Gerichtsurteil
Keine Lösung, wie Schottergärten-Verbot umgesetzt werden soll
Schottergärten - das großflächige Versiegeln von Flächen mit Kies oder Steinplatten - ist laut der niedersächsischen Bauordnung bereits seit dem Jahr 2012 untersagt. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat jüngst ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover gegen solche Schottergärten bestätigt.
Damit haben die zuständigen Behörden in Niedersachsen eine Rechtsgrundlage, diese "Steinwüsten" zu verbieten und sogar deren komplette Beseitigung anzuordnen. Aber Kommunen, die Bebauungspläne festsetzen, und Kreise als Bauaufsichtsbehörde scheuen sich, gegen diese unnötige Form der Flächenversiegelung vorzugehen - weil das Personal fehlt oder man nicht in die Privatsphäre der Grundstückseigentümer eingreifen will.
Obwohl das Bewusstsein für die Natur und Biodiversität in den vergangenen Jahren geschärft wurde, legen manche Eigenheimbesitzer dennoch Schottergärten an - als Gestaltungsmittel oder als günstige Alternative, um Unkraut einzudämmen. Doch die "Steinwüsten" schaden nicht nur der Natur, sondern im schlimmsten Fall den Nachbarn, da das Regenwasser auf den versiegelten Flächen nicht mehr versickern kann.
Der Natur zuliebe gibt es in vielen Kommunen Initiativen, das Verbot von Schottergärten in Bebauungsplänen festzuschreiben. Das Vorgehen gegen diese "Steinwüsten" wird nun rechtlich durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg abgesichert. Doch wer wird jetzt die Initiative ergreifen, damit das Verbot kein "Papiertiger" bleibt? Die Ordnungsämter der Städte und Gemeinden oder der Landkreis als Bauaufsichtsbehörde?
In der niedersächsischen Bauordnung (Paragraf 9, Absatz 2) heißt es seit 2012: "Die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke müssen Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.“
In Tostedt hatten die Grünen Ende 2019 einen entsprechenden Vorstoß gewagt und die Aufnahme eines Hinweises auf die Nichtzulässigkeit von Schottergärten in künftigen Bebauungsplänen beantragt. Anfang 2021 kam diese Forderung von der CDU in der Gemeinde Rosengarten. In Stade fordern die Linken aktuell, dass die Verwaltung etwas gegen diese "nicht rechtmäßigen Versiegelungsflächen" auf privaten Grundstücken unternimmt.
Bereits 1973 hieß es in der niedersächsischen Bauordnung, dass die nicht für eine anderweitige Nutzung gebrauchten Freiflächen der Baugrundstücke „als Grünflächen oder gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten“ sind. Inzwischen ist nur noch von Grünflächen die Rede.
Von dem jetzigen Urteil erhoffen sich die zuständigen Behörden wertvolle Informationen für ihren Ermessensspielraum.
Eine Antwort, wie das Urteil in der Praxis umgesetzt wird, gibt es aber noch nicht. Grundsätzlich seien die Ordnungsbehörden eigenverantwortlich und müssten mit eigenem Personal Ermittlungen anstellen, meint der Landkreis. Demnach müssten die Städte und Gemeinden tätig werden. "Aber in vielen Fällen sind sie auch auf Hinweise oder Informationen Dritter angewiesen", teilt die Pressestelle des Landkreises mit. Dritte - das bedeutet, dass letztlich Bürger ihre eigenen Nachbarn "anschwärzen" müssten.
Ob die Bauaufsicht einschreite, komme auf den Einzelfall an: Die Kommunen seien zuständig, wenn entsprechende Regelungen zu Pflanzmaßnahmen und Begrünung über Bebauungspläne geregelt sind. Auch die Anzahl und Größe von Steinbeeten und das Gesamtbild der Fläche spielten eine Rolle. Grundsätzlich werde zunächst das Gespräch mit den Gartenbesitzern gesucht und hierüber eine Lösung angestrebt.
"Aus Sicht der Kreisverwaltung sollte in der Bevölkerung vor allem ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass ein natürlich bewachsener Garten nicht nur einen Lebensraum für Insekten und Vögel darstellt, sondern auch einen Beitrag für die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und extremen Wetterereignissen leisten kann", erläutert Kreissprecherin Katja Bendig.
Die größte Hoffnung der Kreisverwaltung liegt darin, dass das Gerichtsurteil und die öffentliche Diskussion sowie die damit einhergehenden Informationen Grundstückseigentümer vom Anlegen von Schottergärten abhalten oder bereits vorhandene Schottergärten in Eigeninitiative beseitigt werden. Bislang habe das Thema in der Praxis der Bauaufsicht keine wesentliche Rolle gespielt. Um die Bürgerinnen und Bürger schon vor Baubeginn für die Thematik zu sensibilisieren, will die Kreisverwaltung einen „Hinweis zum Klima- und Naturschutz“ in die Baugenehmigung aufnehmen und auf die Problematik der „Schottergärten“ hinweisen.
Tipps für naturnahe Gärten
Der NABU Niedersachsen begrüßt das Gerichtsurteil. Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann: „Schottergärten haben verheerende Auswirkungen: Sie führen zu einer Versiegelung der Böden und damit zu einem Verlust von Biodiversität. Regen kann nicht mehr versickern und fließt unkontrolliert ab. Wildkräuter und heimische Pflanzen haben kaum noch eine Chance, zu gedeihen. Insekten finden keine Nahrung mehr. Somit leiden auch Vögel und Fledermäuse Hunger.“
• Tipps für naturnahe Gärten gibt der NABU in der Broschüre „Gartenlust – für mehr Natur im Garten" (gegen Einsendung von vier Briefmarken zu 85 Cent erhältlich beim: NABU Niedersachsen, Stichwort "Gartenlust", Alleestr. 36, 30167 Hannover).
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