Was ist los in der Jugendherberge in Inzmühlen? So werden die minderjährigen Flüchtlinge betreut
bim. Handeloh. Was ist bloß los in der Flüchtlingsunterkunft in der Jugendherberge in Handeloh-Inzmühlen? Das fragen sich viele Dorfbewohner, nachdem in fünf Monaten sechs Mal die Feuerwehr zu Fehlalarmen in die Einrichtung, in der 53 junge männliche Flüchtlinge leben, ausrücken musste. Im Mai kam es zudem zu einer spontanen Demonstration der Flüchtlinge. Das WOCHENBLATT nahm das zum Anlass, sich vor Ort mit Jugendamtsleiter Thorsten Treybig sowie Diana von Elling, Regine Streckenbach und Uwe Hillebrecht von den Quäkern zu treffen, um sich über die Betreuung der Jugendlichen zu informieren.
Die 53 Flüchtlinge in Inzmühlen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die überwiegend aus Afghanistan sowie auch aus Eritrea, Somalia, Pakistan, Ägypten, Albanien und dem Sudan kommen, werden von den Quäkern als Jugendhilfeträger betreut. Untergebracht sind sie in der Regel in Zwei- und Dreibett-Zimmern.
Aufgeteilt sind die Jungen in vier Gruppen mit jeweils zwei Betreuern. Nachts sind ein pädagogischer Mitarbeiter und zwei Sicherheitskräfte vor Ort.
Insgesamt sind bei den Quäkern für die Unterkunft in Inzmühlen 27 Personen - vom Hausmeister und Küchenpersonal über Helfer im Erziehungsdienst bis zu sozialpädagogischen Fachkräften - angestellt. Der Sicherheitsdienst ist über Human Care beschäftigt.
„Alle jungen Flüchtlinge haben einen strukturierten Tagesablauf“, betont Jugendamtsleiter Thorsten Treybig. Sie besuchen Schulen in Tostedt, Hollenstedt, Salzhausen und Winsen.
Zwischen 13 und 16 Uhr kommen sie wieder in der Jugendherberge an. „Viele der Jungs haben sich Sportangebote wie Fitness, Fußballspielen oder Kickboxen als Freizeitaktivität gesucht, u.a. beim Todtglüsinger Sportverein“, berichtet Regine Streckenbach.
Was die Mobilität angeht, können die Jugendlichen nach vorherigem Fahrradtraining durch die Polizei für 20 Euro ein Fahrrad erwerben. Mit einem HVV-Ticket können sie zwischen Buchholz und Tostedt den Zug nutzen. „Außerdem bieten wir wochentags einen Shuttleservice Richtung Tostedt an“, so Regine Streckenbach. Fahrten zu Ämtern, Ärzten und Beratungsangeboten gehören ebenso zum Alltag.
Auf dem Herbergsgelände gibt es u.a. einen Bolzplatz, Tischtennis-Platten draußen und drinnen und einen Kickertisch. Die Jugendlichen können an einem ehrenamtlich angebotenen Gitarrenunterricht teilnehmen, in einer Trommelgruppe oder bei einem Kunstangebot mitmachen.
„Ab und zu feiern die Jungs auch eine Party. Bei den jungen Flüchtlingen bedeutet das, sich Tee zu kochen und Chips zu essen oder zu tanzen“, sagt Regine Streckenbach.
Wenn am nächsten Tag Schule ist, gelte ab 22 Uhr Zimmerruhe. Am Wochenende wird es auch mal später. Aber, so betont Diana von Elling, die Flüchtlingsunterkunft sei kein Gefängnis.
Ziele seien, den jungen Flüchtlingen lebenspraktische Fähigkeiten zu vermitteln, ihnen geeignete Schul- und Ausbildungsangebote zu unterbreiten unter Berücksichtigung einer möglichen Anwendung im Herkunftsland sowie die Erarbeitung einer realistischen Lebensperspektive, so Thorsten Treybig.
Ärger über die dauernden Fehlalarme
Die Jugendherberge in Inzmühlen dient seit Ende 2015 minderjährigen Flüchtlingen als vorübergehende Bleibe. Die Brandmelde-Anlage war nach aktuellen Brandschutzbestimmungen Bedingung, damit auch in den ersten Stock Flüchtlinge einziehen konnten. Sicherheit ist natürlich wichtig. Das Problem ist aber, dass die Rauchmelder, die in allen Zimmern und auf den Fluren installiert sind, selbst auf Raum- und Deosprays reagieren. Bisher sei die Anlage nur einmal mutwillig ausgelöst worden, einmal war ein Dampfbügeleisen der Grund, die übrigen Auslöser sind auch den Mitarbeitern unbekannt, sagt Uwe Hillebrecht. Rechtzeitig Entwarnung zu geben, wenn es sich um einen Fehlalarm handelt, sei nicht möglich. „Bis die Mitarbeiter am Schaltkasten herausgefunden haben, aus welchem Zimmer der Alarm kommt, ist die Feuerwehr schon auf dem Weg. Außerdem können und dürfen wir die Anlage nicht selbst abstellen“, erläutert Diana von Elling. Und parallel läuft jedes Mal die Evakuierung des Hauses an, für den Fall, dass es doch brennt.
Der Landkreis sei bestrebt, Abhilfe zu schaffen, wisse derzeit aber auch noch keine Lösung, so Kreissprecher Johannes Freudewald. Die die Anlage betreuende Firma habe die Mitarbeiter und Flüchtlinge jetzt nochmal auf die Sensibilität der Anlage und den Umgang damit hingewiesen.
Wohngruppen und Heime für junge Flüchtlinge
Als dem Landkreis Harburg ab Ende 2015 binnen drei Monaten 138 junge Ausländer zugewiesen wurden, galt es, geeignete Unterkünfte, pädagogisches Personal und Schulplätze zu finden.
Die Jugendherberge Inzmühlen ist Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. "Für die Jugendlichen, die ein gewisses Maß an Selbstständigkeit mitbringen, gibt es den Plan, dass sie als erste in dezentrale sozialpädagogisch begleitete Jugend-Wohngemeinschaften umziehen, von denen es im Landkreis neun mit 32 Plätzen gibt. Die Jüngeren können in Einrichtungen der Heimerziehung in Scharmbeck, Toppenstedt oder Anfang 2017 in Buchholz mit insgesamt 29 Plätzen wechseln", so Jugendamtsleiter Thorsten Treybig. Ziel sei es, die Plätze in der Jugendherberge im kommenden Jahr zu reduzieren.
Im gesamten Landkreis Harburg gibt es derzeit 163 minderjährige Flüchtlinge (zum Vergleich: bundesweit sind es 65.000). Untergebracht sind sie - außer in Inzmühlen - in Wohnungen und Einrichtungen in Buchholz, Stelle, Sprötze, Bendestorf, Jesteburg, Tostedt und Winsen. Träger sind neben den Quäkern die Arbeiterwohlfahrt, der Forellenhof Jesteburg, der Friedenshort in Tostedt, das Kinderhaus Wittorf und die Reso-Fabrik.
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