Friedhofsloh Welle: Ein Bestattungswald ohne Bäume
bim. Tostedt. Ein WOCHENBLATT-Leser, der einen verstorbenen Angehörigen im Bestattungswald auf dem Friedhof in Welle besuchen wollte, rief völlig aufgelöst in der Redaktion an: "Dort wurden alle Bäume gefällt. Wir wurden über die Maßnahmen nicht benachrichtigt", berichtete er. Doch auch für die zuständige Nikodemus-Kirchengemeinde Handeloh war das Abholzen kein leichter Schritt. "Es ist eine Naturgewalt", sagt dazu Friedhofsverwalter Friedhelm Nelke. Wegen Borkenkäferbefalls sei Friedhofsverwaltung und Kirchenvorstand keine andere Wahl geblieben, als die Fichten fällen zu lassen.
Der sogenannte Friedhofsloh auf dem Friedhof in Welle war im März 2014 der erste kirchliche, nicht privatwirtschaftliche Bestattungswald im Landkreis Harburg. Die Kirchengemeinde hat zunächst 41 Bäume auf dem Friedhof für jeweils sechs Urnenwaldgräber vorgesehen.
"Der Borkenkäfer hat auch uns nicht verschont", bedauert Pastorin Jennifer Gillner-Bazo, dass etliche Fichten gefällt werden mussten. Wie mehrfach berichtet, wird die Vermehrung der Borkenkäfer bei extremer Trockenheit, wie sie in den vergangenen beiden Sommern herrschte, begünstigt, während die Bäume gleichzeitig geschwächt werden. Der Waldbesitzerverband spricht bei der rasanten Ausbreitung des Borkenkäfers gar von einer "Jahrhundertkatastrophe", Waldbestände in ganz Deutschland sind stark gefährdet.
Nach dem ersten trockenen Sommer hätten breits Ende 2018 die ersten 14 Bäume wegen des Schädlingsbefalls - auch auf försterlichen Rat hin - gefällt werden müssen. "Wir meinten damals, alle Borkenkäfer erwischt zu haben", so Friedhofsberwalter Friedhelm Nelke. Doch weit gefehlt. Bis zum Sommer 2019 hatten die Tierchen ganze Arbeit geleistet: "So etwas Katastrophales habe ich noch nie gesehen. Rund 20 Bäume mit nackten Stämmen, die Rinde war abgefallen, und im Sonnenschein konnte man die braunen Nadeln rieseln sehen", beschreibt der Friedhofsverwalter. Deshalb kreiste im Herbst vergangenen Jahres erneut die Kettensäge.
14 nicht befallene Fichten blieben stehen, allerdings als Einzelbäume, die den Stürmen in diesem Februar buchstäblich nicht gewachsen waren. Einige kippten um und beschädigten die frisch nachgepflanzten Buchen.
"Irgendwann müssen wir Ruhe auf den Gräbern einkehren lassen", waren sich Friedhofsverwaltung und Kirchenvorstand einig und entschieden, auch die letzten Fichten zu fällen.
Über die "forstwirtschaftlich notwendige und verpflichtende Maßnahme zur Eindämmung der Ausbreitung des Borkenkäfers" wurde vergangenen November auf der Homepage der Kirchengemeinde, im Dezember im Gemeindebrief und über einen Aushang an den Namenssäulen auf dem Friedhofsloh informiert. Auch einzelne persönliche Gespräche hätten stattgefunden. "Man überlegt, wie man alles richtig machen kann", räumt Pastorin Jennifer Gillner-Bazo ein. Nachdem das WOCHENBLATT wegen der Baumfällung um einen Ortstermin gebeten hatte, beschloss der Friedhofsausschuss, alle Nutzer des Bestattungswaldes noch einmal in einem persönlichen Brief zu informieren.
"Die Gräber sind für eine 60-jährige Nutzung verkauft. Dass nicht alle Fichten so alt werden, war uns bewusst. Aber dass binnen 18 Monaten alle Fichten gefällt werden müssen, war auch für uns überraschend", sagt die Pastorin. Im Paragraf 20 der Friedhofsordnung hat sich die Kirchengemeinde verpflichtet, jeden durch Schädlingsbefall, Blitzeinschlag oder andere Naturereignisse abgestorbenen Baum zu ersetzen.
In zwei Etappen - im Februar 2019 und in diesem März - wurden 400 zweijährige Jungbuchen und 60 große Buchenheister (2,50 bis 3 m) für rund 9.000 Euro, finanziert aus den Grabpflegemitteln, sowie neun gespendete Laubbäume gepflanzt. "Die großen Bäume wurden neben die ehemaligen Bestattungsbäume, deren Stubben stehen bleiben, gepflanzt. Die 400 kleinen Buchen dienen der Beschattung des Waldbodens, damit kein Gestrüpp hochwächst", erläutert Friedhelm Nelke. "Nun warten wir darauf, dass es regnet und die Bäume wachsen", so Nelke.
Hälfte der Bestattungen auf Friedhofsloh
Seit der Friedhofsloh im März 2014 eingerichtet wurde, wurden 100 Baumplätze verkauft, von denen 50 belegt sind. Insgesamt fanden in diesem Zeitraum 102 Bestattungen auf dem Friedhof statt.
Auf Schilder mit den Namen der Bestatteten an den Bäumen wird verzichtet. Die Zuordnung der Bäume erfolgt über Nummernsteine auf der Erde. Mit Hilfe von Namentäfelchen an der Namenssäule können die Angehörigen sehen, wo ihre Liebsten beigesetzt wurden.
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