es stellt sich die Frage, ob jemand mit hohem Einkommen diese Einlastung wirklich benötigt", meint Fuest. Dass Deutschland dafür jeden Monat eine Milliarde Euro aufbringe, sehe er kritisch.
Aufgabe der Politik könne es allenfalls sein, die finanziellen Belastungen innerhalb der Bevölkerung umzuverteilen, um einkommensschwächere Gruppen zu unterstützen, so der Ifo-Chef: "Menschen, die etwa wegen steigender Heizkosten in Not geraten, gezielt helfen: ja - für eine Entlastung aller Bürger sorgen: nein." Wer mehr verdiene, müsse künftig in zweifacher Hinsicht mehr zahlen: zum einen wegen der höheren Energiepreise, zum anderen, um über zusätzliche Abgaben die Ärmeren in der Gesellschaft zu unterstützen. Auch die breite Mittelschicht werde die Inflation treffen - aber: "Die verdient gerade mal so viel, dass der Staat nicht helfen kann."
In welche Höhen sich die Inflationsrate, die über sieben Prozent liegt, noch schrauben wird, vermag auch der Wirtschaftsfachmann nicht vorherzusagen. "Die konjunkturelle Entwicklung hängt vor allem davon ab, ob und wie viel russisches Gas noch im Winter geliefert wird." Die Situation sei vergleichbar mit der Ölkrise in den 1970er Jahren. Seitdem sei die Inflation nicht mehr so hoch gewesen wie jetzt. Dabei sei inzwischen nicht mehr nur die Energie der Preistreiber. "Die Inflation breitet sich auf alle Bereiche aus." Mittlerweile seien die Preise für 75 Prozent aller Waren und Dienstleistungen zum Teil deutlich gestiegen.
Ein Ende der Preiserhöhungen sei nicht in Sicht, so Fuest. Die Erzeugerpreise seien binnen eines Jahres um 40 Prozent in die Höhe geschnellt. "Es besteht ein enormer Druck bei den Unternehmen, diese Kostensteigerung weiterzugeben und ihrerseits die Preise deutlich anzuheben."
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