Eine Einzelhandelsanalyse für Tostedt und ein Netto-Markt, der städtebaulichen Zielen entgegensteht

Auf der Fläche des abgebrannten Gebrauchtwagenhandels möchte Ratisbona-Einzelhandelsimmobilien einen Netto-Markt bauen
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bim. Tostedt. Die Tostedter Verwaltung soll ein detailliertes Einzelhandels-Konzept erarbeiten mit einer Liste, die darüber informiert, welche Waren im Gewerbegebiet Zinnhütte bei der künftigen Bebauung zugelassen werden sollen und welche nicht, um dem Einzelhandel in der Ortsmitte nicht zu schaden. Das ist die einstimmige Empfehlung des Planungsausschusses. Zuvor hatten Oliver Ohm von der BBE Handelsberatung GmbH eine Einzelhandelsanalyse und Projektentwickler Ralph König das Vorhaben, einen Netto-Markt in der Zinnhütte zu errichten (siehe unten), vorgestellt.
Oliver Ohm war in dem Gutachten den Fragen nachgegangen: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat die Umstrukturierung der bestehenden Märkte in der Zinnhütte?, Ist die aktuelle Planung mit den Zielen der Raumordnung kompatibel?; Wie soll mit dem Standort Zinnhütte umgegangen werden?
Durch die Aldi-Erweiterung und den Umbau des Dänischen Bettenlagers samt Ansiedlung eines Getränke- und Budnikowsky-Drogeriemarktes werde die Verkaufsfläche von 5.600 auf 6.300 Quadratmeter erweitert. Insgesamt werde dadurch mehr Umsatz an dem Standort generiert. Umsatzverschiebungen gäbe es deswegen aber vornehmlich innerhalb der Zinnhütte. Auf die Geschäfte im Ortskern habe die Umstrukturierung keine nachhaltig negativen Auswirkungen, so ein Ergebnis.
Laut dem Landes- und Regionalen Raumordnungsprogramm dürfe es großflächigen Einzelhandel nur im zentralen Siedlungsbereich geben, er soll sich städtebaulich integrieren, sich an den zentralen Versorgungsbereich "anschmiegen", so Ohm.
Bei den Versorgungsbereichen Ortskern und Zinnhütte handele es sich um eine "sinnvolle Funktionsteilung", sagte Ohm. Denn die innerörtlichen Betriebe seien vor allem inhabergeführte Geschäfte mit verbrauchernahen Dienstleitungen, während in der Zinnhütte großflächiger Einzelhandel und Fachmärkte seien, für die es im im Ortskern keine ausreichenden Flächen gebe. Dennoch sei der Ortskern schützenswürdig. "Es gibt in Deutschland keinen Wettbewerbsschutz, aber man sollte die Entwicklung in der Ortsmitte fördern", sagte Oliver Ohm. "Es ist erforderlich, im Rahmen der Bauleitplanung steuernd einzugreifen."
Ein weiterer Discounter in der Zinnhütte müsse nicht dazu führen, dass der Ortskern leide, so Ohm. Er gab zu bedenken, dass ein Einzelhandelsausschluss ein großer Eingriff in Eigentumsrechte sei und daher rechtlich gut begründet sein müsse.

Wie berichtet, möchte Netto einen Markt auf dem Grundstück des im August 2013 abgebrannten Gebrauchtwagenhandels (Zinnhütte 12) errichten. Der Markt - eine Mischung aus Supermarkt und Discounter mit 95 Prozent Lebensmitteln mit regionalem Schwerpunkt und fünf Prozent Non-Food-Produkten - soll laut Projektentwickler Ralph König von Ratisbona-Einzelhandelsimmobilien eine Verkaufsfläche von 1.044 Quadratmetern haben. 80 Parkplätze soll es geben. Bevor ein Markt auf der Fläche errichtet werden kann, müsse ein "hoher sechsstelliger Betrag" für die Dekontamination der Fläche aufgewendet werden, so König.
Die Bauvoranfrage für den Nettomarkt ging am 22. Juli vergangenen Jahres bei der Gemeinde ein. Im selben Monat hatte Ratisbona das Grundstück erworben. "Unsere Entscheidung für den Standort fiel auf Basis des rechtskräftigen Bebauungsplanes", so Ralph König auf WOCHENBLATT-Nachfrage.
Zu dem Zeitpunkt berieten die politischen Gremien in Tostedt allerdings bereits seit März, wie über den Bebauungsplan die weitere Ansiedlung von Geschäften mit innenstadtrelevanten Sortimenten außerhalb der Sondergebiete "Zinnhütte 9, 11 und 13" (mit Rewe, Aldi, Dänisches Bettenlager) ausgeschlossen werden und stattdessen städtebauliche Zielsetzungen wie z.B. Sport- und Freizeitzentren oder Wohnbebauung verfolgt werden können. Der Fachausschuss hatte am 7. Juli und der Verwaltungsausschuss am 21. Juli einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst. Die entsprechende Bebauungsplanänderung wurde im September beschlossen und gleichzeitig eine Veränderungssperre verabschiedet. Der Landkreis Harburg hat die Bauvoranfrage für den Netto-Markt auf Antrag der Gemeinde Tostedt nun bis zum 19. November zurückgestellt. Dagegen hat der Projektentwickler Widerspruch eingelegt.

Gemeindedirektor Dr. Peter Dörsam erläuterte das Problem: "Wir können nicht ermitteln, was an dem Standort Zinnhütte noch machbar ist, und gleichzeitig den nächsten Markt durchwinken." Andererseits könnte die Gemeinde Gefahr laufen, auf Entschädigung verklagt zu werden, wenn die bisherigen Ausgaben des Projektentwicklers durch die Bebauungsplanänderung mit dem weiteren Einzelhandelsausschluss an Wert verlieren. "Wir habe eine Rechtsanwaltskanzlei zur Vertretung unserer Interessen eingeschaltet", stellte Ralph König klar.

Interessant: Nach Angaben von Ralph König ist Netto seit einigen Jahren an einer Ansiedlung in Tostedt interessiert. Auf zwei WOCHENBLATT-Anfragen im November 2014 zur möglichen Ansiedlung am ehemaligen Lidl-Standort am Westbahnhof und im Januar 2015 zur Ansiedlung auf einer Fläche in der Zinnhütte hatte das Unternehmen jeweils erklärt, zu dem Zeitpunkt keine Eröffnung bzw. einen Neu-Standort in Tostedt zu planen. Einen Standort am Westbahnhof schloss auch Ralph König wegen mangelnder Frequenz aus.

Auf der Fläche des abgebrannten Gebrauchtwagenhandels möchte Ratisbona-Einzelhandelsimmobilien einen Netto-Markt bauen
Oliver Ohm von der BBE-Handelsberatung
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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