Grundwasserförderung im Landkreis Harburg
Hamburg saugt die Heide leer

Gerhard Schierhorn (li.) und Klaus-Detlef Kröger an einer Pumpe auf dem Hof Kröger, die seit Beginn der Wasserförderung durch Hamburg kein Wasser mehr gibt | Foto: bim
  • Gerhard Schierhorn (li.) und Klaus-Detlef Kröger an einer Pumpe auf dem Hof Kröger, die seit Beginn der Wasserförderung durch Hamburg kein Wasser mehr gibt
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(bim). Der Kampf ums Heidewasser geht weiter. Nachdem das Verwaltungsgericht Lüneburg im vergangenen Oktober die Klagen gegen die vom Landkreis Harburg erteilte vorläufige Grundwasserförder-Erlaubnis abgewiesen hatte, geht es in die nächste Runde. Sowohl die Hamburger Wasserwerke (HWW) als auch die Naturschutzverbände, vertreten durch die Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide (IGN), werden in Berufung gehen und vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) ziehen.

Mit der leichter zu widerrufenden gehobenen Erlaubnis dürfen die HWW 30 Jahre lang im Schnitt bis zu 16,1 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr aus der Heide fördern. Die von der HWW beantragten 18,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr sind nur in Ausnahmen möglich, wenn die Mehrentnahme über den gesamten Förderzeitraum wieder ausgeglichen wird. Das ist den HWW zu wenig und nicht rechtssicher genug. Sie fordern, jährlich 18,4 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr aus der Heide pumpen zu dürfen über die Gestattungsform einer Bewilligung.

Der Luxus, den sich die HWW und den von ihnen - natürlich gegen Geld - mit dem aus der Heide geförderten Grundwasser versorgten Hamburgern gönnen, geht zu Lasten der Bäche und Flüsse, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises Harburg. Die IGN hält daher eine Wasserförderung durch die HWW von maximal zwölf Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr oder weniger für ausreichend, zumal wegen der trockenen Sommer z.B. in der Landwirtschaft zunehmend Beregnungen nötig sind. Auch beklagt die IGN vielfache, belegbare Wasserabsenkungen in Heidebächen und -flüssen.
"Wir wollen ein gutes Miteinander zwischen Stadt und Umland, es darf aber nicht zu Lasten der Oberläufe der Bäche, der Land- und Forstwirtschaft und der Eigenversorgung gehen", sagt der IGN-Vorstand.

Die HWW versorgen laut Gerhard Schierhorn mit dem Wasser aus den Wasserwerken Nordheide und  Süderelbmarsch rund 600.000 Hamburger. "Der Hamburger Senat hat im Jahr 2001 eine 100-prozentige Versorgung durch naturbelassenes Trinkwasser beschlossen. Das kann man nicht akzeptieren, wenn wir als Heidjer Probleme mit der Eigenversorgung bekommen", betonen Gerhard Schierhorn und Klaus-Detlef Kröger von der IGN. Zumal Hamburg durch die Elbe und ihre Nebenflüsse Alternativen für die Wasserversorgung hat in Form von Uferfiltrat (Brauch- oder Trinkwassergewinnung aus Brunnen in unmittelbarer Nähe von Flüssen oder Seen). "Die Wasseraufbereitung kostet zwar etwas mehr, ist aber zum Beispiel in Berlin gang und gäbe", sagt Schierhorn. Diesbezüglich müsse sich die Hamburger Politik bewegen und den HWW "die Fesseln für eine alternative Wasserversorgung nehmen". 

Einige der Gründe der IGN, in Berufung zu gehen:

  • Die eigene Wasserversorgung wird knapp. Die Einwohnerzahl des Landkreises wächst und damit steigt der Eigenbedarf
  • Die klimabedingte Verschlechterung der Grundwasserneubildung durch steigende Durchschnittstemperaturen und trockene Sommer hat im Gerichtsverfahren keine Rolle gespielt
  • Die Belange der klagenden Grundstückseigentümer - Klosterkammer und drei Grundstückseigentümer mit vielen Hundert Hektar Wald, Landwirtschaft und Teichen im Entnahmegebiet - kamen bisher kaum zur Sprache, ebenso wenig die der schützenswerten Flora-Fauna-Habitate.
  • Der Beregnungsverband des Landkreises Harburg hat mit zwölf Millionen Kubikmeter im Jahr eine doppelt so hohe Wassermenge beantragt, als bisher zum Einsatz kommt.

Während die HWW in Berufung gehen und die Klage am Oberverwaltungsgericht locker finanzieren können, muss die IGN für beide Verfahren selbst rund 200.000 Euro (!) für Rechtsanwälte und Gutachter aufbringen und die Berufung beim OVG beantragen. Daher sind die Grundwasserschützer auf weitere Spenden angewiesen.
"Wir sind dem WOCHENBLATT und den 200 Menschen, die aufgrund unserer Anzeige im WOCHENBLATT gespendet haben, sehr dankbar", betonen Gerhard Schierhorn und Klaus-Detlef Kröger vom IGN-Vorstand.
Beide sind aber auch beeindruckt von den Reaktionen und der angebotenen Unterstützung vieler Menschen aus dem Landkreis Harburg. Die Grundwasserschützer spüren, dass ein Umdenken beim verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wasser stattfindet.
Eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema wünschen sie sich auch von den Kommunen und den Wasserbeschaffungsverbänden, in deren Verantwortung die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung liegt. Der Landkeis Harburg sei nur Bewirtschafter.

"Jede Spende hilft der Natur und dazu, den Wasserexport nach Hamburg zu begrenzen", sagt Gerhard Schierhorn. Wer helfen und die heimische Grundwasserversorgung schützen will, spendet auf folgendes Konto: IBAN DE82 2406 0300 4900 9001 00.

Einen Artikel darüber, welche Auswirkungen die Wasserförderung für einen Land- und Forstwirt sowie die heimische Forellenzucht hat, lesen Sie in der nächsten Samstagsausgabe des WOCHENBLATT.

Lukratives Geschäft mit dem Heidewasser

Bislang zahlt Hamburg Wasser an das Land eine Wasserentnahmegebühr, den sogenannten "Wasserpfennig", von 15 Cent pro Kubikmeter Wasser. Geld, das für Umweltschutzmaßnahmen verwendet wird, aber nicht zwangsläufig dort, wo Schäden durch die Wasserentnahme auftreten. Andererseits erwirtschaftet Hamburg Wasser Gewinne. Seit dem 1. Januar 2022 liegt der Wasserpreis je Kubikmeter bei 1,80 Euro netto (plus 1 Cent im Vergleich zum Vorjahr). Der Umsatz des Unternehmens (inklusive Abwasser und Hamburg Energie) im Jahr 2020 betrug 864,8 Millionen Euro, der Gewinn des Gesamtkonzerns: rund 101,9 Millionen Euro.

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Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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