Ab 1. Juli
Freie Kabel-TV-Anbieterwahl wird zur Altersdiskriminierung

Ingrid Freise macht sich Gedanken um ältere Mitmenschen, die mit dem Anbieterwechsel überfordert sein könnten | Foto: bim
  • Ingrid Freise macht sich Gedanken um ältere Mitmenschen, die mit dem Anbieterwechsel überfordert sein könnten
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Kein Zwang mehr zum Kabel-TV und freie Anbieterwahl - mit dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs bezahlen Mieterinnen und Mieter ihren Kabel-TV-Anschluss ab dem 1. Juli 2024 nicht mehr über die Nebenkostenabrechnung an ihren Vermieter, sondern direkt an den Telekommunikationsanbieter ihrer Wahl. Voraussetzung dafür ist der Abschluss eines entsprechenden Einzelvertrags. Das könne für Menschen ohne Internetanschluss aber zum Problem werden, sagt Seniorin Ingrid Freise aus Tostedt. Sie bezeichnet das als gesetzlich verordnete Altersdiskriminierung.

Umstellung auf Einzelverträge
ohne Internet schwierig

"Viele ältere Menschen befürchten, ab 1. Juli 2024keinen Fernsehempfang mehr zu haben. Denn die Umstellung auf Einzelverträge kann nur über das Internet, eine Hotline oder eine E-Mail-Adresse erfolgen. Da zumeist Ältere keine Internetverbindung haben, können sie auch keine Verträge machen. Am schlimmsten benachteiligt sind diejenigen, die keine Verwandten oder Bekannten mehr haben, die ihre E-Mail-Adresse zur Verfügung stellen könnten", schildert Ingrid Freise. Das Aufsuchen von Shops der Kabel-TV-Anbieter - so es sie denn in der Nähe gibt - sei für Menschen mit in ihrer Mobilität eingeschränkt undRollator oder Rollstuhl schwierig. Die TV-Spots lieferten auch keine Aufklärung und seien zudem von Aufmachung und Ansprache her auf jüngeres Publikum zugeschnitten.

Mehrzahl der Vermieter
hat rechtzeitig informiert

Die Mehrzahl der Vermieter hat ihre Mieter rechtzeitig darüber informiert, dass sie selbst Verträge abschließen müssen. Ingrid Freise lebt im Betreuten Wohnen des Herbergsvereins, Altenheim und Diakoniestation zu Tostedt und fühlt sich ebenfalls gut aufgeklärt. "Wir erhalten alle Informationen und man kümmert sich", sagt die 76-Jährige, die selbst über Internet verfügt. In ihrem Bekanntenkreis hat sie aber bereits anderes erlebt: Eine Freundin in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg sei vom Vermieter nicht informiert worden. Eine andere Bekannte habe den Anbieterwechsel über die Hotline regeln wollen und sei mit den Worten: "Dann kann ich ihnen nicht weiterhelfen" abgespeist worden, als sie sagte, dass sie keine E-Mail-Adresse habe.

"Eine Selbstbestimmung bei der Anbieterwahl ist in Ordnung", sagt die 76-Jährige. Aber: "Der älteren Generation werden keine altersgerechten Lösungen angeboten." Hilfreich wäre aus Sicht von Ingrid Freise das Zusenden der Verträge in Papierform, und dass auch die Anbieter der älteren Klientel gerecht werden.

Infos zum Nebenkostenprivileg

Mit dem Nebenkostenprivileg hatten Vermieterinnen und Vermieter bisher die Möglichkeit, die Gebühren für den Kabelanschluss über die Nebenkostenabrechnung auf die Mietparteien umzulegen, egal, ob diese den Anschluss nutzten oder nicht. Wer sich für einen anderen Anbieter entschieden hatte, zahlte doppelt.

Das Nebenkostenprivileg war in den 1980er Jahren zu den Anfangszeiten des Kabelfernsehnetzes eingeführt worden. Um die neue Technik einer breiten Bevölkerung zugänglich zu machen, wurde das Gesetz verabschiedet, das dem Vermieter ermöglichte, einen Sammelvertrag mit günstigeren Konditionen für die Mieterschaft abzuschließen.

Die Streichung des Nebenkostenprivilegs erfolgte im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG), das die damalige Bundesregierung Ende 2020 beschlossen hat. Die neuen Regelungen traten am 1. Dezember 2021 in Kraft. Am 30. Juni 2024 läuft nun die Übergangsfrist ab.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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