Grundsteuerreform
Viel Arbeit für die Bürger und die Finanzämter
Laut der Grundsteuerreform müssen alle Grundeigentümer bis Ende Oktober ihre Erklärungen abgeben Seit Anfang Juli sind Grundeigentümer verpflichtet, dem Finanzamt eine Grundsteuererklärung online abzugeben über das Portal ELSTER. Bereits kurz danach war das Portal wegen der hohen Zugriffszahlen zusammengebrochen. Viele, insbesondere ältere Grundeigentümer, verfügen weder über einen Internet-Anschluss noch entsprechende PC-Kenntnisse. Für sie und alle übrigen Nicht-Internetnutzer gilt die Härtefallregelung, damit sie die Steuererklärung auf Papier abgeben können. Ob ein Härtefall vorliegt, entscheidet aber das Finanzamt. Und es könnte einen Engpass geben: Denn die für die Berechnung der Steuer erforderlichen Hebesätze werden durch die zuständigen Kommunen voraussichtlich erst im Jahr 2024 festgesetzt.
Derzeit fließen 15 Milliarden Euro
jährlich an die Kommunen
Derzeit fließen mit der Grundsteuer rund 15 Milliarden Euro jährlich an die Kommunen, die von dem Geld Schulen, Kindertagesstätten, Schwimmbäder oder Büchereien finanzieren und Investitionen in die örtliche Infrastruktur wie Straßen, Radwege oder Brücken vornehmen (sollen). Mit der Reform wird den Gemeinden jetzt zudem das Recht eingeräumt, ab dem Jahr 2025 aus städtebaulichen Gründen auf unbebaute, baureife Grundstücke einen erhöhten Hebesatz festzulegen.
Niedersachsen wendet
Flächen-Lage-Modell an
Niedersachsen geht bei der Grundsteuerreform einen eigenen Weg und wendet ein Flächen-Lage-Modell statt dem verkehrswertorientierten Bundesmodell an. Das Modell in Niedersachsen sei mit nur noch einer einmaligen Hauptfeststellung für die ca. 3,6 Millionen zu bewertenden Grundstücke leichter zu verwalten als das Bundesmodell, das regelmäßig weitere Hauptfeststellungen im Sieben-Jahres-Rhythmus benötigt, so die Begründung.
In der Praxis scheitern jedoch viele an der Erklärung, wie Tobias Handkte, Bürgermeister der Gemeinde Neu Wulmstorf, berichtet. "Unsere Mitarbeiter im Rathaus werden täglich von Menschen angesprochen, die heillos überfordert sind mit der Erklärung." Das Problem dabei: Die Erklärung muss selbst ausgefüllt werden. Abgesehen vom Steuerberater und nahen Verwandten darf niemand dabei helfen. Zwar hätte die Gemeinde Neu Wulmstorf gerne Räume und beratendes Personal zur Verfügung gestellt, aber "rechtlich gesehen sind uns die Hände gebunden", sagt Handtke. Frustrierend für den Bürgermeister ist außerdem, dass nicht nur die Länder, sondern schon die Landkreise unterschiedlich mit der Grundsteuererklärung umgehen.
210.000 Betroffene
in beiden Landkreisen
Im Bereich des Finanzamtes Buchholz gibt es ca. 73.000 Grundsteuerfälle. Im Juli waren 6.565 Erklärungen eingegangen. "Die Bearbeitung der Erklärungen ist bis 2025 zu schaffen. Das geschieht unabhängig von der Arbeit der Kommunen und den Hebesätzen. Die Finanzämter erstellen die Grundlagenbescheide für die Grundsteuerfestsetzung durch die Städte und Gemeinden. D.h., die Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer ist alleine Aufgabe der Kommunen. Bisher liegen ca. 500 Härtefall-Anträge vor (0,7 Prozent der Gesamtfälle)", teilt das Finanzamt Buchholz mit.
Im Bereich des Finanzamtes Winsen befinden sich ca. 47.500 zubewertende wirtschaftliche Einheiten. Bis Ende Juli 2022 waren rund 4.400 Grundsteuererklärungen eingegangen. "Die Feststellung der Grundsteuermesszahlen wird voraussichtlich bereits vor dem 31. Dezember 2024 erfolgt sein. Den Gemeinden werden zeitgerecht die Grundsteuerdatensätze zur Verfügung gestellt. Dies erfolgt unabhängig davon, ob die Werte für die Veranlagung zur Grundsteuer von den Gemeinden erst ab dem 1. Januar 2025 benötigt werden", teilt das Finanzamt Winsen mit. Bis Ende Juli 2022 seien weniger als 350 Härtefallanträge beim Finanzamt Winsen eingegangen.
Im Bereich des Finanzamts Stade sind rund 90.000 wirtschaftliche Einheiten neu zu bewerten, für die jeweils eine Grundsteuererklärung abzugeben ist. Bis Anfang August waren hier rund 10.000 Grundsteuererklärungen eingegangen, davon wurden ca. drei Prozent der Steuererklärungen als Härtefall in Papierform eingereicht. Die Hotline für Grundeigentümer, die Hilfe bei der Grundsteuererklärung benötigen, werde bereits gut angenommen.
