"Keine Verdrängungskämpfe bei heimischen Tafeln"

In der Ausgabe der Töster Tafel (v. li.): Siggi Huthmann, Brigitte Reiß, Koordinatorin Antje Müller, Margret Bellmann und der stv. Herbergsvereins-Geschäftsführer Helge Johannsen
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  • In der Ausgabe der Töster Tafel (v. li.): Siggi Huthmann, Brigitte Reiß, Koordinatorin Antje Müller, Margret Bellmann und der stv. Herbergsvereins-Geschäftsführer Helge Johannsen
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(bim). Die Tafel in Essen sorgt seit Tagen für Schlagzeilen wegen ihres Aufnahmestopps für Ausländer. Dort werden derzeit nur noch Neukunden mit deutschem Ausweis angenommen. Begründet wurde dieser Schritt mit einem angeblich zu hohen Anteil an Ausländern, durch den sich etwa viele ältere Menschen und Alleinerziehende nicht mehr wohlfühlten und das Hilfsangebot nicht mehr wahrnehmen würden. Für die Tafeln in der Region käme das nicht infrage.
Bei der Töster Tafel an der Bremer Straße 37 in Tostedt gebe es keine Verdrängungskämpfe, berichten die Herbergsvereinsgeschäftsführer Peter und Helge Johannsen sowie Tafel-Koordinatorin Antje Müller. „Das Verhältnis der deutschen und ausländischen Kunden ist ausgewogen und stabil. Pro Ausgabetag kommen zwischen 30 und 45 Kunden. Dabei spielt das Wetter eine Rolle und das Datum, zum Monatsende kommen mehr“, sagt Antje Müller. Dass manche Ausländer zu forsch auftreten, wodurch manche, vor allem ältere Deutsche eingeschüchtert sein könnten - wie in Essen kritisiert wurde, bestätige sich in Tostedt nicht. „Es gibt mal auffällige Ausländer, aber auch mal auffällige Deutsche. Dass sich unter so vielen Menschen manche einmal nicht verstehen, ist normal“, berichtet Peter Johannsen. „Was die Essener Tafel gemacht hat, stößt bei uns auf Unverständnis. Wir werden keine Diskriminierung von Ausländern oder anderen Gruppen vornehmen. Das widerspricht unserem diakonischen Verständnis“, so Johannsen.
In Tostedt hatte man aber auch während des großen Flüchtlingszustroms bereits reagiert und im Jahr 2015 eine Zweit-Ausgabestelle bei den Asylbewerberunterkünften in der Todtglüsinger Straße geschaffen. Dort würden durchschnittlich 28 Personen pro Ausgabetag mit Lebensmitteln versorgt.
Der Betrieb der Töster Tafel wird durch finanzielle Unterstützung der Irene und Friedrich Vorwerk-Stiftung gewährleistet, die bis zu 10.000 Euro im Jahr, u.a. für Strom und Sprit beisteuert, durch die Spenden der heimischen Geschäftsleute sowie durch die derzeit 35 ehrenamtlichen Helfer.

• Auch für die Harburger Tafel, bei der sich rund 100 Ehrenamtliche engagieren und die mit zwei Ausgabestellen im Landkreis Harburg Bedürftige versorgt, ist ein Ausländer-Ausschluss undenkbar. An der Ausgabestelle im Buchholzer Reiherstieg 8 würden wöchentlich durchschnittlich 60 bis 70 Personen versorgt, an den beiden Tagen in Winsen im Neulander Weg 15 insgesamt rund 160 pro Woche, berichtet Sabine Pena vom Vorstand. Es gebe zwar ein paar mehr Ausländer als Deutsche, politisch bedingt durch die Flüchtlinge, aber keine Probleme. „Streitereien gibt es immer mal. Das Revier wird verteidigt, wenn zum Beispiel mal ein 'Hackenporsche' im Weg steht“, berichtet Sabine Pena von „normalen“ Konfrontationen in der Warteschlange. Aber eben nichts Gravierendes. In Buchholz gebe es insofern eine Besonderheit, dass die Lebensmittelausgabe für Gehbehinderte eine Stunde früher geöffnet werde.
Eher vorstellbar wäre ein genereller Aufnahmestopp, falls die Waren nicht für die Anzahl der Bedürftigen reichen. Besonders zwischen Weihnachten und Ostern gebe es mitunter „Durststrecken“. Und auch moderne Warenbestell-Systeme, die durch präzisere Order dafür sorgen, dass weniger Lebensmittel für Bedürftige zur Verfügung gestellt werden, machen den Tafeln zu schaffen.

• Das Angebot der fünf Ausgabestellen der Stader Tafel in Drochtersen, Himmelpforten, Stade „Am Schwingedeich“, Stade „Hahle“ und Harsefeld nutzen derzeit insgesamt ca. 1.200 Personen. „Diese Zahlen verändern sich aber stetig immer wieder, schon allein durch den Zugang von Neuanmeldungen“, so Nadine Dinter von der Stader Tafel.
Wie hoch der Ausländer-Anteil ist, werde nicht erfasst. „Bei uns geht es nach Namen alphabetisch oder nach einem Nummernsystem. Ansonsten werden unsere Kunden alle gleich behandelt. Unsere Mitarbeiter sorgen während unserer Ausgabezeiten für ein gutes Klima untereinander bei unseren wartenden Kunden. Es werden beispielsweise auch Kekse oder Schokolade gereicht, oder es wird durch Gespräche weitergeholfen oder vermittelt“, berichtet Nadine Dinter.
Aktuell engagieren sich in allen fünf Ausgabestellen der Stader Tafel rund 150 Ehrenamtliche.

Das wird gebraucht

• In Tostedt sind weitere ehrenamtliche Helfer willkommen. „Helfende Hände werden immer benötigt“, so Antje Müller. Interessenten melden sich bei ihr unter Tel. 04182-2009161.
• Bei der Harburger Tafel werden zum Beispiel Trockenprodukte wie Nudeln, Reis, Zucker und Mehl gebraucht. Wer hier größere Mengen abzugeben hat, bringt es bei den Tafeln vorbei oder meldet sich unter Tel. 040-77110897.
• Bei den Tafeln in Stade werden neben Lebensmitteln z.B. Kosmetik- und Hygieneartikel, aber auch Kaffee gerne angenommen für die Ausgabe, da diese selten zum Verteilen vorhanden sind. Für die Ausgabestellen in Stade „Am Schwingedeich“ und in Harsefeld werden im Moment außerdem weitere Fahrer für verschiedene tägliche Touren gesucht. Infos unter Tel. 04141-36 81.

In der Ausgabe der Töster Tafel (v. li.): Siggi Huthmann, Brigitte Reiß, Koordinatorin Antje Müller, Margret Bellmann und der stv. Herbergsvereins-Geschäftsführer Helge Johannsen
Bei den Tafeln werden Bedürftige mit Lebensmitteln
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Bianca Marquardt aus Tostedt

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