"Geld und Nerven verbrannt"
Nach dem Bürgerentscheid: Viel Aufwand für wenig Beteiligung / "Hoffen, dass wieder Ruhe einkehrt"
bim. Tostedt. Haben die Tostedter kein Interesse daran, das demokratische Instrument direkter Bürgerbeteiligung zu nutzen? Oder war das Thema für die Mehrheit der Einwohner nicht interessant genug? Diese Fragen muss man sich nach dem gescheiterten Bürgerentscheid "Keine Kindertagesstätte/Krippe am Standort Dieckhofstraße" wohl stellen, an dem sich nur 25,5 % der Stimmberechtigten beteiligt haben.
Die überragende Mehrheit der Bürger verbrachte den Sonntag lieber anders, als den Gang zur Urne auf sich zu nehmen. Das sagen die Beteiligten zum Ergebnis:
Tostedts Gemeindebürgermeister Gerhard Netzel (SPD): "Der Bürger hat entschieden. Zwar gibt es mehr Ja- als Nein-Stimmen. Für mich ist entscheidend, dass wieder Ruhe in den Ort einkehrt. Vieles fand unterhalb der Gürtellinie statt: Nicht akzeptabel war, die Standort-Gegner als Kinderhasser darzustellen, oder Verwaltungsmitarbeitern einen persönlichen Vorteil zu unterstellen."
Nadja Weippert, Mit-Initiatorin des Bürgerbegehrens: "Das Ergebnis ist so, wie ich es erwartet habe. Dass wir ein eindeutiges, mehrheitliches Ja bekommen, aber dass die Beteiligung zu gering ist. Natürlich sind wir vom mangelnden Interesse enttäuscht. Wir müssen nun sehen, wie es weitergeht." Die drei Initiatorinnen Nadja Weippert, Tamara Boos-Wagner und Renate Weiß appellieren in einer Presseerklärung an Samtgemeinde-Bürgermeister und -Rat, in einem moderierten Diskussionsverfahren gemeinsam die beste Lösung zur Schaffung von Krippenplätzen zu suchen.
Ernst Müller (CDU): "Wir sind sehr froh über das Ergebnis, hätten uns aber eine größere Wahlbeteiligung bei einem so wichtigen Thema für die ganze Samtgemeinde gewünscht. Denn im Verhältnis zu der 25-prozentigen Wahlbeteiligung war es ein enormer Aufwand, wurden Geld und Nerven verbrannt."
Rolf Aldag, Vorsitzender der CDU-Fraktion: "Grundsätzlich freue ich mich für die Eltern, die schnell einen Betreuungsplatz für ihre Kinder brauchen. Ich habe nicht mit einer riesigen Wahlbeteiligung gerechnet, aber 25 % finde ich enttäuschend. Offensichtlich gibt es eine große schweigende Mehrheit, die den Ratsbeschluss bestätigt. Es würde mich freuen, wenn in der Samtgemeinde Ruhe einkehrt und alle auf der Sach-Ebene vernünftig weiter arbeiten."
Wie geht es jetzt weiter? Samtgemeinde-Bürgermeister Dirk Bostelmann: "Wir werden in der kommenden Woche hoffentlich mit den Boden-Untersuchungen beginnen und eine Teilbaugenehmigung für die Erdarbeiten beantragen, damit archäologische Untersuchungen gemacht werden können. Wir vermuten dort eine Schmiede."
Aus Sicht des rechtskräftigen, nur im Hinblick auf die Hofsituation geänderten Bebauungsplans sieht er keine Hinderungsgründe für den Bau - auch nicht durch eine mögliche Klage der Anwohner.
Kommentar
"Ich kann das Thema nicht mehr hören und bin froh, wenn Sonntag alles vorbei ist" - diesen Satz hörte man kurz vor dem Bürgerentscheid in Tostedt von Beteiligten beider Seiten und Bürgern. War dieser Verdruss ursächlich für die mangelnde Wahlbeteiligung?
Monatelang wurden die Einwohner der Samtgemeinde von beiden Seiten mit Argumenten Pro und Contra des Standortes regelrecht "bombardiert".
Bei jedem der drei Tostedter Bürgerbegehren gab es bisher gewisse "Grabenkämpfe", diesmal hatten sie ganz neue Dimensionen angenommen - von verschwundenen Unterschriftenlisten bis hin zu persönlicher Diffamierung.
Es bleibt wirklich zu hoffen, dass sich die Wogen wieder glätten und alle Beteiligten künftig wieder sachlich miteinander umgehen und sich guten Gewissens in die Augen sehen können.
Bianca Marquardt
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