Flüchtlingsprotest in Handeloh schockt Anwohner / Unmut über Unterbringung und mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten
(bim). Mit großer Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft wurden vor rund zweieinhalb Jahren die Menschen in Deutschland aufgenommen, die aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns geflüchtet sind. Sie waren dankbar, hier eine sichere Unterkunft und Angebote zur Integration zu bekommen. Doch je länger die Asylverfahren und das Warten auf eine Beschäftigung dauern, desto größer wird - verständlicherweise - die Unzufriedenheit unter den Geflüchteten. Das bekamen jetzt in Handeloh die Anwohner der Unterkünfte am Bahnhof und der Jugendherberge in Inzmühlen zu spüren: An zwei Abenden gab es Proteste seitens der Flüchtlinge, die lautstark und mit Plakaten auf die für sie unhaltbare Situation aufmerksam machten. Mit Ausrufen wie „Wir sind Tiere. Alles Lüge“ beklagten sie ihre Unterbringungssituation, die Residenzpflicht, nach der sie zu bestimmten Zeiten in ihrer Unterkunft zu sein haben, und die in ihren Augen gebrochenen Versprechen.
Denn einerseits hat die Bundesregierung mit nötigen Gesetzesänderungen zu lange gewartet, etwa, was die Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber angeht. Andererseits haben manche Flüchtlinge eine zu große Erwartungshaltung, weil ihnen Deutschland von den Schleppern oder via Internet als „Schlaraffenland“ dargestellt wurde.
„Wir fühlen uns alleingelassen. Der Landkreis hat die Flüchtlinge hier einquartiert und kümmert sich nicht mehr. Ich mache mir Sorgen um meine Familie“, erklärt ein Anwohner des Wehlener Wegs in Handeloh-Inzmühlen, an dem auch die Jugendherberge liegt, in der zurzeit 56 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge untergebracht sind. Etwa die Hälfte von ihnen protestierte vergangenen Mittwochabend lautstark gegen ihre Unterbringungssituation und bestimmte Auflagen. „Ich bin der Meinung, die Flüchtlinge brauchen eine bessere Betreuung“, sagt der beunruhigte Anwohner.
Dem Landkreis ist der Vorfall bekannt. Bereits am Abend zuvor hätten die Flüchtlinge am Handeloher Bahnhof - dort sind 92 Flüchtlinge, vorwiegend Familien, in Containern einquartiert - protestiert. „Hintergrund ist die bekannte Problematik der Verfahrensdauer und Perspektivlosigkeit im Rahmen des Asylverfahrens“, so Landkreissprecher Johannes Freudewald.
Die minderjährigen Flüchtlinge haben andere Probleme. Sie würden von Mitarbeitern eines freien Jugendhilfeträgers nach den gesetzlichen Vorgaben der Jugendhilfe intensiv betreut. Am Mittwoch hätten sie sich auf einem „Bewohnerplenum“ u.a. über die Residenzpflicht beschwert und den Wunsch auf Zeitkarten für öffentliche Verkehrsmittel geäußert. „Wir können aber angesichts der gesetzlichen Vorgaben keine befriedigenden Lösungen anbieten“, so Freudewald.
Während Anwohner die Fahrer „dubioser Fahrzeuge“ für ein Aufstacheln der minderjährigen Flüchtlinge in Verdacht hatten, bekannte sich in einem Anruf beim
WOCHENBLATT ausgerechnet das umstrittene Kreistagsmitglied Erich Romann dazu. „Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sich wehren und sie über ihr Demonstrationsrecht aufgeklärt“, erklärte er.
Kommentar: Platte Parolen sind fehl am Platze
Im gesamten Landkreis geben sich Flüchtlingsunterstützer große Mühe, Asylsuchende zu integrieren. Sollte Kreistagsabgeordneter Romann mit seiner Aussage die Flüchtlinge tatsächlich zu diesen Demonstrationen bewegt haben, hat er ihnen einen Bärendienst erwiesen. Denn jetzt fühlen sich all jene bestätigt, die den Fremden in ihrer Nachbarschaft ohnehin skeptisch gegenüber stehen. Und er macht die Bemühungen der Unterstützer zunichte, Vorurteile gegenüber den Fremden auszuräumen. Bianca Marquardt
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