Ex-Dow-Manager als Retter in der Not
Seine große Aufgabe: Zukunft des Chemiestandortes Stade sichern
Diesen "Engel" schickt nicht der Himmel, dennoch ruhen auf ihm viele Hoffnungen als Retter in der Not: Der ehemalige Dow-Manager Stephan Engel ist seit Anfang des Jahres für die Weiterentwicklung des Chemie- und Industriestandortes Stade zuständig. Bei Engels neuem Job als Projektkoordinator für die Wirtschaftsförderungs-GmbH des Landkreises Stade geht es nicht nur um den Entwurf von Zukunftsperspektiven, sondern auch darum, dass die hiesigen Unternehmen die derzeitige Wirtschaftskrise weitgehend unbeschadet überstehen. Dafür soll Engel ein Standortsicherungskonzept erstellen.
33 Jahre für die Dow tätig
"Ich setze mich bei meiner neuen Aufgabe für die Region ein", betont Engel. Denn das Bützflether Industriegebiet mit seinen Betrieben sei für den gesamten Landkreis von großer Bedeutung - allein schon wegen der vielen Tausenden Arbeitsplätze sowohl bei den Chemieunternehmen selbst als auch bei den Zulieferfirmen und Dienstleistern. Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Betriebe müsse erhalten und gestärkt werden, so der 58-jährige Diplom-Ingenieur, der rund 33 Jahre für die Dow in Stade tätig war und dort leitende Positionen wie den Geschäftsführer-Posten bekleidet hat. Mit den Gegebenheiten vor Ort ist Engel daher bestens vertraut. Zudem weiß er, wie die Chemiebranche "tickt", und kann auf ein weitgefächertes berufliches Netzwerk zurückgreifen.
Situation der Chemiebranche hat sich leicht gebessert
Die aktuelle Lage will Engel gar nicht schönreden: Die Chemiebranche hat in den vergangenen zwei Jahren wie alle energieintensiven Industriezweige unter den extrem gestiegenen Preisen für Strom und Gas gestöhnt. Wegen der hohen Produktionskosten hierzulande waren die Unternehmen auf dem Weltmarkt kaum noch konkurrenzfähig und konnten mit den günstigen Preisen etwa von Anbietern aus China nicht mithalten. Die Situation sei aber inzwischen "besser als in den schlimmsten Zeiten", so Engel. Es gebe eine Teilerholung, weil sich die Energiemärkte ein wenig entspannt hätten, doch ein großes Problem sei die niedrige Nachfrage. Um Überkapazitäten bei Chemieerzeugnissen zu vermeiden, hätten viele Firmen ihre Produktion entsprechend gedrosselt.
Potenzial des Standortes Stade ausschöpfen
Aus dieser Ausgangsposition heraus will Engel im Austausch mit allen relevanten Akteuren - dazu zählen Betriebsräte, Geschäftsführungen genauso wie IHK, Politik und Behörden - Ideen für kreative und wettbewerbsfähige Lösungen zu skizzieren. Es geht darum, das volle Potenzial dieses Standortes auszuschöpfen und gemeinsam ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln, das sich auch umsetzen lässt. Ziel ist es, nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern den Chemiestandort Stade weiterzuentwickeln - in Hinblick auf die Energiewende und den damit erforderlichen Umstellungen in den Produktionsanlagen, aber auch hinsichtlich der Ausschöpfung der Potenziale, die Stade als künftige Energiedrehscheibe für Deutschlands Norden bieten kann. Da es keine Blaupause für ein solches Konzept gibt, besteht für Engel hier ein großer Gestaltungsfreiraum.
Land hat Bedeutung des Themas erkannt
Diese Möglichkeit, in alle Richtungen zu denken, begrüßt auch der Chef der Wirtschaftsförderung des Landkreises, Matthias Reichert. Er freut sich, mit Engel einen Experten mit hoher fachlicher Kompetenz gefunden zu haben, der hervorragend vernetzt ist und sich in der Region bestens auskennt. Das Projekt sei auf drei Jahre angelegt und werde zu 90 Prozent vom Land sowie zu zehn Prozent vom Landkreis finanziert, so Reichert. "Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat schnell die Bedeutung dieses Themas erkannt", erklärt der Vizechef im Stader Kreishaus, der Erste Kreisrat Thorsten Heinze. Im April 2023 seien die Akteure aus der Region im Ministerium vorstellig geworden und innerhalb weniger Monate habe man das Vorhaben dann an den Start bringen können. "Hier haben alle Beteiligten in die Hände gespuckt und zügig losgelegt", so Heinze. Hervorzuheben sei die positive Einstellung der Landkreis-Bevölkerung gegenüber der Industrie. "Die Menschen wissen um deren volkswirtschaftliche Bedeutung für die Region."
Gespräche mit allen Beteiligten
Diesen Fakt hebt auch Engel hervor. Zudem stehe das Stader Industriegebiet mit seiner vorhandenen Infrastruktur wie den Hafenanlagen und dem Anschluss an das deutsche Gas- und Starkstromnetz bereits auf einer soliden Basis, meint Engel. Darauf müsse mit dem Konzept aufgebaut werden, wobei festzulegen sei, welche Maßnahmen kurz-, mittel- oder langfristig umzusetzen sind. Zudem sieht der Projektkoordinator weiteres Flächenpotenzial für die Ansiedlung neuer Firmen - etwa jenseits der Schwinge, wo derzeit noch das ehemalige AKW zurückgebaut wird. Konkrete Vorhaben kann Engel nur wenige Wochen, nachdem er seine neue Tätigkeit aufgenommen hat, verständlicherweise noch nicht benennen. "Zunächst geht es mir um Erkenntniszuwachs. Dafür führe derzeit mit allen Beteiligten Gespräche."
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