Neue Wege in der Pflege
Reform der Pflegeausbildung: Wie zwei Experten aus der Region die Situation beurteilen
sb. Stade. Der Bundestag hat eine Reform der Pflegeausbildung beschlossen. Das neue Gesetz soll 2020 in Kraft treten. Danach sollen angehende Pflegefachkräfte die ersten beiden Jahre gemeinsam lernen und sich im dritten Ausbildungsjahr auf Wunsch im Bereich Altenpflege oder Kinderkrankenpflege spezialisieren. Das WOCHENBLATT sprach mit Michael Träger, Schulleiter der Schule für Gesundheits- und Kranken- bzw. Kinderkrankenpflege am Elbe Klinikum Stade, sowie mit Uwe Lütjen, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Kreisverband Stade, über die Zukunft der Pflegeausbildung.
WOCHENBLATT: Für Sie als Ausbildungsbetriebe bedeutet die Reform Umstrukturierung und Neuorganisation. Welche Aufgaben kommen da auf Sie zu?
Michael Träger: Da die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zur Reform noch nicht vorliegt, sind zurzeit Aussagen und Handlungen nur begrenzt möglich. Voraussichtlich wird es vier berufliche Qualifizierungswege geben: Altenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Pflegefachmann bzw. -frau und Pflegefachmann bzw. -frau mit akademischem Grad. Die Spezialisierung erfolgt im letzten Ausbildungsdrittel.
Die Elbe Kliniken sind an allen Qualifizierungswegen interessiert. Der Schwerpukt wird weiterhin im Bereich der akuten Versorgung von Erwachsenen und Kindern liegen. Aber auch der Bereich Altenpflege ist hinsichtlich des Bereichs Geriatrie von Interesse.
Uwe Lütjen: Exakte Aussagen bezüglich des genauen Ausbildungsablaufs kann auch der DRK-Kreisverband Stade noch nicht machen. Es gilt zunächst, die Vorgaben des Gesetzgebers abzuwarten. Wir werden jedoch auch weiterhin Fachkräfte in der Altenpflege ausbilden.
WOCHENBLATT: Welche Vor- und Nachteile bietet Ihrer Ansicht nach die Reform?
Uwe Lütjen: Die Auszubildenden haben den Vorteil, dass sie nach der Ausbildung bessere Wahlmöglichkeiten im Berufsleben haben. Nachteile haben die Ausbildungsbetriebe. Wir befürchten, dass spezielle Ausbildungsinhalte der Altenhilfe auf der Strecke bleiben, z.B. der Umgang mit Demenz. Die zukünftigen Fachkräfte in der Altenpflege hätten mehr medizinisches Know-How, aber weniger individuelle Pflegekenntnisse.
Zudem wird die Bindung der Azubis an die Ausbildungsstätte durch die Reform erschwert. Für die Pflegeheime wird es noch schwieriger werden, Personal zu bekommen und zu halten.
Michael Träger: Insbesondere in der Altenpflege kann die Vereinheitlichung der Ausbildung Unterschiede zunehmend einebnen. Dazu gehören die Abschaffung des Schulgelds sowie unterschiedliche berufliche Rahmenbedingungen.
Für den Arbeitgeber wird der Einsatz von Pflegefachpersonal theoretisch universeller möglich. Allerdings: Wie entscheidend eine Spezialisierung in der Ausbildung ist, ist sehr umstritten. Die Diskussion darüber ist meiner Ansicht nach teilweise berufspolitisch und wirtschaftlich motiviert.
WOCHENBLATT: Macht die Reform den Pflegeberuf wirklich attraktiver?
Michael Träger: Die Attraktivität des Pflegeberufs wird sicherlich von mehreren Aspekten bestimmt. Ich sehe den Weg in die Generalistik als sinnvoll an, wenn dadurch auch die Anerkennung des Berufs gefördert wird. Letztlich ist die Attraktivität des Pflegeberufs stark von den Rahmenbedingungen abhängig. Die aktuelle personelle Anspannungssituation führt derzeit dazu, dass das Fachpersonal nicht so arbeiten kann, wie es nach berufsständiger, ethischer und persönlicher Auffassung pflegen möchte.
Uwe Lütjen: Ich stimme in diesem Punkt Michael Träger zu. Die Pflegesituation muss verbessert werden, um den Beruf attraktiver zu machen. Meiner Ansicht nach kann dem Fachkräftemangel jedoch nur durch bessere Bezahlung der Pflegekräfte und einer Erhöhung des Personalschlüssels entgegen gewirkt werden.
WOCHENBLATT: Was macht Ihrer Ansicht nach den Pflegeberuf zu einem Traumberuf?
Uwe Lütjen: Der Pflegeberuf ist ein vielseitiges Arbeitsgebiet. Die Arbeit mit Menschen ist äußerst intensiv. Die Pflegekräfte genießen die Dankbarkeit der Senioren und die Wertschätzung durch die Angehörigen.
Unsere Azubis finden wir häufig in ehemaligen Berufspraktikanten und Helfern im Freiwilligen Sozialen Jahr. Durch das Hineinschnuppern in die Pflege entscheiden sich viele bewusst für den Beruf in der Altenpflege.
Michael Träger: In Bewerbungsgesprächen sagen viele, dass sie Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen wollen. Sowohl der einsetzende Genesungsprozess als auch die Dankbarkeit der Menschen ist für sie eine starke Motivation. Zudem ist der Pflegeberuf abwechslungsreich und verantwortungsvoll. Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Berufsgruppen in einem Team macht für mich einen Teil des Traumberufs aus. Und die Karriereoptionen nach der Ausbildung sind sehr gut.
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