100 Jahre Waldorfpädagogik
Lernen in Gemeinschaft

Das Leitungsteam der Waldorf-Einrichtungen in der Samtgemeinde Tostedt (v. li.): Claudia Meyer, Geschäftsführerin des Kindergartens, Gabriele Liedke, pädagogische Leitung des Kindergartens, Michael Dürkop, Geschäftsführer der Rudolf-Steiner-Schule, und Uta von Hörsten, Leiterin der Elias-Schule
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  • Das Leitungsteam der Waldorf-Einrichtungen in der Samtgemeinde Tostedt (v. li.): Claudia Meyer, Geschäftsführerin des Kindergartens, Gabriele Liedke, pädagogische Leitung des Kindergartens, Michael Dürkop, Geschäftsführer der Rudolf-Steiner-Schule, und Uta von Hörsten, Leiterin der Elias-Schule
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bim. Kakenstorf. Jungen Menschen die Möglichkeit zur Selbstentfaltung geben, ihnen neben Fächern wie Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen oder Naturwissenschaften auch praktisches Handwerk zu vermitteln und Raum zu geben, ihre musischen Fähigkeiten zu entdecken und auszuleben - dafür steht seit 100 Jahren die Waldorfpädagogik. Dieses Jubiläum wird aktuell an den weltweit mehr als 1.100 Waldorfschulen und rund 2.000 Waldorfkindergärten mit verschiedenen Aktionen gefeiert. So auch in der Rudolf-Steiner-Schule Nordheide und dem Waldorfkindergarten in Kakenstorf sowie der heilpädagogischen Elias-Schule in Wistedt.
Ein Projekt, das Kinder, Jugendliche und die Pädagogen gleichermaßen begeistert: Von den Schülern wurden 1.100 Postkarten in alle Welt verschickt und auch Postkarten von Schülern aus den 80 Ländern empfangen, in denen es Waldorfschulen gibt. "Das ist ganz spannend, weil sich die Schüler dadurch mit vielen Ländern und den Lebensbedingungen dort auseinandersetzen", sagt Uta von Hörsten, Leiterin der Elias-Schule.
In der Schulküche der Elias-Schule, die nicht nur die eigenen Schüler versorgt, sondern auch die benachbarte Grundschule und den Kindergarten, wurden in den vergangenen Wochen zudem internationale Gerichte zubereitet, z.B. "Chatschapuri" (Fladenbrot mit Käsefüllung, Georgien), "Papas Rellenos con Quesco" (gefüllte Kartoffeln mit Käse, Peru) oder Bananenkuchen (Brasilien).
Zur Geschichte
des Fördervereins

Der Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik Nordheide wurde im August 1982 gegründet und ist Träger des Kindergartens in Kakenstorf, der Elias-Schule in Wistedt, der Rudolf-Steiner-Schule in Kakenstorf, zweier Schulküchen in Wistedt und Kakenstorf, einem kleinen Lädchen und einer kleinen Druckerei in Kakenstorf. Der Verein ist inzwischen auch wichtiger Arbeitgeber in der Region und beschäftigt insgesamt rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Gründung der
Rudolf-Steiner-Schule

Die Rudolf-Steiner-Schule (RSS) Nordheide wurde im August 1984 gegründet und bezog die Räume des ehemaligen Schullandheims in Kakenstorf. Gestartet wurde mit einer ersten Klasse sowie jahrgangsübergreifendem Unterricht in den Klassen zwei und drei und vier und fünf. Der Gründungsgedanke: Kinder und Jugendliche sollen gleichermaßen im Kognitiven, im Künstlerischen und im Handwerklichen gefördert werden. So gibt es heute eine Klassengemeinschaft von der ersten bis zur zwölften Klasse, danach eine Abiturklasse. Ebenso gehören zum Lehrplan ein ausgeprägter künstlerisch-musischer Unterricht mit einem großen, öffentlichen Herbstkonzert und Ausstellung der Kunst-Abiturarbeiten vor den Sommerferien sowie handwerkliche Tätigkeiten schon im Primarbereich, vielfältigen Handwerkskursen in der Mittelstufe und spezialisierenden Praktika in der Oberstufe.
Höhepunkt der Feierlichkeiten zum Jubiläum der Waldorfpädagogik ist am 19. September eine große Feier im Berliner Tempodrom. Die Veranstaltung ist allerdings ausverkauft. Die Veranstaltung kann aber per Internetstream verfolgt werden unter www.waldorf100.org.

