Ehe für alle: Zwei Paare aus der Region gehörten zu den ersten im Landkreis Harburg, die sich trauten

Nick Mondry-Ritter (li.) und Carsten Ritter bei ihrer sogenannten "Verpartnerung", die für sie ihre Hochzeit war | Foto: privat
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  • Nick Mondry-Ritter (li.) und Carsten Ritter bei ihrer sogenannten "Verpartnerung", die für sie ihre Hochzeit war
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„Wir wollen zusammen glücklich alt werden wie andere Paare auch“

(bim). „In Tostedt waren wir die ersten, die geheiratet haben. Wir waren sozusagen die Versuchskaninchen für die Software, die erst Sonntagnacht freigeschaltet wurde. Die Standesbeamtin rief Montag um halb acht an, um mitzuteilen, dass es funktioniert. Und nachmittags ließen wir uns trauen“, sagt Nick Mondry-Ritter (41) aus Königsmoor, der am 2. Oktober seinen Mann Carsten Ritter (52) im Tostedter Standesamt heiratete.
Nick Mondry-Ritter hatte sofort das Aufgebot bestellt, nachdem er Ende Juli im Fernsehen die Abstimmung im Bundestag für die Ehe für alle verfolgt hatte. „Wir leben seit dem Jahr 2000 zusammen und sind seit 2003 verpartnert“, berichtet das Paar. „Die Lebenspartnerschaft haben wir damals in Hamburg eintragen lassen und mit Freunden und Familie drei Tage lang gefeiert - mit Hafenrundfahrt, Kaiserwetter und Catering. Mehr geht nicht. So etwas kann man nicht wiederholen. Die jetzige Hochzeit war für uns praktisch nur eine Formsache“, sagt Carsten Ritter.
Das Instrument der Verpartnerung sei trotzdem diskriminierend gewesen. „Weil etwas parallel zur Ehe eingeführt wurde, ohne dass Schwule und Lesben die gleichen Rechte hatten“, so Carsten Ritter.
Seither habe vor allem das Bundesverfassungsverfassungsgericht und nicht die Politik sukzessive Verbesserungen für die rechtliche Gleichstellung von Ehe- und Lebenspartnern vorangetrieben. Dazu gehörten etwa die Gleichstellung bei der Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst (2009), bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer (2010), beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag (2012), bei der sukzessiven Zweitadoption (2013) und beim Ehegattensplitting (2013).
„Trotz Verpartnerung hatten wir wie Ledige beide die Steuerklasse I. Aber wir hatten schon gegenseitige Unterhaltspflicht. Mit der Ehe sind jetzt zum Beispiel auch Stiefkind-Adoptionen möglich“, erläutert Nick Mondry-Ritter.
„Wir wollen nichts anderes, als zusammen glücklich alt werden mit den gleichen Rechten, wie andere Paare auch“, erklären die beiden, die seit 2008 im kleinen Königsmoor leben. Mit Vorurteilen hätten sie hier überhaupt nicht zu kämpfen. „Es gab nie irgendwelche Sprüche. Wir sind voll ins Dorfleben integriert“, sagt Carsten Ritter, der für die Grünen im Gemeinderat sitzt. Sein Mann hält als Imker neun Bienenvölker und engagiert sich als Kasserierer bei den Tostedter Grünen. Auch beruflich erfüllen die beiden kein Schwulen-Klischee. Carsten Ritter ist Metallbaumeister, Nick Mondry-Ritter zeichnet als Vendor-managed Inventory Planner für ein Filmunternehmen für die Produktbestände verantwortlich.

„Natürlich aus Liebe geheiratet“

(cbh). Auch Frank Gerdes (46), Journalist und FDP-Politiker, und sein Mann Gernot Krause (53), Diplom-Kaufmann, heirateten Anfang Oktober. Gerdes: „Wir sind seit bereits 27 Jahren zusammen. Kennengelernt haben wir uns während des Studiums in Berlin. In einem Café. Es war die klassische Liebe auf den ersten Blick.“ Nach Berlin machte das Paar aus beruflichen Gründen einen zweijährigen Stopp in Hamburg, bis sie schließlich ein Grundstück in Jesteburg kauften und dort ihr Haus bauten. „Seit August 2012 sind wir verpartnert. Am 11. Oktober haben wir uns noch einmal das Jawort gegeben – beide Male in Jesteburg.“
Gefragt, warum sie ihrer Beziehung nun bereits zum zweiten Mal einen offiziellen Rahmen gegeben haben, antwortet Gerdes: „Natürlich aus Liebe, aber auch weil wir mehr Sicherheit wollten. Nur verpartnerte oder verheiratete Paare bekommen ohne Probleme Auskunft im Krankenhaus, wenn dem anderen etwas passiert ist. Das war immer mein größter Albtraum: Du weißt, dem anderen geht es nicht gut, aber kein Arzt sagt dir etwas oder sie lassen dich erst gar nicht zu deinem geliebten Partner. Schrecklich. Das kann nun nicht mehr passieren.“
Und sie wollten auch in finanziellen Dingen Sicherheit schaffen. Gerdes: „Wir kennen da die schlimmsten Geschichten, zum Beispiel über Schwiegereltern, die den Hinterbliebenen zwangen, alles zu verkaufen, nur weil sie auf ihr Erbteil bestanden. Am Ende stand der Freund mit nichts da – außer Schulden. Das soll keinem von uns passieren.“

Zum Hintergrund

Seit 2001 gab es in Deutschland für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft, auch „Homo-Ehe“ genannt, einzugehen - die gleichgeschlechtliche Paare jedoch für Makulatur hielten.
Noch Mitte Juni hatte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Gesetzentwürfe zur Beendigung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare mit den Stimmen von Union und SPD zum 30. Mal vertagt und damit wiederholt eine endgültige Abstimmung im Plenum verhindert.
Seit dem 1. Oktober gibt es die Ehe für alle. Das heißt, auch homosexuelle Paare dürfen heiraten - mit allen Rechten und Pflichten. Ende Juni sprach sich im Bundestag bei 623 abgegebenen Stimmen eine Mehrheit von 393 Abgeordneten (bis auf sieben nicht abgegebene Stimmen alle von SPD, Grünen und Linken sowie 75 von CDU/CSU) für eine rechtliche Gleichstellung aus. Mit Deutschland haben nun weltweit 22 Länder die Ehe geöffnet, davon zwölf in Europa.
Übrigens gibt es vielerorts nach wie vor Probleme: Weil die bundesweit eingesetzte Software von Standesämtern zwei Männer oder zwei Frauen nicht als Paar akzeptiert, muss einer der Brautleute formal unter einem anderen Geschlecht registriert werden, bei der einer der männlichen Eheleute die Frau bzw. bei weiblichen Eheleuten eine der Mann sein muss. Eine Lösung wird 2018 erwartet.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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