Auch Männer werden Opfer häuslicher Gewalt
(bim). Für die meisten Betroffenen ist häusliche Gewalt ein Tabuthema, ganz besonders für Männer. Auch das sogenannte "starke Geschlecht" wird in Parnerschaften bedroht, unterdrückt oder geschlagen. Wo finden Männer Hilfe? Darüber machte sich Maren Altmann, hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Samtgemeinde Tostedt, Gedanken, als sie den "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" (25. November) vorbereitete und dafür die aktuelle Statistik des Bundeskriminalamtes (BKS) auswertete.
Auch wenn im Jahr 2015 mit 127.457 (82 Prozent) überwiegend Frauen Opfer häuslicher Gewalt in Partnerschaften wurden, waren immerhin 23.457 (18 Prozent) Männer davon betroffen. Allerdings sind nur die Zahlen registriert, in denen die Übergriffe bei der Polizei angezeigt wurden. Laut BKA-Statistik für 2016 ist das Opfer-Verhältnis mit 81,9 Prozent Frauen und 18,1 Prozent Männern nahezu gleichbleibend, obwohl die Zahl der Gesamtopfer von 127.457 auf 133.080 gestiegen ist.
• Schutzhäuser: Dass es Frauenhäuser gibt - deutschlandweit sind es 350 -, ist allgemein bekannt. Tatsächlich gibt es auch Männerschutzhäuser - allerdings wenige und derzeit nur in Oldenburg, Berlin, Leipzig und Dresden.
• Hilfetelefon: Es gibt ein anonymes Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen". Um eine Entsprechung für Männer zu erreichen, hatte das Männerberatungsnetzwerk mit Sitz in Berlin im April dieses Jahres eine Petition im Bundestag eingereicht, die allerdings am nötigen Quorum von 50.000 Mitunterzeichnern scheiterte.
• Beratung: "Für Männer gibt es kaum Beratungsstellen und wenn doch, beziehen sie sich oft auf Männer als Täter", berichtet Maren Altmann. Die bei der Diakonie angesiedelte Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS) wird aus einem Topf für Frauenunterstützungseinrichtungen finanziert und ist eigentlich eine Beratungsstelle für weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, die eng mit der Polizei kooperiert. Durchschnittlich werden der BISS des Diakonischen Werks der Kirchenkreise Hittfeld und Winsen 250 Fälle weiblicher Opfer gemeldet, Tendenz steigend. "Aus technischen Gründen meldet die Polizei aber auch die männlichen Opfer bei der BISS, die ca. zehn Prozent der Gesamtopfer ausmachen", berichtet Dörte Heien. Allerdings handele es sich in diesen Fällen zum Großteil um wechselseitige Gewalt, z.B. durch Abwehrreaktionen der Frau. "Es gibt bisher leider keine repräsentative Studie zu den tatsächlichen männlichen Opferzahlen. Studien zeigen, dass Männer schwere und folgenreiche Formen körperlicher Gewalt überwiegend durch andere Männer im außerhäuslichen Bereich erleben. In Paarbeziehungen erleiden Männer eher psychische Gewalt durch ihre Partnerin als körperliche Gewalt", erklärt Dörte Heien.
• Opferhilfe: Bei der Opferhilfe-Organisation "Weisser Ring", Landkreis Harburg, melde sich maximal eine männliche Person pro Jahr als Opfer, berichtet Karl-Heinz Langner, Außenstellenleiter Landkreis Harburg und Beauftragter für Prävention im Landesverband Niedersachsen. "In erster Linie sind es Stalking-Erfahrungen vor und nach der Trennung. In seltenen Fällen auch körperliche Repressalien", so Langner.
"Die Frage, ob die Hemmschwelle bei Männern höher ist, bei Gewalt-Erfahrungen Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann eindeutig mit Ja beantwortet werden. Ich denke, es ist immer noch die Einstellung, dass Männer das stärkere Geschlecht sind und keine Schwächen haben bzw. sie nicht zeigen dürfen. Schon gar nicht im Sinne körperlicher Unterlegenheit gegenüber einer Frau", erläutert er auf WOCHENBLATT-Nachfrage.
Bei den Mitarbeitern der Außenstelle Stade des "Weissen Ring" seien bisher noch keine männlichen Opfer von häuslicher Gewalt betreut worden. "Wir sind jedoch für solche möglichen Fälle ausgebildet", erklärt Außenstellenleiter Peter-Michael Reiß.
Neben dem "Weissen Ring" gibt es in Niedersachsen seit September 2001 die vom damaligen niedersächsischen Justizminister gegründeten Opferhilfebüros, an die sich auch männliche Opfer wenden können. Eines davon ist am Landgericht Stade angesiedelt. Infos unter www.opferhilfe.niedersachsen.de.
• Ein bundesweites kostenloses Opfer-Telefon ist erreichbar unter Tel. 116 006. Infos zu Beratungs- und Hilfsangeboten gibt es u.a. unter www.maennerberatungsnetz.de oder www.probeweis.de.
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