Weiter Probleme bei der Alarmierung
(bim). Die 107 Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis sind für die Sicherheit der Bürger in allen Kommunen 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr ehrenamtlich im Einsatz. Doch statt sich auf ihre Kernkompetenzen - retten, löschen, bergen, schützen - konzentrieren zu können, gibt es mit der digitalen Alarmierung offenbar nach wie vor Probleme. "Entweder werden wir gar nicht oder falsch alarmiert, oder wir fahren irgendwo hin, wo wir gar nicht hinsollen. Wenn die Alarmierung nicht funktioniert, hat der Bürger keine Sicherheit", schimpfte Buchholz' Ortsbrandmeister Ralf Behrens-Grünhage in der Jahreshauptversammlung der Wehr.
Dabei wollte der Landkreis die Pannen nach dem Alarmierungschaos während des Herbststurms "Xavier" im Oktober 2017 längst beheben. Das WOCHENBLATT hatte damals exklusiv über die Schwierigkeiten wegen der neuen Technik berichtet, nachdem Tostedts Gemeindebrandmeister Sven Bauer diese öffentlich gemacht hatte. Feuerwehrkräfte hatten damals erzählt, dass es seit der Umstellung auf die digitale Alarmierung im Sommer 2017 Probleme gebe.
Ronald Oelkers, Abteilungsleiter Ordnung und Zivilschutz beim Landkreis Harburg, hatte im vergangenen November im Gespräch mit dem WOCHENBLATT von einer inzwischen 96-prozentigen Sicherheit gesprochen.
"Im Kreishaus schaffen sie es nicht, die Melder zu programmieren", sagte dagegen Ortsbrandmeister Ralf Behrens-Grünhage. "Was wiegt mehr - Datenschutz oder Menschenleben? Ich traue uns zu, dass wir die Melder selbst programmieren können", so Buchholz' Stadtbrandmeister André Emme. Doch die "Programmierungs-Hoheit" will der Landkreis nicht abgeben, da er für die sichere Aussendung der Alarmierungsinhalte zuständig ist und sich auch beim Schutz sensibler personenbezogener Einsatzdaten in der Verantwortung sieht.
"Es gab und gibt noch das ein oder andere Problem in der Leitstelle. Landkreis und Bürgermeister sind im Gespräch", sagt dazu Kreisbrandmeister Volker Bellmann. "Gefühlt sind wir schon ein ganzes Stück weiter als vor eineinhalb Jahren", so Bellmann.
"Ist der Landkreis Harburg knapp einer Katastrophe entgangen?" titelte das WOCHENBLATT im Oktober 2017 nach einem Alarmierungschaos beim Sturm "Xavier", das den Rettern ihre wichtige ehrenamtliche Arbeit erschwerte. Nach dem Zusammenschluss der Leitstellen in den Kreisen Harburg, Rotenburg und Heidekreis sowie der Umstellung auf digitale Alarmierung offenbarte der Herbststurm diverse Schwachstellen des Systems. Der Landkreis Harburg habe seitdem technisch und personell nachgerüstet, erklärten Ronald Oelkers, Abteilungsleiter Ordnung und Zivilschutz, und Konstantin Keuneke, seit November 2017 Leiter der Leitstelle im Kreishaus, Ende vergangenen Jahres im WOCHENBLATT-Gespräch. Doch seitens der Feuerwehren gibt es nach wie vor Kritik an der Alarmierung durch die digitalen Meldeempfänger, die wegen unzureichender oder noch nicht erfolgter Programmierung zum Teil falsche Einsatzinformationen übermitteln.
Auf Anfrage teilt Kreissprecherin Katja Bendig mit, dass es in der Vergangenheit falsche Alarmierungen durch die Leitstelle wegen Fehlern bei der Programmierung der digitalen Meldeempfänger gegeben habe, die wiederum auf Fehler in der Dokumentation der Rufadressen zurückzuführen seien. "Die im Einsatzleitrechner korrekt vergebenen Rufadressen wurden in einigen Fällen fehlerhaft auf die Meldeempfänger programmiert. In wenigen Fällen war auch die Veränderung der Alarm- und Ausrückeordnungen im Zuge der Umstellung der Software des Einsatzleitrechners Ursache fehlerhafter Alarmierungen", so Bendig. Diese Fehler würden aber laufend behoben.
