Polizei: "Keine Erkenntnisse über Vergewaltigung einer Minderjährigen durch Asylbewerber"
(bim). Bei den Informationsveranstaltungen zur Unterbringung von Asylbewerbern kommt immer wieder die Frage nach zu erwartenden oder tatsächlichen Straftaten von Flüchtlingen auf. Das WOCHENBLATT führte ein Interview mit Uwe Lehne, Leiter der Polizeiinspektion Harburg.
WOCHENBLATT: Hat die Zahl der Straftaten nach Ankunft der Asylbewerber zugenommen?
Uwe Lehne: Bislang können wir feststellen, dass in allen Orten, in denen Asylsuchende untergebracht wurden, kein signifikanter Anstieg von Straftaten zu verzeichnen ist. Der weitaus größte Teil der Asylsuchenden verhält sich polizeilich völlig unauffällig. Wie in allen Teilen der Gesellschaft gibt es wenige Personen, die durch die Begehung von Straftaten auffallen und so auch für Einsätze im Bereich der Asylbewerberunterkünfte sorgen.
WOCHENBLATT: Um welche Straftaten handelt es sich?
Uwe Lehne: Meine Beamten ermitteln in mehreren Fällen wegen Ladendiebstahls oder dem sogenannten Schwarzfahren. Manchmal halten sich Asylbewerber nicht an die Gebietsauflagen und werden beispielsweise in Hamburg angetroffen, obwohl ihnen nur der Aufenthalt im Landkreis Harburg erlaubt ist. Auch solche Verstöße ziehen Ermittlungen bei uns nach sich.
WOCHENBLATT: In jüngster Zeit - so macht es den Eindruck - kommt es häufiger zu Auseinandersetzungen innerhalb der Unterkünfte. Ist dieser Eindruck richtig? Und wenn ja, welche Gründe haben die Konflikte?
Uwe Lehne: Innerhalb der Unterkünfte haben wir gelegentlich Einsätze nach Ruhestörungen oder auch Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Hier sorgen Alkoholkonsum und Traumata durch das im Heimatland Erlebte für Spannungen, die manchmal in Auseinandersetzungen untereinander münden.
Grundsätzlich schreitet die Polizei bei gemeldeten Störungen ein, um auch gegenüber den Asylbewerben deutlich zu machen, dass Fehlverhalten nicht toleriert wird. Je nach Akzeptanz in der unmittelbaren Nachbarschaft wird die Polizei auch sehr niedrigschwellig informiert, wenn es zum Beispiel zu Ruhestörungen kommt.
Wenn wir bei einzelnen Personen erkennen, dass sie innerhalb einer Unterkunft fortgesetzt für Konfliktpotential sorgen, wird für diese Personen in Abstimmung mit dem Landkreis eine Verlegung in eine andere Unterkunft veranlasst, sodass danach meist eine sofortige Beruhigung eintritt.
WOCHENBLATT: Eltern äußern häufig die Befürchtung, ihre Töchter könnten von Asylbewerbern - verbal oder körperlich - belästigt werden oder behaupten, dass dies bereits vorgekommen sei, wenn die Mädchen an bestimmten Unterkünften vorbeikommen. Gibt es dazu vermehrt Beschwerden oder Anzeigen?
Uwe Lehne: Diese Vorbehalte werden auf Informationsveranstaltungen und gerade auch in sozialen Netzwerken immer wieder thematisiert. Die Polizei kann hier kein erhöhtes Beschwerde- oder Anzeigenaufkommen feststellen.
WOCHENBLATT: In Internetforen kursieren Gerüchte, Asylbewerber hätten ein oder mehrere minderjährige Mädchen vergewaltigt, und die Polizei würde diese Straftaten vertuschen. Hat die Polizei Erkenntnisse über diese Vorfälle?
Uwe Lehne: Die Polizei kennt diese Gerüchte auch. Gerade deswegen haben wir selbst Ermittlungen angestellt, um den Wahrheitsgehalt zu prüfen. Bislang gibt es weder ein Opfer noch Erkenntnisse zu einer tatsächlichen Tat oder zum Verfasser dieser Meldung. Mein Kollege Hans-Jürgen Scholz (Anm. d. Red., der Leiter der Polizeistation Tostedt) hat in einer Informationsveranstaltung in Heidenau von sich aus dieses Gerücht angesprochen, um deutlich zu machen, wie wichtig Vertrauen in die Polizei und das Engagement von Unterstützergruppen sind, um Vorbehalte abzubauen und einen vernünftigen Umgang miteinander zu etablieren.
WOCHENBLATT: Gibt es Gründe, weshalb darauf verzichtet würde, solche Straftaten in Polizeiberichten zu erwähnen?
Uwe Lehne: Natürlich nicht! Die Polizei unterscheidet bei der Abwägung über eine aktive Berichterstattung zu Straftaten nicht nach der Herkunft mutmaßlicher Täter. Wie in allen anderen Fällen auch muss zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Schutz der Privatsphäre wie auch dem Opferschutz und der möglichen Gefährdung der Ermittlungen abgewogen werden.
WOCHENBLATT: Herr Lehne, vielen Dank für das Gespräch.
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