Das Finanzamt Stade weist für weitere Informationen außerdem auf die landeseigene Internetseite zur Grundsteuerreform hin: www.lstn.niedersachsen.de/steuer/grundsteuer. Wer über keinen eigenen ELSTER-Zugang verfügt, könne auch den bestehenden Zugang eines Angehörigen zur Erklärungsabgabe nutzen.
In der Erklärung muss stehen:
- Aktenzeichen
- Adresse
- Eigentümer
- Gemarkung/Flurstück
- Grundbuchnummer oder Adresse
- Wohnfläche
- Grundstücksfläche
- Das Finanzamt ermittelt den Bodenrichtwert.
Hilfe für die Ermittlung der Wohnfläche gibt es online bei Grundsteuer digital unter: www.hilfe.grundsteuer-digital.de/faq/wohn-nutzflaeche-des-gebaeudes-in-m².
Weitere Infos auch unter www.grundsteuer-viewer.niedersachsen.de.
(bim/sv).
Warum gibt es die Grundsteuerreform?
Diese Erklärung gibt das Bundesfinanzministerium:
Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Bis spätestens zum 31. Dezember 2019 musste eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden. Die Grundsteuer kann jedoch in ihrer jetzigen Form übergangsweise bis zum 31. Dezember 2024 weiter erhoben werden. Ab dem 1. Januar 2025 wird dann die Grundsteuer auf Grundlage des neuen Rechts erhoben.
Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten (den sogenannten Einheitswerten). Im Westen werden die Grundstücke nach ihrem Wert im Jahr 1964 berücksichtigt. In den ostdeutschen Ländern beruhen die zugrunde gelegten Werte auf Werten aus dem Jahr 1935. Diese Einheitswerte werden mit einem einheitlichen Faktor, der sogenannten Steuermesszahl, und anschließend mit dem Hebesatz multipliziert. Während die Steuermesszahl nach altem Recht bundeseinheitlich festgelegt ist, wird der Hebesatz - und damit letztlich die Grundsteuerhöhe - von den Gemeinden bestimmt.
Da sich die Werte von Grundstücken und Gebäuden seit 1935 bzw. 1964 sehr unterschiedlich entwickelt haben, kommt es aktuell zu steuerlichen Ungleichbehandlungen, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz nicht mehr zu vereinbaren sind.
Hilfreiche Unterlagen
- Grundbuchauszug für die Ermittlung der Grundstücksgröße (erhältlich beim zuständigen Amtsgericht)
- Einheitswertbescheid / Grundsteuermessbescheid
- Unterlagen über Eigentumsverhältnisse
- Kauf- und Darlehnsverträge
- Flurkarte (erhältlich beim entsprechenden Katatster- bzw. Vermessungsamt).
Auf ein Wort: Wie gerecht wird die Reform für die Grundeigentümer?
Ist die Grundsteuerreform wirklich ein Instrument, um mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen? Oder eher eine Möglichkeit, mehr Geld in die meist klammen Gemeindekassen zu spülen? Das werden wir frühestens 2025 erfahren, wenn die Kommunen ihre Hebesätze festgelegt und die Finanzämter ihre Bescheide versandt haben.
Dass ein Finanzamt bei einem Härtefall-Antrag entscheiden soll, ob ein Grundeigentümer über einen Internetanschluss, einen PC und/oder entsprechende Kenntnisse verfügt, finde ich recht abenteuerlich. Wie soll das überprüft werden? Durch unangemeldete Hausbesuche oder eine illegale Datenabfrage beim Telekommunikationsdienstleister?
Allein die Ermittlung, welche Flächen als Wohnräume bewertet werden, bedarf einiger Internetrecherchen. Und welche Zahl gilt, wenn die Quadratmeterzahl des Grundstücks im Grundbuchauszug anders angegeben ist als im Kaufvertrag?
Der Gesetzgeber hat es versäumt, die Menschen in verständlicher und nachvollziehbarer Weise auf dem Weg zur Grundsteuerreform mitzunehmen. Das hätte in Form von Informationsveranstaltungen, die vermehrt erst in den vergangenen Wochen – zumeist auf private Initiativen hin – organisiert wurden, oder mit Flyern lange im Vorfeld geschehen müssen.
Positiv könnten sich die höheren Hebesätze für baureife, aber nicht bebaute Grundstücke auswirken, wenn so Grundstücksspekulanten von einer Bebauung „überzeugt“ werden. Leider wird das aber auch Familien treffen, die große, teilbare Grundstücke für die künftige Bebauung durch ihre Erben geplant haben.
Ich bin gespannt, wie gerecht sich die Grundeigentümer nach der reformierten Steuererhebung behandelt fühlen werden. Bianca Marquardt
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