Bundesverkehrsministerium lässt "nachrüsten"
Beplankung an Bundesstraßen wirft Fragen auf
(bim). "Was soll das? Die Leitplanken verschandeln die Landschaft" oder "Das ist Steuergeldverschwendung!" sind nur einige Aussagen, mit denen sich immer wieder Leser an das WOCHENBLATT wenden, seit die Landesstraßenbaubehörde entlang der Bundesstraßen, u.a. der B75 und der B3, Leitplanken anbringen lässt. Die Beplankung soll laut den zuständigen Behörden an "unfallauffälligen Streckenabschnitten", an denen "der kritische Abstand der Bäume zur Fahrbahn 4,50 Meter und weniger beträgt", für Sicherheit sorgen. Das WOCHENBLATT fragte beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nach.
Diese Maßnahmen seien Teil des seit 2017 laufenden bundesweiten Programms zur „Nachrüstung von passiven Schutzeinrichtungen im Bestandsnetz der Bundesstraßen“, wie es im Amtsdeutsch heißt.
Das BMVI verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel der „Vision Zero“, d.h. keine Toten im Straßenverkehr. Das soll u.a. erreicht werden durch Verkehrssicherheitsmaßnahmen wie die „Aktion Abbiegeassistent“, die Kampagne „Helme retten Leben“, die Novelle der Straßenverkehrsordnung oder eben die Leitplanken.
Nach Unfällen mit dem Gegenverkehr seien Baumunfälle die zweithäufigste Todesursache auf Landstraßen. "Aufgrund der Unnachgiebigkeit eines Baumes und der hohen Bewegungsenergie fallen die Unfallfolgen bei einer Kollision mit einem Baum überdurchschnittlich schwer aus. So kann bereits mit 50 km/h ein Aufprall auf einen Baum für die Fahrzeuginsassen tödliche Verletzungen zur Folge haben", teilt die Pressestelle des BMVI mit. Stahlschutzplanken würden sich hingegen bei einem Fahrzeuganprall verformen, so die Anprall-energie abbauen und die Folgen verringern. "Selbst wenn in einzelnen Fällen ein Fahrzeug nach einem Anprall an eine Schutzeinrichtung wieder auf die Fahrbahn geraten sollte, ist somit ein großer Teil der Anprallenergie bereits von der Schutzeinrichtung absorbiert worden", heißt es.
Eine Antwort darauf, welche Untersuchungen dieser Aussage zugrunde liegen, gibt es nicht. Auch nicht darauf, ob die Gefahr, die ein auf die Fahrbahn zurückgeschleuderter Unfallfahrer verursacht, nicht größer ist als ein Aufprall an einem Baum.
Im "Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2016/2017" des BMVI findet sich nur der Hinweis, dass die Verkehrsministerkonferenz sich mit Beschluss vom April 2016 zu dem Ziel bekennt, die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken. Seit dem Jahr 2017 gibt es daher auf Vereinbarung des BMVI mit den Ländern das "präventive Nachrüstprogramm für Schutzeinrichtungen an Bundesfernstraßen", um die Folgen von Unfällen mit einem seitlichen Hindernis zu verringern.
Interessant ist auch die offenbar unterschiedliche Arbeitsweise der beauftragten Firmen: Während an Teilen der B3 einzelne Bäume von kurzen Leitplanken "ummantelt" werden, werden in anderen Bereichen sogar die Zugänge zu Bushaltestellen "beplankt".
Auszüge aus der Bundes-Unfallstatistik 2019
Laut der jüngst in Wiesbaden vorgestellten Verkehrsunfallstatistik starben im Jahr 2019 in Deutschland 3.046 Menschen (7 Prozent oder 229 Menschen weniger als im Vorjahr) bei Straßenverkehrsunfällen - das sei der niedrigste Stand seit mehr als 60 Jahren. Und das obwohl die Polizei mit 2,7 Millionen Verkehrsunfällen auf deutschen Straßen so viele wie noch nie seit 1991 zählte. Bei rund 11 Prozent der Unfälle wurde ein Mensch getötet oder verletzt.
Die meisten Unfälle mit Personenschaden ereigneten sich innerhalb von Ortschaften (69,2 Prozent, davon 30,6 Prozent Getötete). Die meisten Verkehrstoten habe es auf Landstraßen gegeben - 57,7 Prozent, davon jeder vierte Unfall mit Personenschaden (24,2 Prozent). Auf Autobahnen seien 6,7 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden und 11,7 Prozent aller Getöteten gezählt worden.
Unfälle auf Autobahnen und Landstraßen hätten u.a. wegen der höheren Fahrgeschwindigkeiten häufig schlimmere Folgen. Auf Landstraßen gebe es zudem risikoerhöhende Faktoren wie die fehlende Trennung des Gegenverkehrs, schlechte Überholmöglichkeiten, Kreuzungen oder ungeschützte Hindernisse wie Bäume neben der Fahrbahn. Leitplanken in Niedersachsen Nach Auskunft des Landes Niedersachsen sollen landesweit bis Ende 2020 rund 280 Kilometer Bundesstraßen mit den sogenannten passiven Schutzeinrichtungen nachgerüstet sein. Die Kosten dafür betragen rund 15,8 Millionen Euro.
Im Landkreis Harburg wurden von April bis jetzt an der B3 zwischen Rade und Bachheide sowie zwischen Handeloh-Höckel und Buchholz-Sprötze und entlang der B75 zwischen der Ortsdurchfahrt Tostedt und dem Knotenpunkt Trelder Berg Leitplanken gebaut. Die Kosten dafür: rund 630.000 Euro.
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