Die Geschichte der Waldorfpädagogik

Die erste Waldorfschule wurde im September 1919 in Stuttgart von Emil und Berta Molt gegründet und war gedacht für die Kinder der Arbeiter der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik. Die Schule wuchs sehr schnell, da viele Eltern nach dem Ersten Weltkrieg für ihre Kinder nach menschlicheren Werten und einer neuen Pädagogik suchten. Die Pädagogik basiert auf den von Emil Molt und Rudolf Steiner geschaffenen Grundlagen, die ständig entwickelt wird und außerhalb der staatlichen Lehrplanvorgaben die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lebendig gestaltet.
Die zwölf Gründungslehrer wurden von Rudolf Steiner in einem Kursus menschenkundlich und didaktisch vorbereitet. Nun mussten sie die neue Pädagogik während des Unterrichtens erlernen. Kinder und Lehrer lernten gemeinsam. Und wenn das geschieht, findet Waldorfpädagogik, d.h. gemeinsame Entwicklung statt.
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden 34 weitere Waldorfschulen gegründet: in Deutschland, der Schweiz, Holland, England, Norwegen, Schweden, Ungarn, Österreich sowie in den USA.
Die Herrschaft der Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg führten zur Schließung der Schulen in Deutschland, Österreich, Ungarn, teilweise in Holland und in Norwegen. In der Schweiz, in England und in den USA wuchsen die Schulen weiter, und es kamen während des Krieges neue hinzu. Heute arbeiten weltweit über 1.100 Schulen auf Basis der Waldorfpädagogik.

Die Waldorf-Einrichtungen in Kakenstorf und Wistedt erfreuen sich großen Zuspruchs. Die Rudolf-Steiner-Schule Nordheide wird derzeit von 331 Schülern besucht, die Elias-Schule in Wistedt von 104 Schülern (in den Klassenstufen 1 bis 12) und der Waldorfkindergarten von 110 Kindergarten- und Krippenkindern. Folgendes wird dort geboten:
Die Rudolf-Steiner-Schule
Nordheide

Die einzügige Schule hat für jeden Jahrgang eine Klasse. Der Klassenverband bleibt über die Schulzeit erhalten. In den ersten acht Jahren wird die Klasse von ihrem Klassenlehrer begleitet. Danach beginnt die Oberstufe, in der es einen Klassenbetreuer gibt, der die Jugendlichen auf ihrem Weg zum Erwachsensein berät und begleitet und die Klasse bis zu den Abschlüssen übernimmt. Nach den Niedersächsischen Abschlussverordnungen werden der Haupt- und Real- sowie erweiterter Realschulabschluss und das Abitur angeboten.
"Seit dem letzten Schuljahr bietet die Rudolf-Steiner-Schule Nordheide in der Oberstufe drei Fremdsprachen an", berichtet Geschäftsführer Michael Dürkop. Englisch und Russisch werden von der ersten Klasse an unterrichtet, in der siebten Klasse wird das Sprachangebot durch Französisch erweitert. Am Ende der siebten Klasse entscheiden sich die Schüler zwischen Russisch und Französisch als zweite Fremdsprache.
Großer Wert wird auf die Praxis gelegt. "Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Schülern aus ihren Fähigkeiten heraus den bestmöglichen Schulabschluss zu vermitteln. Aus unserer sehr handwerklich betonten Mittelstufe mit einem breiten Kursangebot, u.a. mit Holzarbeiten, Schmieden, Nähen, Buchbinden, Spinnen und Weben, Töpfern oder Gartenbau, können die Jugendlichen in der Oberstufe vier betriebliche Praktika wählen, um ihre Fähigkeiten zu vertiefen", erläutert Michael Dürkop.
Aus dieser Arbeit heraus sei der Gedanke entstanden, ein Berufskolleg einzurichten, in dem in Zusammenarbeit mit Betrieben für den Praxisanteil und einer Kollegstufe für den theoretischen Teil der Ausbildung. Aber das sei noch „Zukunftsmusik“.
Waldorfkindergarten
Kakenstorf

