Die Krise in der Luftfahrt hat auch Auswirkungen auf Betriebe in der Region
Mit Airbus geraten womöglich auch die Zulieferer im Landkreis Stade ins Trudeln

Wann die Krise vorbei ist und Airbus wieder zu wirtschaftlichen Höhenflügen abheben kann, ist völlig ungewiss. Die Zukunft vieler Zulieferer ist jedenfalls gefährdet  | Foto: Airbus-Bockfilm-Bengt Lange
  • Wann die Krise vorbei ist und Airbus wieder zu wirtschaftlichen Höhenflügen abheben kann, ist völlig ungewiss. Die Zukunft vieler Zulieferer ist jedenfalls gefährdet
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(jd). Die Luftfahrtbranche liegt buchstäblich am Boden. Einige Airlines haben ihren Betrieb wegen der Corona-Beschränkungen komplett eingestellt. An einen regulären Linienverkehr in einem Ausmaß wie vor Beginn der Pandemie wird mittelfristig nicht zu denken sein. Das trifft auch den Flugzeugbauer Airbus hart. So sprach Airbus-Chef Guillaume Faury kürzlich von der "schwersten Krise, die die Luftfahrt-industrie je erlebt hat". Der Luftfahrt-Konzern ist wirtschaftlich ins Trudeln geraten, und mit ihm die zahlreichen Zulieferer - auch hier in der Region.

Die Folgen von Corona waren für Airbus schon im ersten Quartal 2020 beträchtlich. Der Konzern machte einen Verlust von fast einer halben Milliarde Euro und 60 Maschinen konnten wegen der Pandemie nicht ausgeliefert werden. Binnen weniger Wochen habe Airbus ein Drittel seines Geschäfts verloren, so Faury. In entsprechender Höhe wurden die Produktionsraten gedrosselt.

"Im Airbus-Werk Finkenwerder sind einige Abteilungen bereits in Kurzarbeit, die Endmontagelinie der A320-Familie läuft weiter", erklärt Airbus-Sprecher Daniel Werdung auf WOCHENBLATT-Nachfrage. In Buxtehude werde bis Mitte Mai in Kurzarbeit gearbeitet und in Stade pausiere derzeit die Produktion in den Bereichen A330 und A350 VTP, der Rest des Werkes arbeite in einer Drei-Tage Woche, so Werdung, der zur Zahl der in Kurzarbeit befindlichen Beschäftigten keine Angaben machen wollte. Bekannt wurde aber, dass an den Airbus-Standorten im Norden bereits rund 1.000 Leiharbeiter gehen mussten.

Die heruntergefahrene Airbus-Produktion hat natürlich auch direkte Auswirkungen auf die Zulieferer. Allein am Stader Standort sind es nach Angaben des städtischen Wirtschaftsförderers Thomas Friedrichs rund 25 Firmen, die zu den Airbus -Zulieferern und Dienstleistern zählen, angefangen vom mittelständischen Familienunternehmen bis hin zur Niederlassung weltweit agierender Konzerne - wie der Firma Hexcel. Der Ableger eines US-amerikanischen Unternehmens hat sich auf CFK-Werkstoffe, also Materialien aus Kohlefaser-Verbundstoffen, spezialisiert, aus denen vor allem Flugzeugrümpfe, Flügel und Leitwerke hergestellt werden.

Hexcel profitierte immens von der bisherigen Airbus-Erfolgsstory. In Stade fing man vor Jahren mit vier Beschäftigten an. Laut Friedrichs ist Hexcel mit rund 140 Mitarbeitern der größte Airbus-Zulieferer in Stade. Das ist im Vergleich zu der Gesamtzahl von mehr als 15.000 Airbus-Mitarbeitern in den drei Werken der Region (ohne Leiharbeiter) verhältnismäßig wenig, doch rechnet man alle Zulieferer im südlichen Hamburger Umland zusammen, wird man wohl auch auf eine Beschäftigtenzahl im mittleren vierstelligen Bereich kommen.

Auch viele Beschäftigte bei diesen Unternehmen werden im Zuge des Produktionsrückgangs bei Airbus von Kurzarbeit betroffen sein oder sind es bereits.

Entsprechend schlecht sei die Stimmung bei den Zulieferbetrieben in der Region, erklärt Lukas Kaestner von Hamburg Avation auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Hamburg Aviation steht als Verbund von Akteuren der Luftfahrtbranche, Hochschulen und Verbänden in der Metropolregion Hamburg eng mit den Mitgliedsunternehmen im Austausch. "Neun von zehn Unternehmen in der Zulieferkette erwarten durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie schwerwiegende bis existenzbedrohende Folgen", sagt Kaestner. "Das ist dramatisch!"

Die betroffenen Betriebe selbst wollen sich zu ihrer aktuellen Situation nicht äußern. Anfragen des WOCHENBLATT bei mehreren Firmen in Stade und Buxtehude blieben unbeantwortet. Für manche von ihnen dürfte aber die Aussage des Geschäftsführers der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, Volker Thum, zutreffen. Er warnt davor, dass gerade kleinere Zulieferer pleite gehen könnten, wenn Airbus nicht zumindest die Hälfte des Produktionsumfangs aus Vor-Corona-Zeiten aufrechterhalte.

In dem Online-Luftfahrtmagazin "FlightGlobal" zeichnet Thum eine düstere Perspektive: "Wenn wir kein Mindestmaß an Lieferungen für Airbus garantieren können, wird ein kompletter Industriezweig kollabieren."

68 Prozent der Zulieferbetriebe erwarten finanzielle Engpässe

Mehr als ein Viertel aller Zulieferbetriebe der deutschen Luftfahrtindustrie sehen ihre Existenz als Folge der Corona-Krise bedroht. Immerhin fast drei Viertel der Unternehmen rechnen mit weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Das hat eine Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) von Mitte April ergeben.

63 Prozent der befragten Unternehmen erklärten, bereits von den Folgen der Krise betroffen zu sein. Fast 90 Prozent schätzten ihre wirtschaftliche Situation vor Ausbruch der Pandemie als gesund bis sehr gesund ein, doch jetzt erwarten 68 Prozent Liquiditätsengpässe. Um die Folgen abzumildern, ist bei 73 Prozent der Zulieferbetriebe bereits Kurzarbeit eingeführt oder geplant.

Laut Lukas Kaestner von Hamburg Aviation sind diese bundesweiten Umfrage-Ergebnisse auf die Region rund um die Airbus-Standorte in Finkenwerder und im Landkreis Stade übertragbar. Man habe eine gesonderte Auswertung der Zahlen für Norddeutschland angefordert und dabei keine relevanten Abweichungen festgestellt, so Kaestner: "Die Zahlen der BDLI-Umfrage repräsentieren daher auch das Stimmungsbild der norddeutschen Luftfahrtindustrie."

Airbus baut neue Halle für A321XLR
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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