Tostedt
Bauruinen verschandeln Ortsbild - Hoffen auf den Einsturz
Ein besonderes "Baudenkmal" ziert seit mehr als fünf Jahren das Entree am Ortseingang Tostedts aus Richtung Heidenau. An der Heidenauer Straße auf den Grundstücken 13 und 15 sollten "52 moderne und zum Teil barrierefreie Eigentumswohnungen" entstehen, wie sie im Frühjahr 2018 in einer bestens besuchten Informationsveranstaltung angepriesen wurden. Die ursprünglich avisierte Fertigstellung: 2019. Doch stattdessen tut sich auf der Baustelle, auf der es gerüchteweise von Beginn an Probleme gegeben haben soll, nichts. Und das hässliche Eigentum wechselt häufiger den Besitzer. Daher sind die Gemeinde Tostedt und der Landkreis Harburg als Bauaufsichtsbehörde ratlos, wie sie die Schrott-Immobilien aus dem Ortsbild verschwinden lassen können.
Mit Grünspan befleckte
und verwitterte Betonblöcke
Nach mehr als fünf Jahren Stillstand stehen an der Heidenauer Straße lediglich zwei mit Grünspan befleckte und verwitterte Betonblöcke. Manchmal liegt davor Material - und verschwindet wieder. Doch ansonsten tut sich auf der Baustelle seit Jahren nichts. In Tostedt sind die beiden Bauruinen auch in politischen Sitzungen immer mal wieder Gesprächsthema, weil viele Einwohner über den Anblick empört sind. Und es gibt Gerüchte, u.a., dass osteuropäische Bauarbeiter Eisen von der Baustelle, das in die Decken eingebaut werden sollte, verhökert hätten.
Ein Tostedter, der selbst früher in der Baubranche tätig war, erklärte gegenüber dem WOCHENBLATT vor einiger Zeit: Es sei an den Bauten kein Bewehrungsstahl eingebaut worden, dadurch seien die Decken einsturzgefährdet. "Aus meiner Erfahrung gibt es einen Tragwerksplaner, der die Bewehrung abnimmt, bevor betoniert wird", erklärte er. Und er fragte sich: "Handelt es sich um einen Versicherungsfall? Wurde die Baustelle vom Landkreis Harburg als Bauaufsichtsbehörde stillgelegt?"
Hintergründe zum
Baustillstand bleiben unklar
Die Beobachtung, dass die Arbeiten dort ruhen, sei korrekt, teilte eine Immobiliengruppe auf WOCHENBLATT-Anfrage im Frühjahr 2021 mit. Das Unternehmen - nennen wir es "M" - hatte "insgesamt 56 schlüsselfertig auf den Grundstücken Heidenauer Straße 13 und 15 zu errichtende Wohnungen gekauft."
Verkäufer war eine andere Immobilienfirma, nennen wir sie "D". Die Firma "M.", so teilte das Unternehmen mit, sei auf der Baustelle aber nicht als Bauunternehmer tätig. "Zu den Hintergründen des Baustillstandes können wir daher aktuell keine Aussage tätigen. Dies wird gegenwärtig geklärt", hieß es damals.
Auf die Frage, wann die Wohnungen voraussichtlich bezugsfertig sein sollen, wurde seinerzeit mitgeteilt: "Wir können derzeit leider keine Auskünfte zur Weiterführung und Fertigstellung der Wohnungen geben, werden dies jedoch gerne proaktiv nach Klärung der offenen Sachverhalte tun." Das ist nie geschehen. Es könne auch nichts gesagt werden, da sich einige Dinge in der juristischen Prüfung befänden.
Kaufvertrag wurde im
Sommer 2022 rückabgewickelt
Nach mehreren unbeantworteten WOCHENBLATT-Anfragen erklärte Firma "M." dann im August 2022: "Wir haben unseren Kaufvertrag im Sommer 2021 rückabgewickelt an den Verkäufer, die Firma 'D.'."
Zu dem Unternehmen "D." Kontakt aufzunehmen, war dem WOCHENBLATT nicht möglich: Angegebene E-Mail-Adressen existierten nicht, bei den Geschäftsführern gibt es offenbar häufige Wechsel. Und auch die online zum Unternehmen veröffentlichten Einträge ins Handelsregister geben zu denken: mit Sitz in Hamburg steht das Unternehmen als Bau- und Erschließungsträger im Juli 2018 (als Neueintragung) darin, mit Sitz in Himmelkron (Landkreis Kulmbach, Bayern) seit September 2024 als Unternehmen für "An- und Verkauf sowie Halten und die Entwicklung von Immobilien" - mit drei verschiedenen früheren Adressen in Hamburg und keinerlei Angabe zu Mitarbeitern und Kontaktmöglichkeiten.
Baustelle zwischenzeitlich
nicht ausreichend gesichert
Der Landkreis bestätigt, dass die Baustelle zwischenzeitlich nicht ausreichend gesichert war. Dementsprechend sei 2023 ein bauaufsichtliches Verfahren durchgeführt worden, um für die ordnungsgemäße Sicherung zu sorgen.
Die Gemeinde habe mehrfach versucht, zu den Eigentümern Kontakt aufzunehmen, erklärte Tostedts Gemeindedirektor Dr. Peter Dörsam jetzt auf WOCHENBLATT-Anfrage. Lange ebenfalls vergeblich. Einen Hoffnungsschimmer habe es gegeben, als sich ein neuer Ansprechpartner bei der Gemeinde gemeldet habe. Im Mai gab es einen Ortstermin mit dem Landkreis, dem Bauamt der Samtgemeinde und einem Investor, bestätigt der Landkreis. "Es ging im Wesentlichen darum, dass der Interessent das Bauvorhaben fortführen wollte. Seither hat es jedoch keinen weiteren Kontakt zur Kreisverwaltung gegeben", teilte die Kreispressestelle jetzt mit.
Verfahren wegen Verunstaltung
wäre eine Möglichkeit
Ein Einschreiten durch die Gemeinde oder den Landkreis sei allerdings nicht so einfach möglich. "Theoretisch könnte ein Verfahren wegen Verunstaltung nach Paragraf 3 Absatz 3 der Niedersächsischen Bauordnung eingeleitet werden. Unserer Rechtsauffassung nach ist es aber sehr unwahrscheinlich, dadurch einen Abriss durchsetzen zu können. Denn dafür müsste Gefahr im Verzug sein, etwa weil ein Gebäude einsturzgefährdet ist", teilte der Kreissprecher weiter mit.
Der Paragraf 3, 3 Abs.3, der NBauO besagt: "Bauliche Anlagen dürfen nicht verunstaltet wirken und dürfen auch das Gesamtbild ihrer Umgebung nicht verunstalten."
Das tun die Ruinen aber seit Jahren. Und bei einem Ortstermin des WOCHENBLATT im Februar 2023, als das Gelände offen zugänglich war, machten die Gebäude keinen wirklich sicheren Eindruck. Somit dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Ruinen einstürzen.
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