Frühkindliche Förderung: "Wir prägen die Gesellschaft"
bim. Tostedt. "Je früher das Erlernen der deutschen Sprache beginnt, desto besser ist der Start in der Schule. Die sogenannten 'Late-Talker' haben später ein Grammatikproblem", erläuterte Petra Cordeddu, Fachberaterin für Sprach-Kitas. "Wir prägen die Gesellschaft im Kindergarten", sagte sie. Auch trage ein frühes Verständnis und das unvoreingenommene Spielen im Kindergarten später zum besseren Miteinander bei. Um über die Qualität in Kindertagesstätten zu sprechen, hatte Petra Cordeddu jetzt Vertreter aus Kindertagesstätten, Politik und Verwaltung ins Tostedter "Kinderhaus" eingeladen.
Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist, hatte das Bundes-Familienministerium im Jahr 2016 das Projekt „Sprach-Kitas“ aufgelegt und fördert dabei eine zusätzliche Fachkraft in der Kita im Bereich sprachlicher Bildung. Sechs dieser Sprach-Kitas gibt es im Landkreis Harburg, davon je eine in Winsen, Neu Wulmstorf und Meckelfeld sowie drei in der Samtgemeinde Tostedt.
Petra Cordeddu nannte einige Zahlen aus sieben Kitas, die sie vertritt: Im Elementarbereich (Kinder von drei bis sechs Jahren) gebe es 22 verschiedene Sprachen - außer Deutsch mit einem Anteil von 57,5 Prozent u.a. Russisch (knapp zehn Prozent), Arabisch und Türkisch (jeweils ca. sechs Prozent), Polnisch (drei Prozent) und Syrisch (2,5 Prozent). Im Krippenbereich (Kinder bis drei Jahre) gebe es sechs verschiedene Sprachen.
Die frühe Sprachförderung sei aber nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund wichtig, sondern auch für solche mit Förderbedarf.
Von den pädagogischen Mitarbeitern im Krippenbereich sei bei rund 17 Prozent der Kinder ein Förderbedarf bei Motorik und Sprachentwicklung beobachtet worden, von denen aber nur ein Prozent Förderung erhalte. Die Diskrepanz begründete Cordeddu so: "Wir sehen den Förderbedarf, aber nicht alle Kinder kommen in die Förderung." So würden sich nicht alle Eltern entsprechende Hilfe bei Therapeuten suchen.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler versprach, die Idee, gesundheitliche Unterstützung wie Logopäden, Ergotherapeuten und andere Therapeuten in die Kitas zu bringen, mit nach Berlin zu nehmen für die Beratung des "Gute Kita-Gesetzes". Bei diesem Gesetz würden mit allen 16 Bundesländern individuelle Verträge ausgehandelt, um das Geld in den Kitas so einzusetzen, wie es gebraucht wird. Bis 2021 will das Bundes-Familienministerium den Ländern dafür zusätzlich 3,5 Milliarden Euro bereitstellen.
Stadler konnte auch beruhigen, was die weitere Förderung der Sprach-Kitas angeht. Der Bund werde von 2018 bis 2021 weitere Fördermittel für Sprach- und Integrationsprojekte im frühkindlichen Bereich in Höhe von insgesamt 892 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Befristete Arbeitsverträge und steigender Verwaltungsaufwand sind nur einige der Probleme, mit denen Erzieher und Pädagogen bereits jetzt konfrontiert sind. Durch Gesetzesänderungen kommen zudem immer mehr Aufgaben auf die Kitas zu, u.a. durch die ab August geltende Gebührenfreiheit und die dadurch zu erwartenden längeren Betreuungszeiten sowie die ab dann in den Kitas durchzuführende Sprachstandsfeststellung. Allerdings wissen die Verantwortlichen noch nicht, wo sie das Geld dafür und für die weiteren Fachkräfte her bekommen sollen. Der Markt sei leergefegt. Umso unverständlicher war es für alle Beteiligten, dass Erzieher ihre Ausbildung immer noch selbst bezahlen müssen.
"Stehen vor großen Problemen"
Ein Problem für die Kommunen sei, dass auf Landes- oder Bundesebene gute Projekte mit Fördergeldern angeschoben werden, deren Finanzierung später nicht gesichert ist bzw. zu Lasten der Kommunen geht, z.B. die Schulsozialarbeit, sagte Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam. "Es wäre gut, wenn es weitergehende Finanzierungen gibt", so Dörsam. Tostedts Samtgemeinderat Stefan Walnsch: "Jedes Förderprogramm löst etwas aus." Er nannte als Beispiele u.a. die längeren Kita-Öffnungszeiten mit der Betreuung und Versorgung über Mittag, Erziehungsgeld, Elterngeld, Rechtsanspruch auf Krippenplätze und jetzt die Kita-Beitragsfreiheit und die Rückstellung schulpflichtiger Kinder. "Das ist alles in den Einrichtungen hängengeblieben, und zwar am Personal", so Walnsch. "Wir haben Kitas auf hohem Niveau, alle Mitarbeiter sind hoch motiviert, aber es fehlt am Geld. Alles hat seine Grenzen. Jetzt stehen wir vor schier unlösbaren Problemen", erklärte Walnsch.
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