Verantwortlich für die Bereitstellung des Alarmierungsnetzes, die Aussendung der Alarme und die sichere Versendung der Alarmierungstexte von der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle sei der Landkreis. Die Kreisverwaltung beschäftige zwei Mitarbeiter, die mit der Programmierung der Meldeempfänger beauftragt seien. Außerdem gebe es für die Feuerwehren das Angebot, dass diese Mitarbeiter die Melder-Programmierung vor Ort vornehmen. Dieses Serviceangebot sei bereits zum Jahreswechsel ausgeweitet worden und werde zum Ende des dritten Quartals nochmals nachgebessert. "Auch der Feuerwehr Buchholz wurde angeboten, die Programmierung der Digitalmelder vor Ort und zeitnah abzuwickeln. Dieses Angebot wurde seitens der Stadtfeuerwehrführung auf März 2019 terminiert", so die Kreissprecherin.
Dass Feuerwehrleute die Programmierung selbst vornehmen, schließt der Landkreis aus. Das Digitalalarmnetz sei durch einen Code - IDEA-Verschlüsselung genannt - gegen das Auslesen der Alarmmeldungen durch Unbefugte geschützt. "Bei der Rettungsdienstalarmierung werden neben detaillierten Einsatzdaten auch die Anschrift und der Name betroffener Personen übermittelt. Es droht erheblicher Schaden für die Hilfeersuchenden durch eine ungeschützte Übermittlung der teilweise sehr sensiblen, persönlichen Daten. Andere Betreiber von Digitalalarmnetzen haben damit sehr unangenehme Erfahrungen gemacht", erläutert Katja Bendig. Sie nimmt Bezug auf einen Fall in Hamburg im Jahr 2016, als ein Hacker 280.000 unverschlüsselte Einsatzmeldungen der Feuerwehr Hamburg monatelang zum Mitlesen ins Internet gestellt hatte.
Außerdem: "Die Programmierung erfordert tiefgehende Kenntnisse in der Konfiguration des Einsatzleitrechners. Die Programmierenden benötigen daher den direkten Kontakt zu den Systemadministratoren des Einsatzleitrechners", erläutert die Kreissprecherin.
Interessant: Während der Landkreis für die Programmierung der Meldeempfänger verantwortlich zeichnet, ist die Anschaffung derselben Angelegenheit der Kommunen, die auch die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Umgang mit den auf die Meldeempfänger übermittelten Daten tragen.
Derzeit sind laut Kreissprecherin rund 3.500 Digitalmelder bei Feuerwehren und Hilfsorganisationen im Einsatz. Aber allein in den Feuerwehren im Kreis leisten 4.871 Ehrenamtliche ihren Einsatzdienst.
Wie viele Meldeempfänger an die Feuerwehrkräfte ausgegeben werden, hänge davon ab, wie sich die Kommune aufstellt, erläutert Kreisbrandmeister Volker Bellmann. Während die Wehren in Buchholz und Seevetal fast komplett mit den Meldern ausgestattet seien, seien diese in Hanstedt, Salzhausen und in der Elbmarsch nur an verantwortliche Funktionsträger ausgegeben worden.
Anders als im Landkreis Harburg sieht es im Landkreis Stade aus, wo laut Kreisfeuerwehrsprecher Stefan Braun bereits vor der Einführung der digitalen Alarmierung Ende 2017 bei einem mehrmonatigen Testlauf mögliche Pannen aufgedeckt und abgestellt worden seien. "Wir hatten aber im Zuge der Einführung eine andere Baustelle, weil auch die Alarm- und Ausrückeordnung angepasst wurde", so Stefan Braun. Anfangs sei es deshalb gelegentlich vorgekommen, dass zwei Feuerwehren ausgerückt sind, obwohl nur eine gebraucht wurde. Diese Unstimmigkeiten seien aber inzwischen behoben.
Im Landkreis Stade mit 92 Feuerwehren gibt es rund 3.500 digitale Meldeempfänger. 300 wurden durch den Landkreis beschafft für die kreiseigenen Einheiten wie z.B. den Umweltdienst und die Kreisbereitschaften, 2.900 durch die Kommunen für die Feuerwehren und 350 für die Hilfsorganisationen wie DRK und DLRG.
Im Gegensatz zum Landkreis Harburg erfolgt die Programmierung der Meldeempfänger im Kreis Stade in der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Wiepenkathen nach den Vorgaben der Anwender, berichtet Stefan Braun. Je nach Qualifikation oder Einsatzschwerpunkten der Retter geben die Kommunen vor, welche Alarmierungscodierung programmiert wird.
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