Aufnahme von Flüchtlingen - Superintendent fordert: „Jetzt helfen statt lange debattieren“
bim. Tostedt. 1.081 Asylbewerber leben derzeit im Landkreis Harburg. Und der Kreis rechnet damit, dass bis Ende 2015 rund 2.200 neue Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Eine Mammut-Aufgabe, bei der nicht nur die Behörden, sondern auch die ehrenamtlichen Unterstützer an ihre Grenzen stoßen. "Die Menschen aus den Kriegs- und Krisengebieten sind da. Es bleibt keine Zeit, lange strukturelle Debatten zu führen, bis Bund, Land und Landkreis sich über Verfahrenswege verständigt haben", sagte jetzt Dirk Jäger, Superintendent des Kirchenkreises Hittfeld.
Er war im Rahmen seiner alle sechs Jahre stattfindenden Visitation zu Besuch im "Internationalen Café" in Tostedt, in dem sich Flüchtlinge mit Ehrenamtlichen austauschen, die deutsche Sprache erlernen und bestmögliche Unterstützung bei Behördengängen bekommen. Doch was, wenn die Behörden selbst nicht wissen, wie mit den Asylbewerbern umzugehen ist und wer zu zahlen hat?
Das Problem gab es jetzt im Falle von Sait Usi. Er ist einer der ersten syrischen Flüchtlinge, der nun in Tostedt einen Aufenthaltsstatus bekommen hat, der ihn berechtigt, das deutsche Asylrechtsverfahren zu durchlaufen. Usi war vor acht Monaten über die Türkei geflüchtet und durfte nun seine Frau und seine fünf Kinder nach Deutschland holen. Es habe ein "Zuständigkeitswirrwarr" beim Übergang vom Landkreis auf die Versorgung durch die Arbeitsagentur gegeben, berichtet Pastor Gerald Meier. "Die Arbeitsagentur war überfordert, weil es für diese Fälle keine Verzahnung mit der Ausländerbehörde gibt", so die Erfahrung von Flüchtlingsbegleiterin Renate Kruse.
Pro Flüchtlingsunterkunft gibt es eine Heimleitung sowie - je nach Größe - zusätzlich einen Sozialarbeiter mit einer halben bzw. ganzen Stelle, die der Landkreis zahlt. Außerdem hat das Diakonische Werk zwei Flüchtlingsberater. "Im ganzen Landkreis und Kirchenkreis gibt es aber einen höheren Bedarf an Sozialarbeitern, auch für die Beratung und Begleitung der ehrenamtlichen Unterstützer", sagte der Superintendent.
Von den 116 Asylbewerbern in Tostedt seien ein Großteil Syrer und Eritreer. Außerdem kommen die Flüchtlinge u.a. aus dem Südsudan, Ghana, Elfenbeinküste, Marokko und Algerien, erläuterte Pastor Gerald Meier.
Dass es dabei durchaus zu Konflikten kommen kann, sei nur verständlich. "Warum sollten Leute, die selbst schon Probleme mitbringen, plötzlich Ideal-Menschen sein?", so Dirk Jäger. Daher sei eine soziale Betreuung wichtig. "Das können der Landkreis, die Kommunen und Ehrenamtlichen nicht alleine bewältigen", sagte Jäger. "Die Ehrenamtlichen dürfen nicht das Gefühl haben, sie drehen sich im Hamsterrad", so Jäger. Diakonie und Kirchenkreis könnten ihnen hilfreich zur Seite stehen. Dennoch müssten die Unterstützergruppen dringen weitere Beratungsanlaufstellen haben.
Die Integration von teilweise mehrfach traumatisierten Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Wenn viele Unterstützer da sind und die Problematik gemeinschaftlich angehen, dann sollte eine soziale Begleitung und ein Eintreten für Menschenwürde im Verfahren gelingen", ist Jäger überzeugt. "Wir wollen eine Zuwendungskultur, die den Namen auch verdient."
Um den Flüchtlingen zu helfen, sind nach wie vor Spenden, u.a. für Deutschbücher oder Fahrkarten, erforderlich. "Jetzt geht es auch um die Vorbereitung auf den Winter. Die Flüchtlinge müssen die Möglichkeit haben, sich warm einzukleiden", so Pastor Gerald Meier. Kleiderspenden können im DRK-Kaufhaus "Fundus", Bahnhofstraße 24, abgegeben werden.
Weitere Spenden werden auf folgendem Konto angenommen: Verein zur Förderung von Zivilcourage e.V., IBAN: DE 40 2075 0000 0090 3635 99, BIC: NOLADE21HAM, Betreff: Flüchtlingshilfe Tostedt.
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