Der Impuls zur Gündung eines Waldorfkindergartens, in dem die Kinder spielend frei und selbstständig in die Welt hineinwachsen, kam durch Eltern im April 1982, die bis 1984 die Betreuung der Kinder ab vier Jahren zunächst selbst an verschiedenen Standorten sicherstellten. 1984 wurde die erste Erzieherin eingestellt. Seither wuchs die Einrichtung. Im Frühjahr 1986 erfolgte die Grundsteinlegung für ein Kindergartengebäude mit zwei Gruppen, 1994 kamen eine dritte Gruppe sowie ein Anbau an das Kindergartengebäude mit Mitarbeiterraum und Büro hinzu.
2004 wurde erstmals eine Kleingruppe für Kinder ab drei Jahren eingerichtet.
2006 wurde das „obere Haus“ mit einer Kleingruppe für zwei- bis dreijährige Kinder gebaut, die an zwei bis drei Tagen betreut wurden.
2006 wurden die bisherigen Öffnungszeiten von 8 bis 12 Uhr für eine Gruppe bis 14 Uhr mit Mittagessen verlängert.
Im Herbst 2012 wurde eine Krippengruppe eingerichtet, die ein Jahr später in einen neuen Anbau umziehen konnte. 2013 wurde auch eine Köchin eingestellt.
Heute werden im Waldorfkindergarten Kinder von drei bis sechs Jahren jewweils von 8 bis 14 Uhr in folgenden Gruppen betreut:
Sonnenkreis (mit 25 Kindern), Mondenkreis (mit 22 Kindern) und Sternenkreis (mit 23 Kindern). Außerdem gibt es den kleinen Sonnenkreis mit 15 Kindern im Alter von zwei bis drei Jahren und einer Betreuungszeit von 8 bis 12 Uhr und eine Krippe für zwölf bis 15 Kinder von ein bis drei Jahren, die von 8 bis 14 Uhr betreut werden.
Ganz neu ist die Waldgruppe für zehn Vorschulkinder, die von 8 bis 12 Uhr bzw. bis 14 Uhr (mit Mittagstisch) im Kindergarten sind.
• Weitere Infos unter www.waldorfkindergarten-kakenstorf.de.
Der Elias-Schulzweig der
Rudolf-Steiner-Schule

Die heilpädagogische Elias-Schule in Wistedt wurde 2003 als Schulzweig der Rudolf-Steiner-Schule Nordheide gegründet. Der Elias-Schulzweig integriert jeweils in einer Kleinklasse Schüler in den Förderbereichen Lernen, emotionale und soziale Entwicklung, geistige Entwicklung sowie körperlich-motorische Entwicklung.
Das gemeinsame soziale Lernen und Erleben von Kindern und Jugendlichen mit individuellem Hilfebedarf ist ein Grundsatz der anthroposophischen Heilpädagogik.
Dazu gehört ein praxisorientiert ausgerichteter heilpädagogischer Lehrplan, der es ermöglicht, individuell auf die Bedürfnisse jedes Schülers mit seinen Fähigkeiten und Nachholbedürfnissen einzugehen. Lehrkräfte, Heilpädagogen und therapeutische Mitarbeiter ermöglichen, sich gegenseitig zu ergänzen, zu fördern und voneinander zu lernen.
Auch an der Elias-Schule ist die Praxis integriert, u.a. über Schulgarten, Töpferwerkstatt, Holzwerkstatt, Korbflechten, Handarbeit, Malen, Zeichnen, Plastinieren, Theaterspielen, Eurythmie, Musik, Hauswirtschaft, Selbstverteidigung sowie diverse Praktika zur Vorbereitung auf die mögliche berufliche Tätigkeit.
Nach dem zwölften Schuljahr können den Schülern in Kombination mit der Rudolf-Steiner Schule in Kakenstorf die zentralen Anschlüsse „Lernen“ und Hauptschulabschluss abgenommen werden.
2008 erhielt die Elias-Schule einen Erweiterungsbau. 2012 erfolgte der Kauf des „Aldaghofes“, einer ehemaligen Gaststätte, und Aufbau der Schulküche, der Essräume und des Veranstaltungssaales, der auch der Dorfgemeinschaft weiter zur Verfügung steht. In diesem Jahr wurde ein Grundstück gegenüber dem "Aldaghof" für den Bau eines Parkplatzes gekauft.

Das Leitungsteam der Waldorf-Einrichtungen in der Samtgemeinde Tostedt (v. li.): Claudia Meyer, Geschäftsführerin des Kindergartens, Gabriele Liedke, pädagogische Leitung des Kindergartens, Michael Dürkop, Geschäftsführer der Rudolf-Steiner-Schule, und Uta von Hörsten, Leiterin der Elias-Schule
Der Mittelstufenchor der Rudolf-Steiner-Schule Nordheide absolvierte kürzlich Auftritte in Lübeck   | Foto:  RSS Nordheide
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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