Y-Trasse: "Der Zug würde durchs Wohnzimmer fahren"
bim. Buchholz. Rund 350 Interessierte kamen jetzt ins Gymnasium am Kattenberge in Buchholz, um sich über die Planungen zur Y-Trasse, auf denen der Güterverkehr aus den Häfen in Hamburg, Bremen und Bremerhaven ins Umland befördert werden soll, zu informieren. Eigentlich sollten auch jene Planer, die sich die Trassen ausgedacht haben, Rede und Antwort stehen. Doch weder die Deutsche Bahn noch die Ministerien in Berlin und Hannover entsandten Vertreter. Auch vom Dialogforum Schiene-Nord und von Dr. Rudolf Breimeier, der für die umstrittene Breimeier-Trasse verantwortlich zeichnet, gab es Absagen.
"Ich finde das sehr bedauerlich", kommentierte Buchholz' Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse, der die Veranstaltung moderierte. "Für mich steht fest: Es kann keine einseitige Belastung geben für Buchholz, Jesteburg, Maschen. Ebenso wenig kann ich mir einen Ausbau der Heidebahnstrecke vorstellen. Dann kann man in den betroffenen Orten nicht mehr wohnen. Der Zug würde durchs Wohnzimmer fahren", so Röhse.
Vor Ort waren aber Dr. Thomas Rössler, geschäftsführender Gesellschafter der Hanseatic Transport Consultancy und Fachbeistand der Bürgerinitiativen und Träger öffentlicher Belange, der die Entwicklung des Güterverkehrsaufkommens in Norddeutschland darstellte, und Dr. Alexander Stark, Leiter der Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung beim Landkreis Harburg, der die Trassenvarianten vorstellte.
Seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" habe sich der Güterverkehr erheblich entwickelt, so Rössler. Die Häfen in Hamburg, Bremen und Bremerhaven würden zunehmend auf die Güter-Beförderung auf der Schiene ins Umland setzen. Der Güterumschlag in den Häfen werde sich laut Prognosen bis 2030 auf rund 468 Millionen Tonnen um 74 Prozent erhöhen. Bereits eingerechnet ist dabei aber die noch nicht erfolgte Elbvertiefung. Und dank des aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg werden die Hürden für deren Realisierung nun höher gelegt.
Doch egal, wie stark der Umschlag in den Häfen wachse, der Güterverkehr auf der Schiene werde zunehmen, prophezeite Rössler. Die betroffenen Anlieger hätten "die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, die Schiene ist der Teufel, der Lkw-Verkehr der Beelzebub", so Rössler. Wenn die Politik allerdings auf den Güterverkehr und eine Verkehrswende setze, müsse auch mehr investiert werden.
Um die Kapazitätsprobleme zu lösen, müsse dabei nicht nur - wie bisher - der Neu- oder Ausbau des Schienennetzes zwischen Hamburg, Bremen und Hannover, sondern auch der der Knoten betrachtet werden. Rössler verglich die Knoten mit einem Rasensprenger. "Sie können noch so viele Anschlüsse legen und bekommen trotzdem nicht mehr Wasser."
Dr. Alexander Stark, der seit einem halben Jahr im Dialogforum mitarbeitet, betonte: "Der Landkreis steht nicht hinter den Y-Trassen-Planungen. Die vorliegenden Unterlagen lassen viele technische und inhaltliche Fragen nach wie vor offen." Er stellte die Y-Trassen-Varianten vor, u.a.:
Die klassische Y-Trasse:
Diese wurde bereits 1992 diskutiert, damals mit Blick auf den Schnellschienen-Fernverkehr (ICE). Seit 2011/12 gibt es eine Änderung der Planungsprämisse mit Betrachtung des Güterverkehrs. Die klassische Y-Variante sieht den Bau einer Neubaustrecke zwischen Lauenbrück, Visselhövede und Isernhagen (rd. 92 km) mit einer weiteren Verbindung zwischen Isernhagen und Lehrte (rd. 25 km) vor. Vom zusätzlichen Güterverkehr betroffen wären die Anwohner zwischen Buchholz und der Samtgemeinde Tostedt bis zur Kreisgrenze nach Rotenburg.
SGV-Y:
Das SGV-Y sieht einen rd. 95 km langen Neubau zwischen Celle und Jesteburg vor.
Dadurch wird eine Verbindung zwischen der Strecke Maschen - Buchholz und der Strecke Celle - Hannover bzw. Lehrte geschaffen. Diese Neubaustrecke würde zwischen Ramelsloh und Jesteburg neu abzweigen und dann ab Brackel entlang der A7 geführt.
Kombination aus Heidebahn- und OHE-Strecke:
Diese sieht den zweigleisigen Neubau und die Elektrifizierung der Heidebahn zwischen Buchholz und Soltau, eine teilweise Neutrassierung der südlichen OHE zwischen Sülze und Wiezendorf mit Umfahrung in Bergen sowie eine Einbindung der Strecke in Celle vor.
VCD-Modell-Strecke
Vorschlag des Verkehrs-Clubs Deutschland (VCD). Es ist eine Kombination aus einer Neubaustrecke und einer stillgelegten Schienentrasse (Buchholz - Wittenberge) und als Modellstrecke für doppelstöckigen Containertransport vorgesehen. Von dieser Variante wäre auch Jesteburg betroffen.
Neben Thomas Rössler und Alexander Stark auf dem Podium: Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam, Jesteburgs Samtgemeinde-Bürgermeister Hans-Heinrich Höper und der stv. Landrat und CDU-Bundestagsabgeordnete Heiner Schönecke.
Das BVU-Gutachten sei eine grobe Einschätzung. "Man muss vorsichtig sein, aus der Bewertung irgendetwas abzuleiten", sagte Peter Dörsam.
Was in dem Verfahren fehle, sei "das elementare Interesse. dass der Schienenpersonennahverkehr Richtung Hamburg verbessert wird und dass sich der Güterverkehr dem unterzuordnen hat", so Heiner Schönecke.
Was die Bürger neben der Zerschneidung von Landschaft und Orten fürchten, ist vor allem die zusätzliche Lärmbelastung. Darüber gibt weder das BVU-Gutachten Auskunft noch wurde sie bisher im Dialogforum angesprochen. Kein Trost war der Hinweis von Thomas Rössler auf die laut Koalitionsvertrag bis 2020 angestrebte Lärmsanierung des Güterverkehrs mit dem Umrüsten auf sogenannte Flüsterbremsen.
Gegen die Y-Trasse auf der Heidebahnstrecke sind BI in Handeloh ("HydeWahn") und Holm-Seppensen ("Bürgerinitiative güterzugfreies Holm-Seppensen) gegründet worden.
Das Dialogforum Schiene-Nord
Das Dialogforum Schiene-Nord ist eine bislang in Deutschland einzigartige Beteiligungsmöglichkeit. Darin diskutieren seit Januar rund 80 Personen - u.a. Bürgermeister und Landräte der von den Y-Trassen-Varianten betroffenen Kommunen sowie Vertreter von inzwischen 28 Bürgerinitiativen (BI). Bis November sollen sie - auch auf Grundlage der Varianten-Untersuchung der vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) beauftragten "BVU Wirtschaft + Verkehr GmbH" - eine Empfehlung für eine oder mehrere Trassen abgeben, die dann in die Bundesverkehrswegeplanung einfließen. Weitere Termine des Dialogforums in Celle: 17. Juli, 11. September, 9. Oktober und 5. November.
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