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Samtgemeinde Tostedt
Bewegende Worte beim Besuch der Stolpersteine

Diese vier Stolpersteine in der Poststraße erinnern an das Schicksal von vier Mitgliedern der Familie Rosen  | Foto: Sonja Kröger
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  • Diese vier Stolpersteine in der Poststraße erinnern an das Schicksal von vier Mitgliedern der Familie Rosen
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Zu einem bewegenden Rundgang zu den Stolpersteinen, die in er Samtgemeinde Tostedt an die Opfer des NS-Regimes erinnern, begrüßte das Forum für Zivilcourage anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht jüngst rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Zunächst hielt Forums-Mitglied Gregor Rick eine ergreifende Rede (sieht unten). Danach stellte Robin Schäfer vom Tostedter Jugendrat das Schicksal von vier Mitgliedern der Familie Rosen (Poststraße 62/64) vor. Der weitere Rundgang führte zu den Stolpersteinen zur Erinnerung an Rosette Dörnbrack (Bahnhofstraße 35), Friedrich Meyer (Poststraße 1), Selma Blumann (Unter den Linden 39) sowie Boleslaw Marzec und Anna Riepshoff (vor dem Rathaus, Schützenstraße 24).

Zum Abschluss hielt Christian Huland, Mitglied der Arbeitsgruppe Stolpersteine, eine Rede und wies auf den Dokumentarfilm "Mitten unter uns - Stolpersteine in der Samtgemeinde Tostedt" (aufrufbar bei YouTube) und auf die Ausstellung "Stolpersteine in der Samtgemeinde Tostedt, das inklusive Unterrichtsmaterial über das Archiv der Samtgemeinde Tostedt ausgeliehen werden kann.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch das gemeinsame Singen des Liedes "Die Moorsoldaten", ein Lied, das 1933 von Häftlingen des Konzentrationslagers Börgermoor bei Papenburg im Emsland geschrieben worden ist und als Hymne des NS-Widerstandes gilt.
Ulli Gras vom Forum dankte in seiner Schlussrede allen Rednern, Rednerinnen und Teilnehmenden,  insbesondere auch den anwesenden Vertretern des Jugendrates sowie allen anderen Jugendlichen.

Die Rede von Gregor Rick:

Wir erinnern uns heute am 9.11.2024 wieder an einen Teil unserer Geschichte, nämlich die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938:

Bereits seit Jahren wurden Jüdinnen und Juden in Deutschland systematisch diskriminiert. Die Nürnberger Rassengesetze waren schon seit 1935 in Kraft. Die Pogrome, bei denen hunderte Jüdinnen und Juden getötet, zehntausende in der Folge in Konzentrationslager deportiert, Synagogen, Gebetshäuser und Geschäfte gestürmt und in Brand gesteckt, sowie Friedhöfe geschändet worden waren, gilt als Beginn, oder jedenfalls Vorbote des sich anschließenden Holocausts, der systematischen Vertreibung und ernichtung allen jüdischen Lebens.

Ich möchte in dem Zusammenhang über ein anderes Thema sprechen, das seit einiger Zeit in Deutschland, Europa und den USA eines der wichtigsten zu sein scheint: Die sogenannte „illegale Migration“.
Zum Zeitpunkt der Novemberpogrome 1938 waren bereits viele Menschen vor den unerträglichen Bedingungen in Deutschland geflohen und es sollten in den Folgejahren noch mehr werden.

Im selben Jahr gab es ein weiteres internationales Ereignis: Die Konferenz von Évian. Auf Einladung der USA trafen sich 32 Nationen, um darüber zu beraten, wie mit jüdischen Flüchtlingen umzugehen sei. Obwohl allen Beteiligten die Situation der Jüdinnen und Juden in Deutschland bewusst war, überboten sie sich nicht gegenseitig darin, möglichst viele Flüchtlinge aufzunehmen. Im Gegenteil: Die Geflüchteten wurden als Problem gesehen.
Man dachte auch über Alternativen nach: Vielleicht schickt man sie alle nach Angola oder Madagaskar. Wenn man stattdessen Albanien und Ruanda einsetzt, ist man bei dem, was heute wieder wie selbstverständlich als “Drittstaatenlösung” diskutiert wird.
Das Ergebnis der Konferenz war jedenfalls: Es gab keins! Keiner der teilnehmenden Staaten erklärte sich bereit, nennenswert mehr Flüchtlinge aufzunehmen als zuvor.

Wir sollten uns klarmachen, dass diejenigen, die sich noch rechtzeitig vor den Verbrechen der Nationalsozialisten, vor Enteignung, Entrechtung, Demütigung, Folter und Tod in Sicherheit bringen konnten, im heutigen Sprachgebrauch fast ausschließlich “illegale Migranten” waren. Dies ist nicht der einzige, aber ein wesentlicher Grund, warum ich mich an diesen Sprachgebrauch nicht gewöhnen kann und mich auch nicht daran gewöhnen will.

Historische Vergleiche sind schwierig, Geschichte wiederholt sich nicht einfach und eine geschichtswissenschaftliche Bewertung würde ich gerne Menschen überlassen, die sich damit auskennen. Ich behaupte auch nicht, dass sich nichts zum Besseren gewendet hätte oder wir gar nichts aus der Geschichte gelernt hätten.
Offenkundige Lehren aus den Gräueltaten der NS-Zeit waren beispielsweise die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1954, besser bekannt als Genfer Flüchtlingskonvention. Auch wenn wir weltweit noch meilenweit von deren Umsetzung entfernt sind, zeigen sie doch die richtige Absicht und in die richtige Richtung.

Deshalb ist es, wenn wir heute einiger Opfer und ihrer Schicksale gedenken und die für sie verlegten Stolpersteine reinigen und weiße Rosen hinterlegen, ein guter Anlass, an die Lehren aus dieser Zeit zu erinnern. Die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beginnt mit dem Satz: “Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.”

Artikel vom November 2021:

Mahnmale gegen Hass, Hetze und Gewalt
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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